Kultur

Inga Lisa Lehr als divenhafte Zauberkönigin Alcina. (Foto: H. Dietz)

20.06.2018

Trügerische Liebesdiktatur

Markanter Saisonabschluss im Theater Hof mit Händels „Alcina“

Die Renaissance der Barockoper an deutschen Bühnen ist am Theater Hof bislang vorbeigegangen. Nun gelang ihm aber mit einer Aufführung von Georg Friedrich Händels Alcina ein markanter Schlusspunkt der Theatersaison. Im feinen Zusammenspiel von Sängern, Chor und Ballett auf der Bühne mit den von Daniel Spaw kenntnisreich geleiteten und um eine Continuo-Gruppe erweiterten Hofer Symphonikern entstand eine umjubelte Präsentation.
Der anonyme Librettist entwirft eine Inselwelt der Feen und Zauberer, der zu Steinen, Tieren und Bäumen verwandelten Menschen, der Kreuzritter auf Liebesabwegen. In ihr herrscht die doppelgesichtige Alcina; einerseits huldigt sie dem Prinzip der absoluten Liebe im harmonischen Zusammenleben ihres Hofstaats, andererseits straft sie Verflossene und Opponenten mit ihrer Zauberkraft und verwandelt sie in Emanationen der Natur.
Ihrer charismatischen Ausstrahlung ist der Kreuzritter Ruggiero verfallen. Er hat seine eigentliche Aufgabe, den schnöden, gleichwohl auch Ehre und Ruhm verschaffenden Kriegsdienst zugunsten des paradiesischen Lebens bei Alcina entsagt. Seine Verlobte Bradamante will ihn nun mit ihrem vertrauten Ratgeber Melisso befreien, wobei Intrigen, Verkleidungen, Geschlechterwechsel und ein geheimnisvoller Gegenzauber dienlich sind.

Raffiniertes Bühnenbild

Zum Erfolg der Hofer Händel-Aufführung trägt Regisseur Hinrich Horstkotte, der auch Bühne und Kostüme verantwortet, nicht unerheblich bei. Die verschiebbaren, dreifachen Schutzringe um Alcinas Thron und Zauberurne nehmen einen großen Teil der Spielfläche ein. Geschlossen symbolisieren sie die abstoßende Machtfülle der Inselherrscherin, sind sie zum Zuschauerraum hin geöffnet, ermöglichen sie vielfältige Aktionen, die vor allem dem kräftig eingesetzten Ballett (Choreographie: Barbara Buser) und dem Chor den nötigen Raum lassen. Horstkotte setzt die Ensembles bewusst als wichtige Handlungsträger in Szene.
Dennoch bestimmen die Solisten das Geschehen, aus denen die Sopranistin Inga Lisa Lehr in der Titelrolle und als Gast der Countertenor Antonio Giovannini in der Rolle des Ruggiero herausragen. Letzterer spielt mit gelassener Selbstverständlichkeit, sicher auch auf sein stupendes stimmliches Volumen vertrauend, sowohl den soften, in ein ausladendes Barockkleid gewandeten Liebhaber der Zauberfürstin als auch den zur übermenschlichen Kampfmaschine mutierten Krieger in Schaftstiefeln und Lederkoppel, mit Stahlhelm und Gewehr.
Das blutrünstige Massaker an Alcinas Getreuen am Ende des dritten Akts und die Tritte auf die hilflos am Boden kauernde Ex-Geliebte scheinen Ruggiero fast Freude zu bereiten und schockieren den Zuschauer.

Machtlose Herrscherin

Bewunderung und Mitleid evoziert dagegen Inga Lise Lehrs Alcina. Die divenhafte Zauberkönigin wird ob ihres wilden, rostroten Haarschopfs, ihrer überlangen Fingernägel und der wechselnden Kleiderpracht als Wesen nicht von dieser Welt bestaunt; ihr heller Sopran findet schnell Zugang zu den Herzen des Publikums. Umso mehr nimmt es Anteil, wenn sich die verzweifelte, weil verlassene Herrscherin ihrer Machtlosigkeit bewusst wird, sich grämend Haarbüschel aus- und Fingernägel abreißt und als farblose Figur dem Untergang ihrer scheinbar paradiesischen Liebesdiktatur zusehen muss. (Horst Pöhlmann)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.