Kultur

Eiserne Maßnahme im Kampf gegen den unsichtbaren Feind Corona – auch in den Kunstsammlungen der Veste Coburg. (Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg)

15.05.2020

Von wegen Stillstand

Nach und nach öffnen die Museen wieder. Museumsleiter*innen erzählen, wie es ihnen während des Lockdowns erging und welche Erfahrungen sie für die Zukunft gewonnen haben

Wenn die Museen im Freistaat nun allmählich wieder aufsperren, ausgestattet mit neuen Regeln für Besucher*innen, die nicht nur den meisten Ausstellungsobjekten, sondern in Zukunft auch sich gegenseitig nicht zu nahe kommen dürfen, dann endet eine Zeit der Spukhäuser. Dann hören Wochen auf, in denen nur der Geist von Kunst und Kultur und der Genius Loci dort hausten, die guten Geister der Phantasie und der Kreativität freilich nie verschwunden waren. Denn die meisten der Museen – staatliche, kommunale, freie – haben schnell und kraftvoll reagiert, haben sich informative, geistreiche, fröhliche, inspirierende Formate für das Internet ausgedacht. Und haben damit – wie die meisten Theater auch – unter Beweis gestellt, dass die Mitarbeiter*innen in den Kultureinrichtungen ihre Hände auch in Corona-Ausnahmezeiten nicht in den Schoß legen. Denn, so Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: „Wer Stillstand denkt, der täuscht sich gewaltig.“

Hilfreiche Handreichungen

Das gilt jetzt umso mehr, weil die Häuser in den vergangenen Tagen im Geist des kraftvollen Anschubs umgerüstet werden mussten: Wie gut, dass da der Deutsche Museumsbund und die Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern rasch mit Handreichungen behilflich waren, sagt Christiane Müller, Leiterin des Industriemuseums Lauf.

Die wesentlichen Tipps, die die Museen umsetzen, lauten: Desinfektionsstationen, Schutzmaskenpflicht, zusätzliche Reinigungen, Hygienebeauftragte, geschultes Personal. Außerdem: nur eine Person pro 20 Quadratmeter. Das heißt: Pulks vermeiden, kluge Besucherführung, Zählsysteme. Damit es, wie Barbara Kink, die stellvertretende Leiterin des Museums Fürstenfeldbruck, sagt, „nirgends knödelt“: „Aber es ist alles relativ übersichtlich“, sagt die Fachfrau, sich entspannt gebend. Es ist eben alles eine Frage der überlegten und schnellen Organisation – aber keine Magie und Zauberei, wie die neue Ausstellung in Fürstenfeldbruck heißt.

Manche Museen – wie das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg – bieten Sonderöffnungszeiten für Senior*innen an.

Onlinepräsenz ausgebaut

Für Museumsleute ist es während des Lockdowns eine seltsame Situation gewesen, Räume für Menschen vorzuhalten, die aber nicht kommen können: „Wir haben die Besucher vermisst“, sagt die Laufer Museumschefin Christiane Müller stellvertretend für alle Kolleg*innen. Aber man habe sich auch ganz schnell gedacht: „Wir sind nach wie vor für euch da.“ In Lauf hat das gut geklappt, mit einer sehr charmanten, sehr persönlichen, bewusst semiprofessionellen Note, mit Inhaltsvermittlung auf Augenhöhe, die dem Haus viel positives Feedback eingebracht hat – und womöglich neue Gäste in der analogen ersten Wirklichkeit.

Diese kehrt tröpfchenweise zurück: Zwar sei es „sehr ruhig gewesen“, sagt Gerrit Faust, Pressesprecher des Deutschen Museums in München, aber als erster Besucher war Punkt neun Uhr ein Herr aus Kempten da – und wurde entsprechend freudig begrüßt.

Die ersten Besucher*innen sind sehnsüchtig erwartet. „Wenn man über zwei Jahre mit einem großen Team an der Entstehung einer Ausstellung gearbeitet hat, wenn der erhoffte Strom der Besucher tatsächlich da ist, wenn schon über 100 000 Menschen die Ausstellung gesehen haben, wenn dann alles geschlossen werden muss – das ist bitter“, sagt Peter Miesbeck, Leiter des Ausstellungszentrums Lokschuppen in Rosenheim. Aber jetzt kann man sich auch dort wieder auf eine Reise begeben – zurück in die Zeit der Saurier. Die Sonderschau bleibt bis Dezember stehen. Allerdings muss man sich zuvor ein Onlineticket buchen – der Aufenthalt ist auch durch Zeitfenster reglementiert.

Auf- und durchatmen ist also angesagt – freilich mit Mundschutz. Bisher waren nur – wie unser Foto oben von der Veste Coburg zeigt – manche Exponate gerüstet. Jetzt sind es auch die Betrachter*innen. „Wir haben mit großem Aufwand daran gearbeitet, das Museum nach allen aktuellen Vorgaben und Hygienestandards umzurüsten und dennoch ein tolles Besuchserlebnis aufrechtzuerhalten“, sagt der dortige Verwaltungsleiter Thomas Höpp.

Mehr Zeit für Digitalisate

In der Zwischenzeit war überall versucht worden, „aus der Situation das Beste zu machen“, sagt Sonja Mißfeldt, Pressesprecherin des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg. „Während der Schließung haben wir die Gelegenheit genutzt, unsere Sammlung weiter zu digitalisieren“, berichtet sie. Pro Tag seien zwischen 150 und 300 Aufnahmen gemacht worden. Ein ohnehin für später geplanter Blog und die Aktion „Bei Anruf Kunst“ waren recht erfolgreich: „Das lief wirklich phantastisch an und wird auch weiterhin beibehalten.“ Zwar heiße es: „Eine rein digitale Museumslandschaft wird es sicherlich nie geben. Nichts ersetzt die Aura des Originals.“ Aber es hat sich gezeigt: „Die digitalen Formate sind eine wunderbare Ergänzung, die die Lust auf einen Museumsbesuch steigern können.“

Darüber wird schon seit Längerem nachgedacht. Nichts Böses ahnend, hat sich der Bayerische Museumstag im Juli des vergangenen Jahres mit dem Thema „Das erweiterte Museum“ auseinandergesetzt. „Da ging’s darum“, sagt Christiane Müller, „dass sich das Museum in den digitalen Raum öffnet.“ Angebote gab es ja auch vorher schon, und Möglichkeiten gibt’s genug. Möglichkeiten, die wegen personeller Engpässe aber oft nicht genutzt werden konnten. Durch die Ausnahmesituation der vergangenen Wochen waren die Museen „gezwungen und in die Lage versetzt“ zu reagieren: „Corona war ein Katalysator.“

Schon bei der Tagung waren Ideen erarbeitet worden, auf die man jetzt zurückgreifen konnte. Aber dazu wird man auch in Zukunft Personal brauchen. Bernhard Maaz: „Schauen wir uns an, was in den anglofonen Ländern geschieht, dann sehen wir dort ein Vielfaches an personeller und finanzieller Ausstattung.“ Auch die vielen neuen Anforderungen der Wiederöffnung werden Geld kosten. Aber der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sagt auch: „Wir werden den moralischen Gewinn haben: dass alle sehen, dass die Museen für die Menschen wieder und weiter da sind. Museen sind Kommunikationsorte.“

Wie man Corona abhält

Das ist der zentrale Punkt: Kultur ist Kommunikation. Dazu braucht es zentrale Orte – wie die Museen. In ihnen wohnt der Geist der Geschichte, der Gegenwart, der Zukunft – von Kunst und Kultur. Digital ist vielleicht der Weg dorthin, analog aber die Präsenz, die tatsächliche Erfahrung. Oder man probiert gleich gänzlich neue Formate aus wie das Deutsche Medizinhistorische Museum in Ingolstadt. Dort lautet noch bis zum 17. Mai, dem Tag der Wiederöffnung: „An object a day keeps corona away“. „An der Objektgalerie haben auch 13 externe Autoren aus drei Ländern mitgearbeitet, da ist eine Metasammlung zur Seuchengeschichte entstanden, und durch Schlagworte kommen Dinge zusammen, auf die wir nie gekommen wären“, sagt Direktorin Marion Ruisinger. An dieser Idee entlang, die unkompliziert und kostengünstig war und die überregional Beachtung gefunden hat, soll weitergearbeitet werden. Der letzte Eintrag zur Objektgalerie wird dem Schäfflertanz gewidmet. Denn, so Marion Ruisinger: „Nach der Pest sind die Schäffler auf die Straße und haben getanzt um den Leuten Mut zu machen, auch wieder auf die Straße zu gehen, weil der Spuk vorbei ist.“ Oder eben: ins Museum. (Christian Muggenthaler)   

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