Kultur

Die Grenze zwischen Kunst und Mode- sowie Werbefotografie ist aufgehoben: Aus Juergen Tellers Fotoserie "Louis XV" (2004).

08.01.2010

Vorne Kunst – hinten Kitsch

Juergen Tellers Fotografien aus der Welt des Glamours in der Kunsthalle Nürnberg

Er fotografiert die ungeschminkte Kate Moss im Badezimmer und die englische Filmschauspielerin Charlotte Rampling nackt vor der Mona Lisa im Louvre. Das brasilianische Top-Model Raquel Zimmermann räkelt sich für ihn und seine Kamera lasziv auf dem Tisch einer Kreissäge in der Geigenbauer-Werkstatt seines Vaters in Bubenreuth oder tanzt dort vor seinem Onkel auf dem Küchentisch. Mit seinen Fotografien provoziert Juergen Teller – und stellt die Welt des Glamours und der Laufstege auf den Kopf. Hinter die Kulissen schaut er nicht. Derzeit zeigt Juergen Teller, der aus der Geigenbauersiedlung Bubenreuth, einem fränkischen Dorf zwischen Erlangen und Forchheim stammt, seine Fotografien erstmals in einer Einzelausstellung in seiner fränkischen Heimat. "Logisch!" nennt sich die Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg – logischerweise, denn seit der 1964 geborene Kunst-Fotograf nach seiner Foto-Ausbildung in München mit gerade mal 22 Jahren nach London ging und dort internationale Karriere machte, hat man in Franken nicht mehr viel von ihm gesehen und gehört. Die 99 Bilder, meist aus Foto-Serien, verstehen sich zwar nicht als Retrospektive, zeigen aber den weiten Weg, den der Künstler zurückgelegt hat. Eine Grenze zwischen der Kunst und der Mode- sowie Werbefotografie zieht er längst nicht mehr: Teller kann es sich leisten, einen Star wie Victoria Beckham in eine riesige Papiertüte zu stecken, aus der nur ihre Beine mit den tollen Schuhen ragen, ihr Gesicht aber nicht zu zeigen. Dabei laviert Juergen Teller vor allem in seinen Akten hart am Rande manierierter Geschmacklosigkeit und artifiziell aufgemöbelten Kitsches: Etwa wenn er im Pariser Louvre leichenhaft blass geschminkte nackte Models vor antiken und klassizistischen Statuen aus Marmor frivol und erotisch posieren lässt. Seine Nackt-Selbstporträts wirken überinszeniert, wenn er sich selbst in Hard-Core-Manier vor der Klavier spielenden Charlotte Rampling auf dem Flügel ausstellt. Verträumte Intimszenen Aber dann gelingen ihm wieder verträumte Intimszenen mit dem eigenen kleinen Sohn, eine liebevoll-lustige Hommage mit dem Kopf seiner Mutter im Rachen eines ausgestopften Krokodils oder freche Blasphemien: Die Serie Der Schlüssel im Schloss ist in den Privaträumen von Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg aufgenommen, wo Juergen Teller das stilvolle Meublement, eine Mater dolorosa oder den gekreuzigten Christus aus der Familienkapelle mit nackten Körpern verfremdet – und karikiert. Juergen Teller scheut vor nichts zurück, setzt offenbar immer nur auf eine Karte, die von vorne Kunst – und von hinten Kitsch sein kann. (Friedrich J. Bröder)

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