Kultur

Mit sprachlicher und darstellerischer Präzision überzeugen die Schauspieler in einem Stück, dessen Text sehr spröde ist. (Foto: Martin Kaufhold)

24.05.2019

Wabern und labern

Die Bamberger Inszenierung von Botho Strauß’ „Die Zeit und das Zimmer“ punktet mit tollen Akteuren

Die Zeit und das Zimmer: Dass ein nicht eben viel gespieltes Stück des ohnehin nicht mehr viel gespielten Botho Strauß aus dem Jahr 1989 völlig zu Recht nicht mehr viel gespielt wird, beweist eine Inszenierung am E.T.A. Hoffmann-Theater in Bamberg.

Man sieht ihr 90 Minuten lang die Denkanstrengung, das Herstellungsschmalz, die Mühsal der Bühnenschubkraft an – dennoch bewegt sich schlussendlich wenig. Der erratische Text bleibt zu bruchstückhaft, um aus ihm wirkliche Wesen zu formen. Es kommt hinter der durchaus beobachtbaren Absicht von Text und Regie kein veritables Stück um die Ecke, von dem man sagen könnte: Da nehm’ ich was mit. Stattdessen bestimmt die Zeugenschaft eines Scheiterns auf ganz hohem Niveau den Abend.

Die Gleichung des Lebens

Denn thematisch und schauspielerisch ist alles angerichtet für ein tragfähiges Bühnenexperiment: Es geht um die Frage von Identitäten, um die Offenheit des Begriffs „Ich“, um die Unbekannte in der Gleichung des Lebens, die bestimmt wird vom Hineingestelltsein des Menschen in die Zufälligkeiten von Zeit und Ort.

Zwei Herren bewohnen ein Zimmer, in das Geschehnisse und Personen voll Zufälligkeit dringen, Ereignis- und Erinnerungsschnipsel, die auf einer sehr vagen Ebene miteinander zusammenhängen.
Um diese Vagheit geht es: Das Leben und die Erinnerung daran ist kein zeitlich und erzählerisch feststehendes Konstrukt, sondern es wabert und labert und verändert sich je nach Tagesform und Erzählumstand.

Von der Papierform her ein interessantes Thesenstück, aber es mangelt ihm an Lebendigkeit über das gut beobachtbare, schnell klar werdende Konstrukt hinaus. Es fehlt die Spannung. So bleibt’s bei Waberei und Laberei.

Ins Zimmer gerät auch eine gewisse Marie Steuber, die für das X im Leben steht und deren Daseinsmöglichkeiten und von Zufällen geprägte Zusammenseinsdramolette mit Männern das Stück prägen. Da gibt es zwar immer wieder kompakte, kräftige Szenen wie ein erotisches Spiel um den Mann-Frau-Status – übersetzt in die Chef-Angestellten-Hierarchie – zwischen Marie und Ansgar (Eric Wehlan) oder ein hübsches, loriothaftes Geplänkel um die Höflichkeitslüge zwischen den beiden Herren Julius (Stephan Ullrich) und Olaf (Florian Walter).

Aber es fehlt der Kitt. Die Inszenierung durch Theaterleiterin Sibylle Broll-Pape und die Ausstattung von Trixy Royeck machen einen edlen Raum auf voll farblicher Eleganz in Bühnenbild und Kostümen, geprägt von Daseinsblättern, die wohl der Wind des Zufalls hereingeblasen hat. Nur haben Raum und Figuren, die zu Beginn in spieldosenhafter Automatik interagieren, keinen wirklichen Platz, um in einen Möglichkeitsraum vorzudringen, um den es in dem Stück geht. Dazu klebt das Geschehen zu sehr an der Realismus-Oberfläche, findet keine Lücke in eine zweite Spiel-Wirklichkeit hinein.

Verliebt in Verrätselung

So bleibt’s oft beim Sagen eines Texts, der bestimmt poetisch und klug, aber oft auch sehr spröde und sehr verliebt in die eigenen Verrätselungen ist. Immerhin sagen’s die Schauspieler prächtig. Der Abend zeigt, was für eine tolle Schauspielerin Anna Döing ist, die Marie Steuber spielt: mit wunderbarer sprachlicher und darstellerischer Präzision, punktgenau und treffsicher. So wie alle anderen Figuren in dieser Inszenierung auch. (Christian Muggenthaler)

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