Kultur

Spritzspielchen der Rheintöchter mit Alberich (Antoino Yang, von links): Wellgunde (Leah Gordon), Woglinde (Hrachuhí Bassénz), Floßhilde (Udita Nagyová). (Foto: Olah)

06.12.2013

Water-boarding und Bill Clinton als Wotan

In trashig überfüllten Bühnebildern erzählt Regisseur Georg Schmiedleitner Wagners "Rheingold" an der Nürnberger Staatsoper

Der neue Nürnberger Ring des Nibelungen fängt schon im Foyer an. Da sprudelt im Opernhaus die Rheinquelle für Rheingold. Kein Wunder, Staatsintendant Peter Theiler ist Schweizer. Der auch für den übrigen Ring designierte Regisseur Georg Schmiedleitner ist Österreicher und durch seine Nürnberger Inszenierungen von Elektra oder Macbeth für die großen Opernstoffe empfohlen. Theiler und sein ehrgeiziger GMD Marcus Bosch wollten nach zehn Jahren einen neuen, eigenen Ring, und der „Vorabend“ wurde am Ende zum spannenden Opernereignis.
Das sich allerdings erst Mitte der 2. Szene als das zu entwickeln beginnt, was es sein soll: ein Gegenwartsstück über weltpolitische Konstellationen, über Ausbeutung und Betrug, Aufstieg und Fall von Tigerstaaten, geschlossene und gebrochene Verträge und mit einem Auftritt der alten, weisen, exotischen Naturvölker. Schmiedleitner legt am Beginn viele Spuren, die man aus anderen Ring-Inszenierungen schon kennt: der ausgetrocknete Rhein, das übrig gebliebene Wasser in Containern, Alberich als Mülltüten-Clochard. Und man fragt sich, was die Rheintöchter denn da aus dem Plastikbecken ziehen, wenn die „Weckerin in den Grund lacht“: einen strahlenden Castor-Behälter, das letzte bisschen kostbares Nass? Erst wenn Alberich der Liebe fluchend den Bottich über sich ausschüttet, weiß man: es ist flüssiges Gold.

Götter-Mischpoke


In welcher Form auch immer, es treibt sie alle an, die da mitspielen: die amerikanische Götter-Mischpoke mit Bill-Clinton-Wotan im Morgenrock, dann im chicen Kamelhaarmantel. Oder die beiden Riesen: Fasolt und Fafner im blauen Business-suit und irgend woher aus dem weiten russischen Reich. Der Nouveau-riche Alberich lässt sich sogar seinen halbfertigen Palast mit Gold anstreichen.
Nach dem auch im Orchester der Staatsphilharmonie vorlaut und holprig geratenen Beginn erzählt Schmiedleitner in den trashig überfüllten Bühnenbildern von Stefan Brandtmayr und den klar definierenden Kostümen von Alfred Mayerhofer Wagners Geschichte stringent nach. Riesige Grünzeugschlieren hängen vom Schnürboden, Plastikbahnen schaffen diffuse Durchblicke, abgeschlunzt sind die Sessel und Sofas bei der Wotan-Family für ihre Early-morning-sex-Gymnastik. Und den Rhein, gibt es nur noch in Flaschen für Spritzspielchen der Rheintöchter. Es gibt eine Menge zu sehen an diesem Nürnberger Ring-Vorabend, richtig spannend und brutal wird es nach dem banalen Beginn – wo die Rheintöchter Alberich die Brille mit Lippenstift vollschmieren – erst zur Nibelheim-Szene. Da geht es mit water-boarding, Fleischerhaken und dem Kabel für die Stromstöße so zur Sache, wie man das von bloody Schmiedleitner und seinem Mr-President-Wotan erwartet hatte. Mit der Kneifzange zwickt er Alberich den Ring samt Finger ab, und dem Emporkömmling aus dem Billiglohnland bleibt nur noch sein Fluch. Da hat ihm auch seine Verwandlung zum Riesenwurm nichts genützt. Oder seine in Kanistern verpackte Gold-Plörre. Elektrisierend spannend das letzte Bild: Freia mit Stockholm-Syndrom, Erda im faszinierenden Auftritt mit Federschmuck, der Gewitterzauber Donners, bei dem nur ein bisschen Schampus schäumt, Walhalla als blinkende Torte und schließlich als abstraktes Neongitter, auf das die Götter zumarschieren.
Gegen diese Bilder- und Action-Fülle hat es Marcus Bosch schwer, Interesse für die Orchesterleistung zu wecken. Der Banalität des Beginns passt er sich ohne Urtiefen-Geheimnis an, findet dann einen luziden Parlando-Stil, der gut zu Schmiedleitners opulenter Erzählweise passt, schließlich einen pompös aufgedonnerten Schluss. Schmiedleitners Schauspielerfahrung lenkt in detailliert durchdachten Konstellationen die Sänger: den Wotan von Egils Silins, die Fricka der Rowitha Christina Müller, die attraktiv orgelnde Erda von Leila Pfister, die Rheintöchter in ihren Glitzerkleidchen und besonders den Alberich von Antonio Yang, der irgendwie auch das Schicksal der eigenen Ethnie spielt. Brutal und mit Bassgewalt setzt sich Fafner (Nicolai Karnolsky) durch, aber auch die Riesen stehen im Schatten des stimmlich-darstellerischen Kabinettstückchens von Vincent Wolfsteiner als Loge. Im Gehrock, rot die Haare, Schuhe und das Hemd, ist er der süffisante, maliziöse, hinterhältige Strippenzieher am Proszenium. An ihm zeigt sich, wie genau Schmiedleitner arbeiten kann.
Vielleicht auch deshalb war der neue Ring-Schmied sichtlich irritiert vom heftigen Buh, das ihm am Ende und im Kampf mit viel Zustimmung entgegenschlug: für einen Abend, der sich so steigerte wie hoffentlich sein ganzer Ring. Im April geht der mit der Walküre weiter. (Uwe Mitsching)

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