Kultur

„Roter liegender Akt“, um 1921, von Heinrich Campendonk. (Foto: Museum Penzberg)

17.02.2017

Wie der Blick ins Aquarium

Forschung zu Hinterglasbildern von Heinrich Campendonk: Das Museum Penzberg zeigt Raritäten

Seit Eröffnung der Museumserweiterung Penzberg vor einem halben Jahr haben 13 500 Besucher das auffallend schöne Haus besucht. Museumsleiterin Gisela Geiger ist stolz darauf – ebenso auf das Ergebnis einer umfassenden Forschungs- und Restaurierungskampagne: Heinrich Campendonk als Hinterglasmaler, heißt die neue Ausstellung des Museums Penzberg. „Es ist für mich Erntezeit“, sagt Gisela Geiger und schließt dabei das ganze interdisziplinäre Forschungsteam mit ein, insbesondere die Restauratorin für Hinterglasmalerei, Simone Bretz aus Garmisch, die untersucht und restauriert hat. Die Erforschung der Hinterglasmalerei in Campendonks Werk greift weit über die normale Museumsarbeit hinaus und ist für ein kleines Haus eine besondere Leistung: Von insgesamt vermuteten 150 Hinterglasbildern des Blauen-Reiter-Künstlers wurden 75 bei der Aktion entdeckt und katalogisiert – selbst wenn sie nur noch als Foto vorhanden waren oder nur aus Dokumenten erschlossen werden konnten. Wirklich im Original existent wurden 37 klassifiziert, erstaunliche 29 davon werden jetzt unter dem Titel Magische Transparenz in Penzberg präsentiert. Nur eines davon gehört dem Museum selbst. Eine Aufstockung des Penzberger Bestands scheitert an zwei Dingen: Niemand will sein Campendonk-Hinterglasbild verkaufen (es ist gerade mal eines auf dem Markt auszumachen). Und wenn es eines zu erstehen gäbe, müssten dafür heute zwischen 200 000 und 400 000 Euro bezahlt werden – das ist jenseits der Penzberger Möglichkeiten.

Fragil und gefährdet

Heinrich Campendonk (1889 bis 1957) hat nahezu sein ganzes Künstlerleben an der Hinterglastechnik festgehalten: seit er 1911 nach Oberbayern kam bis ins Spätwerk der 50er Jahre hinein. Der Schwerpunkt seiner Beschäftigung mit dieser Maltechnik liegt Anfang, Mitte der Weimarer Zeit. Was ihn daran faszinierte: Ein Hinterglasbild war für ihn ein gemaltes und ein grafisches Werk zugleich. Eine anspruchsvolle, reizvolle Technik, die aber auch fragil und gefährdet ist: Nicht wegen ihrer Zerbrechlichkeit, sondern weil sich die Malschicht wegen der schlechten Haftung auf dem Glas partienweise ablösen kann. Jeder Transport, alle Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen können Schäden verursachen: Farbe löst sich, Stellen werden grau, Farbpartikel bröseln ab. In dem interdisziplinären Forschungs- und Restaurierungsprojekt, das von der Ernst von Siemens-Kunststiftung gefördert wurde, konnte man rund 35 Bilder kunsthistorisch, maltechnisch und materialanalytisch untersuchen. Bei der Bestandsaufnahme haben Heike Stege und Patrick Dietemann vom Doerner Institut, München, sowie Oliver Hahn von der Bundesanstalt für Materialforschung, Berlin, Farb- und Bindemittel mit modernsten Untersuchungsmethoden bestimmt. Jedes Bild und auch eventuelle Schäden wurden untersucht und dokumentiert. Nach der chemischen Untersuchung der Farben hat die Restaurierung in Garmisch begonnen. Das Museum Penzberg, genauer Gisela Geiger, hatte die Projektleitung inne und leistete die kunsthistorische Aufbereitung. Wie lange die Restaurierung bei den empfindlichen Stücken anhält, hängt vom Grad der neuerlichen Gefährdung ab: Deshalb wird man eine solche Ausstellung von Campendonk-Hinterglasbildern wie jetzt in Penzberg so schnell nicht wieder sehen.

Versiegelte Malerei

Vom 22. September an kommen unter dem Titel Moderne und zeitgenössische Hinterglasmalerei darüber hinaus noch einmal die Hinterglasbilder anderer berühmter Künstler zusammen: von Kandinsky, Münter, Marc, Macke, Dexel und Topp bis hin zu Gerhard Richter. Danach müssen die restaurierten Campendonk-Bestände an ihre Leihgeber zurück. Warum ihn die Hinterglasmalerei so fasziniert hat, darüber mochte Heinrich Campendonk nicht viele Worte verlieren und schrieb lapidar an einen Studenten: „Es wird wohl nicht einfach sein, Ihnen viel über Hinterglasmalerei zu erzählen, was Sie nicht schon selber festgestellt haben.“ Er war kein Mann der Worte – Praxis und Erfahrung waren ihm wichtiger, auch das Experiment mit neuen Techniken. Wenn andere Künstler dieser Zeit auf den abschließenden Firniss verzichteten, um den direkten Zugang zur Malerei zu erleichtern, so ging Campendonk mit seiner Hinterglasmalerei einen entgegengesetzten Weg: Die Malerei wird quasi versiegelt, erzielt dadurch aber einen geradezu magisch strahlenden Effekt. Auch Gisela Geiger ist der Hinterglasmalerei erlegen: „Es ist ein seltsam funkelndes Leben, ein Blick wie in ein Aquarium“, sagt sie und führt einen zum Bild Fischglas. Da kann man die besondere Ausstrahlung dieser Bilder beobachten. Mit Absicht hat Geiger ein Ölbild Campendonks aus der gleichen Zeit daneben gehängt: ein vielsagender Vergleich, ein wunderbares Beispiel für die besondere Wirkung der Hinterglaskunst. Märchenhaft erscheint Campendonks Gralsburg von 1923: eine phantasievoll ausgestaltete blaue Burg mit feinsten Radierungen, links unten ein Kopf auf rotem Grund und weißen Nebeln – die Burg als geträumte Vision. Spürbar ist die Nähe zu seinem Freund Paul Klee. Das alles entstand in der politisch brisanten Zeit von Rheinlandbesetzung und Inflation – und Campendonk kehrte damals gerade zurück nach Krefeld. Das blaue Land hinter Glas: Die Arbeitsgemeinschaft „MuSeenLandschaft Expressionismus“ bekommt durch die Glasbilder ein gemeinsames Thema und ein neues Profil. Die Museen Kochel, Murnau, Bernried machen mit, Penzberg wird bei diesem Jahresthema die Federführung haben. (Uwe Mitsching) Information: Bis 7. Mai. Stadtmuseum, Karlstr. 61, 82377 Penzberg. Mi. bis So. 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr.
www.museum-penzberg.de Abbildung:
An der Hinterglasmalerei faszinierte Campendonk das subtile Ineinander von Malen und Zeichnen. Hier „Zwei schwarze Asse“ von 1926.    (Foto: Museum Penzberg)

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