Kultur

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstand im evangelischen Bereich ein neuer Bildtypus: das sogenannte Konfessionsbild. Im Mittelpunkt dieses hier von einem unbekannten Künstler gemalten (Ausschnitt) steht die Übergabe der Confessio Augustana an Kaiser Karl V. auf dem Augsburger Reichstag von 1530. Auf dem Thron sitzt der Kaiser, vor ihm stehen die Bekenner, links die Fürsten, rechts die Vertreter der Städte. Der sächsische Kanzler Christian Baier verliest die Confessio. Das Gemälde hing ursprünglich in der Coburger Morizkirche. (Foto: Kunstsammlungen der Veste Coburg)

16.06.2017

Zeit der Umbrüche

Die Bayerische Landesausstellung „Ritter, Bauern, Lutheraner“ auf der Veste Coburg zeichnet ein Bild von Politik und Alltag zur Zeit der Reformation

Anlässlich des 500-jährigen Reformationsjubiläums führt die Bayerische Landesausstellung Ritter, Bauern, Lutheraner in die an gesellschaftlichen Umbrüchen reiche Zeit der Renaissance. Auf der Veste Coburg als authentischer Lutherstätte steht jedoch nicht der Reformator im Mittelpunkt, vielmehr möchte die Ausstellung die Wirkung des Reformators auf das Reich und vor allem auf Süddeutschland aufzeigen. 250 wertvolle Originale  – darunter Werke von Dürer und Cranach, Kirchenschmuck und Prunkwaffen, Lutherbibel und wichtige Schriften – werden in einer phantastischen Gesamtinszenierung zum Sprechen gebracht. In aufwendigen Medienstationen gibt es Geschichte quasi zum Anfassen.

Blick auf Tische und Tafeln und in Truhen und Schränke

Die Besucher erhalten zum Beispiel Einblick in den typischen Speiseplan eines Bauers und erfahren, wie sich die Menschen der verschiedenen Stände vom Bauern bis zum Landesfürsten durch Kleiderordnungen unterschieden. Mit Bild und Ton wird das quirlige Treiben auf dem Augsburger Perlachplatz verlebendigt: Die Bauern jammern über die gestiegenen Preise für Holz. Während vornehm gewandete Bürger ins Bild drängen, erleidet ein Ehebrecher die Folter am Pranger und ein anderer die Torturen des „Zahnbrechens“. So ist das Ambiente umrissen, in dem 1530 der Reichstag zu Augsburg beginnt. Diesen verfolgte der mit Reichsacht belegte Martin Luther im Schutz der Veste Coburg und im engen brieflichen Austausch mit Philipp Melanchthon aus der Ferne. In der Lutherstube der Veste können die Besucher auf einer Projektionswand die Texte studieren, die Luther während seines fünfeinhalb Monate dauernden „Reichstags der Dohlen“ verfasste: den „Sendbrief vom Dolmetschen“ und seinen Sermon „dass man Kinder zur Schule halten solle“. Der Erfolg der Reformation geht einher mit einer Medienrevolution: von der einfachen Flugschrift bis hin zur Lutherbibel in deutscher Sprache, die Gottes Wort auch dem einfachen Volk nahebrachte. Auch die in hohen Auflagen verbreiteten Bildnisse Luthers und seiner Frau Katharina von Bora aus der Cranach-Werkstatt gehören dazu. Zeitgeschichtliche Pretiosen wie Ablassbriefe oder Luthers erster „Bestseller“ (Sermon von dem Ablass und Gnade) oder das Traktat Von der Freiheit eines Christenmenschen werden in der Schau ebenso präsentiert wie der erste Schmalkaldische Bundesvertrag von 1531, dem Schutz- und Trutzbündnis der protestantischen Stände gegen den Kaiser. In der Großen Hofstube zeigt die Ausstellung die Gegensätze der Zeit, die Albrecht Dürer in seinem Kupferstich Ritter, Tod und Teufel so eindrucksvoll überlieferte. Eine Nachbildung der Heilsbronner Schlagfigur des Todes auf einem Löwen aus Holz erinnert mit ihrem schaurigen Klang an die tiefe Lebensangst der Menschen damals.

Echtes Ritterturnier im Burghof der Veste

Späten Glanz entfaltet in jener Zeit das Rittertum mit Turnieren und prunkvoller Ausstaffierung der Reiter zu Pferd. Wem das Blättern in Cranachs Turnierbuch von Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen nicht reicht, der kann im August im Burghof ein echtes Ritterturnier verfolgen.
Nicht selten versetzte die Pest die Menschen in Angst und Schrecken – schnell wurden Hexen dafür verantwortlich gemacht. Dem Glauben kam in diesem Umfeld eine große Bedeutung zu, der Ablass sollte vor dem Fegefeuer bewahren. Als begüterter Zeitgenosse erkaufte Kurfürst Friedrich der Weise seinen Ablass mit einer Sammlung von tausenden Reliquien, wie das von Lucas Cranach d. Ä. bebilderte Wittenberger Heiltumsbuch dokumentiert. Holzgeschnitzte Todsünden und Beispiele edler Tafelmalerei um 1500 vom Altarbild über Herrscherporträts bis hin zur Darstellung lustvoller Quellnymphen zeigen das Spektrum von Lebenslust und Himmelszuwendung. Die vom Humanismus beeinflusste Epoche brachte ein vielfältiges Geistesleben hervor. Schulen und Universitäten wurden gegründet, Wissenschaften blühten auf, wovon das Astrolabium von Hartmann, der „mathematische Becher“ des Nürnberger Astronomen Christian Heyden und der Vopelius-Globus künden. Doch auch der Bauernkrieg mit seinen Verheerungen gehört in diese Zeit.
Nach dem Reichstag zu Augsburg war die Kirchenspaltung besiegelt. Kaiser Karl V. stellte sich auf die Seite der Altgläubigen, die protestantischen Fürstentümer beharrten mit der von Melanchthon verfassten und vorgetragenen Confessio Augustana auf ihrer Eigenständigkeit.
Ein eigener Ausstellungsraum befasst sich mit dem Leben der Menschen in den – häufig auch konfessionell wechselnden – katholischen und evangelischen Herrschaftsbereichen. Beispielhaft werden hier Regionen wie Amberg, Memmingen oder die evangelische Grafschaft Ortenburg in Niederbayern gezeigt.

Moriz-Kirche ist in die Ausstellung einbezogen

Die Wirkungsgeschichte Luthers sowie die immer aktuelle Frage der Freiheit schlagen den Bogen ins Heute. In Coburgs Altstadt wird die Stadtkirche St. Moriz in die Landesausstellung einbezogen. Die soeben frisch renovierte spätgotische Hallenkirche war nicht nur Schauplatz von sieben Predigten Martin Luthers um Ostern 1530, sie zeigt auch ein einmaliges Herzogs-Epitaph. Thematisch geht es um Form und Funktion der Kirche als lutherischem Gottesdienstraum und die Bedeutung des Kirchenlieds. (Heidi Schmitt) Information: Bis 5. November. Veste Coburg und St.-Moriz-Kirche, täglich 9 bis 18 Uhr. www.hdbg.de/reformation

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