Kultur

Vor dezenten Sichtbetonwänden, auf einfachen Stelen und in Stahl-Glas-Vitrinen sind die Ausstellungsstücke in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. (Foto: Ägyptische Staatssammlung)

14.06.2013

Zwischen Löwenhäuptern und Obelisken

Das neue Museum Ägyptischer Kunst in München präsentiert die Welt der Pharaonen auf 1800 Quadratmetern

Schon draußen vor der Tür weht er einem entgegen, der Geist der Pharaonen: Wer das neue Gebäude des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst betreten will, muss eine breite Treppe hinabsteigen, um dann durch die enge Pforte in einem aufragenden Pylon wie in ein Grab im Tal der Könige einzutreten. Denn nach zweijähriger Wartezeit, die nötig, war, um das Raumklima in dem Neubau zu stabilisieren, wurde das Museum nun eröffnet.
Die unterirdisch gelegenen, durch ein Atrium dennoch hellen neuen Räume sind endlich mit den Pharaonenschätzen bestückt – und die Landeshauptstadt ist um eine hochkarätige Attraktion reicher. Das „Münchner Kunstareal“ zwischen Pinakotheken und Königsplatz, eine der dichtesten Museumsballungen der Welt, habe „ein weiteres Glanzstück bekommen –und das ist ein Tag absoluter Freude“, sagte Bayerns Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) bei der Eröffnung.
Auf einer Fläche von 1800 Quadratmetern können sich die Exponate prächtig entfalten. Vor dezenten Sichtbetonwänden, auf einfachen Stelen und in Stahl-Glas-Vitrinen sind die Ausstellungsstücke in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Hier blickt ein Löwenhaupt auf uns herab, dort ragt ein Obelisk auf, und kleine Porträtköpfe begegnen einem im Wortsinn auf Augenhöhe.


Keine Chronologie


Was aber dem Laien nicht sofort auffällt, ist der vergleichsweise kühne Traditionsbruch, den die Präsentation darstellt: Statt die Exponate nämlich chronologisch anzuordnen, wie es in Museen üblich ist, wurden sie hier meist thematisch gruppiert: Die beiden großen Tageslicht-Säle neben dem Atrium präsentieren ihre Schätze dezidiert unter ästhetisch-formalen Gesichtspunkten, also als Kunst.
Was es etwa heißt, „to walk like an egyptian“ kann man an der lebensgroßen „Stand-Schreitfigur“ des Gottes Horus mit dem Falkenkopf erfahren, der dem Besucher buchstäblich entgegentritt – neben einem zeitgenössischen Werk von Maurizio Nannucci: Weiße, mundgeblasene Leuchtbuchstaben an der Wand bilden da den Satz „All art has been contemporary“ – Jede Kunst war mal zeitgenössisch. An anderer Stelle sind Fragmente einer Bodenmalerei (Enten im Schilf) aus dem Palast von Amenophis III. unter Glas in den Boden eingelassen. „Es ist faszinierend, sich vorzustellen, dass Echnaton als Kind vielleicht hier mit nackten Füßen drübergelaufen ist“, meint Sylvia Schoske, Direktorin des Museums, deren Engagement der Neubau mit zu verdanken ist.
Die kleineren, dunkler gehaltenen Nebenräume, die tatsächlich Grabkammer-Stimmung aufkommen lassen, widmen sich dann verschiedenen Sachthemen: Dem Jenseitsglauben der alten Ägypter etwa, ihrer Schreibkultur oder der Ägypten-Mode im alten Rom. Wenngleich Sylvia Schoske bewusst „kein verbiestertes Bildungsprogramm anbieten“ möchte, kann, wer will, hier auch eine Menge lernen: Die „multimediale“ Vermittlung, sonst oft technischer Schnickschnack, ist überzeugend ausgestaltet. Medien-Tische in jedem Raum, die man über Bildschirmberührung bedient, liefern, je nach Bedarf, allgemeine und spezielle Informationen. Und unter der acht Meter langen Wand-Vitrine, die den Papyrus eines sogenannten Totenbuches birgt, wurde ein fahrbarer Bildschirm angebracht. Den kann der Besucher an jede beliebige Stelle der Schriftrolle bewegen und bekommt dann deren Übersetzung sowie Erläuterungen dazu. Man kann sich aber auch an Nietzsche halten, der meinte: „Ich will ein für alle Mal vieles nicht wissen.“


Lustvolle Laienhaftigkeit


Wer sich derart in lustvoller Laienhaftigkeit durch die Säle treiben lässt wie ein Schilfrohr auf dem Nil, macht einmal mehr die Erfahrung, dass der Reiz von Museen nicht nur in den gezeigten Altertümern liegt, sondern genauso in der Atmosphäre, die aus dem Ineinander von Raum und Exponaten erwächst. Die beiläufige, unprätentiöse Weihestimmung ist das unsichtbare, aber allgegenwärtige Ausstellungsstück, an dem sich Museums-Connaisseure erfreuen, weil es als Einfallstor anstrengungsloser Evidenzerlebnisse fungiert.
Gerade auch als Ort solcher atmosphärischen Sensationen hat das neue Münchner Ägypten-Museum die Qualität einer hochrangigen Kultstätte. Und wer beim Rundgang schon ganz kribblig geworden ist, weil man den glänzend-glatten Granit oder Marmor der Skulpturen eigentlich gerne berühren möchte, der kommt nach den Grabkammern schließlich in einer Art Erlösungsraum auf seine Kosten: Hier sind kleine polierte Felsbrocken aus ägyptischen Steinbrüchen, aber auch einige Abgüsse von Skulpturen versammelt, die man anfassen darf! Ein Angebot, das sich ausdrücklich sowohl an blinde wie sehende Besucher richtet und tatsächlich ein besseres „Begreifen“ des Gesehenen möglich macht. Nicht zuletzt hier zeigt sich, dass dieser neue Kunsttempel eines der innovativsten und modernsten Museen der Welt ist. - Auf diesen heiligen Hallen liegt nicht der Fluch des Pharao, sondern sein Segen. (Alexander Altmann)

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