Landtag

Brauchen die Volksvertreter im Münchner Maximilianeum eine bessere Ausstattung? Diese Frage hat Präsidentin Barbara Stamm angestoßen. (Foto: DAPD)

10.02.2012

"Asymmetrie zwischen Legislative und Exekutive"

Gutachten: Verfassungsrichter Udo Steiner hält Funktionszulagen für Abgeordnete für legitim

Ist es legitim, dass Funktionsträger wie stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Geschäftsführer und Arbeitskreisleiter unter den bayerischen Abgeordneten Zulagen bekommen? Spätestens seit der Oberste Rechnungshof (ORH) Bayerns dies unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts für den thüringischen Landtag moniert hat, gibt es dazu divergierende Meinungen. Neues Öl ins sprichwörtliche Feuer hat nun der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht Udo Steiner mit seinem Gutachten gegossen: Seiner Meinung nach sind Zulagen zulässig, lautet die Conclusio der 54 Seiten starken Expertise, die Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) bei ihm in Auftrag gegeben hat. Über diese informierten die beiden auf einer Pressekonferenz.

Landtagspräsidentin Stamm will bessere Ausstattung

Funktionszulagen sind laut Steiner ein „legitimer Ausgleich für den höheren Zeitaufwand, den Zuwachs an Pflichten und eine gesteigerte politische Verantwortung in der Fraktion, zwischen den Fraktionen sowie innerhalb und außerhalb des Parlaments“. Seiner Meinung nach sind diese Zuwendungen auch dazu da, Nachteile auszugleichen, die sich für Abgeordnete in hervorgehobener Position ergeben könnten. Geringere Präsenz in den Wahlkreisen und der Wegfall von Einkünften aus erlaubter Berufstätigkeit zählten dazu. Überhaupt habe jedes Länderparlament beziehungsweise seine Fraktionen, da autonom, selber darüber zu entscheiden, wie hervorgehobene Funktionen entlohnt werden – oder nicht. In diesem Zusammenhang gelte für die Fraktionen dasselbe wie für Akteure in anderen Lebensbereichen: Es müsse ihnen überlassen werden, ob sie flache Hierarchien bevorzugen oder nicht.
Der Urteilsspruch der obersten Richter des Landes im Falle Thüringens sei auch aus einem weiteren Grund für Bayern nicht bindend: Die Karlsruher Juristen hätten im Jahr 2000 nur deshalb in erwähnter Causa entschieden, weil das Land Thüringen damals noch kein eigenes Verfassungsorgan gehabt hätte. Überdies sei ihre Entscheidung inhaltlich in manchen Punkten zu beanstanden: Funktionszulagen für Fraktionschefs hätten die Verfassungsrichter goutiert, nicht aber für deren Stellvertreter. Bei Letzteren hätte man finanzielle Beweggründe für die Funktionsausübung nicht ausschließen können. Warum dies für die Vizes, aber nicht für die Chefs der Fraktionen zutreffen könnte, ist in der Tat unlogisch.
Seine Expertise will der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Experte für deutsches und bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht als „Urteilsschelte“ verstanden wissen. Außerdem betonte er, dass auch andere Juristen seine Meinung zu den Zulagen teilen.
Stamm wiederum interpretiert Steiners Gutachten in Anspielung auf das 2000er Gutachten so: „Damit wir in Deutschland über zwei Meinungen diskutieren können, nicht nur eine.“ Gleichzeitig betont sie, dass ihr bewusst sei, wie heikel das Thema Ausstattung der Abgeordneten – schließlich wird die mit Steuergeldern finanziert – insgesamt ist: „Ich will ja keine Diätenerhöhung“, betonte sie.
Was sie will, geht indes weit über die Zulagen für einzelne Funktionsträger hinaus. Und auch über den Fahrdienst, den sie für Ausschusschefs vorschlägt. Im weitesten Sinne thematisiert sie, was in der Arbeitswelt allgemein zunehmend diskutiert wird: Stetig mehr und komplexere Aufgaben müssen von denselben, manchmal sogar weniger Mitarbeitern als früher geschultert werden. Ginge es nach Stamm, sollten Abgeordnete mehr wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigen können, als dies gegenwärtig der Fall ist: „Beispielsweise haben wir in Brüssel nur eine Person, die für uns da Feuerwehr spielen soll“, sagte sie. Kaum ein Volksverteter beschäftige einen wissenschaftlichen Mitarbeiter in Vollzeit – es sei denn, er kürze im Bereich des Sekretariats. „Ist das noch zeitgemäß?“ Dass es dabei nicht nur um eine Entlastung der Abgeordneten, sondern auch um die ihrer Beschäftigten gehen muss, sollte bedacht werden.
Stamm indes betont, dass es ihr um die Stärkung des Parlaments gegenüber der Staatsregierung gehe: So müsse ein Ausschussvorsitzender mit seinem Büroleiter die ganze Bandbreite des Ministeriums abdecken. Insbesondere für die Opposition sei da ein Ausgleich der „Asymmetrie zwischen Legislative und Exekutive“ durch personelle Stärkung wünschenswert, argumentierte sie, und Steiner pflichtete ihr bei. Freilich lässt sich dieser Ansatz damit entkräften, dass es nur vergleichsweise wenige Gremiumschefs aus den Reihen von SPD, Freien Wählern und Grünen gibt. Überhaupt existieren mehrere Argumente, mit denen man Stamms Vorstoß begegnen kann – inklusive dem, dass sie sich selbst damit profilieren und 2013 als Chefin des Maximilianeums wiedergewählt werden will.
Als Polit-Profi weiß sie das natürlich. Vielleicht verweist sie deshalb auf den eigenen Erfahrungsschatz: Von der einfachen Landtagsabgeordneten über die stellvertretende Fraktionsvorsitzende bis zur Staatsministerin habe sie unterschiedliche Ausstattung und deren Folgen erlebt: Als Fraktionsvizin habe sie wegen des erhöhten Arbeitsaufwands anderthalb Tage weniger im Wahlkreis zur Verfügung gehabt als zuvor als einfache Abgeordnete. Als Staatsministerin sei sie dagegen dank üppigen Apparats bestens auf jeden einzelnen Termin vorbereitet worden. Stamms Art zu sagen: „Ich weiß, wovon ich spreche.“ (Alexandra Kournioti)

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