Landtag

Der bayerische Verfassungsschutz überwacht zwar Abgeordnete, aber nach eigenen Angaben nicht durch verdeckte Beobachtung. (Foto: DPA)

17.01.2014

Auch Politiker im Fokus bayerischer Schlapphüte

Schriftliche Anfrage: Der bayerische Verfassungsschutz überwacht weiter Mandatsträger – obwohl das Bundesverfassungsgericht deren Rechte erst kürzlich gestärkt hat

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (BayLfV) musste im Jahr 2012 einräumen, dass auch im Freistaat politische Mandatsträger Gegenstand eines Beobachtungsauftrags sind. In seinem Entscheid vom September 2013 hat das Bundesverfassungsgericht der Observation von Abgeordneten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz aber enge Grenzen gesetzt und an strenge Voraussetzungen geknüpft. So wurde zum einen die Verhältnismäßigkeit bei der Beobachtung verschärft, zum anderen das freie Mandat vor exekutiver Kontrolle geschützt.

„Durch das Urteil ist jetzt auch der bayerische Verfassungsschutz gezwungen, seine bisherige Überwachungspraxis von Parlamentariern neu zu gestalten“, schreibt Sepp Dürr (Grüne) der Staatsregierung. Der rechtspolitische Sprecher der Landtagsfraktion wollte aus diesem Grund wissen, welche Konsequenzen der Richterspruch auf die Arbeit des BayLfV hat und ob zukünftig mit mehr Transparenz bei der Observation von Volksvertretern zu rechnen ist.

Das Innenministerium schreibt in seiner Antwort, schon seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2010 alle personenbezogenen Daten von Abgeordneten auf die Verhältnismäßigkeit und die Gewährleistung des freien Mandats hin geprüft zu haben. Dazu würden das Gewicht des Eingriffs, der Gefährdung des Abgeordneten und das der gewonnenen Informationen gegeneinander abgewägt. „Dabei ist auch das Verhältnis des Abgeordneten zu seiner Partei mit einzubeziehen“, ergänzt das Ministerium. So könne die Parteimitgliedschaft durchaus ein Aspekt der Gesamtbeurteilung sein.

Der neue Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts ändert daher nicht viel an der bisherigen Praxis: Der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel sei zwar an noch engere Voraussetzungen geknüpft, „aber nicht per se als unzulässig anzusehen“. „In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass das BayLfV Erkenntnisse zu Abgeordneten extremistischer Parteien nicht durch verdecktes, planmäßiges und unauffälliges Beobachten gesammelt hat“, so das Ressort von Innenminister Joachim Herrmann (CSU).

Da allerdings schon das Zusammentragen und Auswerten öffentlich zugänglicher Informationen einen Eingriff in die freiheitlich demokratische Grundordnung darstellen kann, hat das Innenministerium nach der geänderten Rechtsprechung vorsichtshalber als Sofortmaßnahme aktuelle Datensätze von Abgeordneten der Partei „Die Linke“ gesperrt. Diese sollen jetzt zusammen mit dem bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz und dem parlamentarischen Kontrollgremium geprüft werden. „Sollte das Ergebnis der Prüfung die Unverhältnismäßigkeit der Beobachtung und der Datenspeicherung für die gesetzlichen Beobachtungsaufgaben des BayLfV ergeben, sind diese Daten nach den gesetzlichen Vorschriften zu löschen“, versichert das Ministerium.

Die rechtlichen Hürden für die Observation kommunaler Mandatsträger bleiben allerdings trotz des Urteils unverändert. Da sie Mitglieder exekutiver Verwaltungsorgane sind, ist ihr Rechtsstatus nicht dem der parlamentarischen Abgeordneten als Teil der Legislative vergleichbar. „Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beschränkt sich ausschließlich auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Beobachtung von Mitgliedern des Bundestags und der Landtage“, erklärt das Ministerium.

Eine von Dürr erhoffte größere Transparenz wird es in Zukunft ebenso nicht geben. „Das bayerische Verfassungsschutzgesetz enthält mit Artikel 15 bereits die Rechtsgrundlage für eine Information der Öffentlichkeit“, erläutert das Innenressort. Die Ergebnisse könnten in den jährlich erscheinenden Verfassungsschutzberichten nachgelesen werden und würden regelmäßig vom Innenministerium thematisiert. (David Lohmann)
INFO: Das Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz Die wichtigste Aufgabe des Landesamts für Verfassungsschutz ist laut Verfassungsschutzgesetz der Beobachtungsauftrag. Dieser umfasst Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, gegen auswärtige Belange der Bundesrepublik oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung sowie sicherheitsgefährdende Tätigkeiten für eine fremde Macht oder die organisierte Kriminalität.

Zur Erfüllung dieses Auftrags werden vom Verfassungsschutz Informationen beschafft, überprüft und gespeichert. Dafür werden öffentliche Quellen wie Zeitungen, Flugblätter oder Programme ausgewertet. Weiter werden nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt: V-Leute, die Beobachtung verdächtiger Personen sowie das Erstellen verdeckter Bild- und Tonaufzeichnungen. In schweren Fällen kann außerdem in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingegriffen sowie Abhörgeräte in Handys, Wohnungen und Büros installiert werden. Alle gesammelten Informationen werden analysiert und an staatliche Stellen in Bund und Ländern weitergegeben. Eine Pflicht zur Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden besteht allerdings nicht in jedem Fall und kann zeitweise zurückgestellt werden.

Darüber hinaus wurde als Reaktion auf die Terroranschläge des 11. September 2001 das bayerische Sicherheitsüberprüfungsgesetz um den Sabotageschutz erweitert. Seitdem werden Personen, die an sicherheitsempfindlichen Stellen lebenswichtiger Einrichtungen arbeiten, einer Sicherheitsüberprüfung durch das Landesamt für Verfassungsschutz unterzogen. (LOH)

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