Landtag

Spitzengenossen: Sozialpolitischer Sprecher Hans-Ulrich Pfaffmann, Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher, Wirtschaftsexperte Thomas Beyer und der bildungspolitische Sprecher Martin Güll wollen die SPD in ihren Kernthemen besser positionieren. (Foto: BSZ)

29.07.2011

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Durch die Umbesetzung der Fachsprecherposten in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Soziales erhoffen sich die Genossen neue Schlagkraft

Als SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher kurz vor Pfingsten die Fachsprecherposten in den von seiner Partei definierten Kernbereichen Wirtschaft, Bildung und Soziales neu besetzen ließ, erhoffte er sich vor allem eines: Mehr Schlagkraft. Thomas Beyer versuchte sich als erster aus dem neuen Trio an der Umsetzung der Vorgabe, indem er Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) zurief, die „Zeiten der ruhenden Hand“ müssten nun vorbei sein. In einer Aktuellen Stunde forderte Beyer den Minister mit einer Fundamentalkritik an dessen Wirtschaftspolitik heraus, die Zeil freilich mit den exzellenten Wirtschaftsdaten im Freistaat konterte: niedrigste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren, Allzeithoch bei der Beschäftigung, Rekordwerte im Export.
Für Beyer, der ein ausgewiesener Sozialpolitiker ist und gleichzeitig zu den dienstältesten im Wirtschaftsausschuss zählt, sind Zeils Zahlen nur eine Seite der Medaille. „Gute wirtschaftliche Kennzahlen reichen nicht, wenn bei den Beschäftigten davon nichts ankommt“, erklärt er. Als Beleg verweist er auf jüngste Statistiken, wonach die Nettoeinkommen bei Gering- und Normalverdienern seit Jahren bestenfalls stagnieren, und die Zahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse unaufhaltsam steigt.
Fast jeder vierte Beschäftigte in Bayern verdingt sich entweder in schlechter bezahlter Leiharbeit und in Mini-Jobs oder hat nur einen befristeten Arbeitsvertrag. „Die reine Freude über den gesamtwirtschaftlichen Aufschwung wird dadurch getrübt“, sagt Beyer.
Genau hier sieht er seinen Ansatzpunkt. „Erfolgreiche Wirtschaft in sozialer Verantwortung“ lautet sein Motto, Beyer erkennt darin ein Alleinstellungsmerkmal für die SPD. Vorbild für Bayern könne hier der neue Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz sein. Der Parteifreund schaffe die glaubwürdige Verknüpfung von Wirtschaft und Sozialem.
Konkret fordert Beyer für Bayern eine aktivere Wirtschaftspolitik als unter dem aus seiner Sicht zu liberalen Zeil. Beyer möchte deshalb die Förderung des Mittelstandes voranbringen, weil der standorttreu sei, Beschäftigung sichere und vorbildlich ausbilde.
Vor sich hertreiben will den zuständigen Minister auch der neue bildungspolitische Sprecher, Martin Güll. Sein zentrales Projekt ist die Einführung der von ihm mitentwickelten Gemeinschaftsschule. Geprägt von seinen Erfahrungen als Vater und aus drei Jahrzehnten als Hauptschullehrer setzt er dieses Modell dem strikt dreigliedrigen Schulsystem von Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) entgegen.
„Der teilweise dramatische Schülerrückgang und die steigende Nachfrage nach Gymnasium und Realschule bei gleichzeitiger rigoroser Ablehnung der Hauptschule macht eine Neuausrichtung der Schullandschaft dringend erforderlich“, glaubt Güll. Ebenso wie die Notwendigkeit der Inklusion behinderter Kinder in die Regelschule.
Als ergänzendes Angebot sieht er die Gemeinschaftsschule, in der alle Kinder bis zur 10. Klasse beschult, aber höchst individuell gefördert werden sollen. Einen Zwang zu ihrer Einführung lehnt Güll ab, doch ist er sich sicher, dass sich das Modell vielerorts bei den Eltern durchsetzen wird als wohnortnahe und pädagogisch ausgereifte Alternative. Mehr Bildungschancen und mehr Bildungsgerechtigkeit verspricht er sich davon und verweist auf die positiven Erfahrungen in anderen Bundesländern. Der Übertrittsdruck in der 4. Klasse würde wegfallen, ebenso die Flucht in den Nachhilfeunterricht. Mehr auf die kindlichen Bedürfnisse will Güll Rücksicht nehmen, ohne dabei auf Qualität zu verzichten.
Zweite Baustelle Gülls ist die Umgestaltung des achtjährigen Gymnasiums (G8). Der erste Abiturjahrgang dort habe gezeigt, wie groß der Handlungsbedarf sei. Individuelleres Lernen, kleinere Klassen, den Umbau zur Ganztagesschule und eine Flexibilisierung in der neuen, aus seiner Sicht zu starren Oberstufe nennt Güll als wichtigste Maßnahmen.
Noch ein wenig auf der Suche ist Hans-Ulrich Pfaffmann. Der neue SPD-Sprecher für Sozialpolitik hat auf diesem Feld unter anderem als Landesvorsitzender des Arbeiter-Samariter-Bundes zwar auch schon reichlich Erfahrungen gesammelt, doch hatte ihn zuletzt die Bildungspolitik voll in Beschlag genommen. Immerhin hat Pfaffmann für seine künftige Arbeit schon drei Schwerpunkte definiert, die er nun mit seiner Fraktion abstimmen will. Als erstes nennt er die Verstärkung familienunterstützender Maßnahmen. In Kooperation mit Sozialverbänden und Kommunen will er in ganz Bayern Familienzentren als Anlaufstelle für alle Familien schaffen. Hilfe, Beratung, Kurse – alles unter einem Dach ist Pfaffmanns Ziel. Heute seien die Zuständigkeiten zu zersplittert, das schrecke eher ab. Als ersten Schritt will Pfaffmann ein Familienzentrum pro Landkreis etablieren, später soll es die Einrichtungen „möglichst wohnortnah“ geben.
Seine zweite Überschrift lautet „Gute Arbeit“. Dazu gehört für Pfaffmann der flächendeckende Mindestlohn in allen Branchen, ein klares Bekenntnis zum geförderten Arbeitsmarkt für alle Schwervermittelbaren, der Rechtsanspruch auf einen Berufsabschluss nach der Schule sowie auf lebenslange Fort- und Weiterbildung. Als dritten Bereich nennt Pfaffmann die Teilhabegerechtigkeit für ältere Menschen. Das sowie die Grundsicherung für Kinder und die Ausweitung der kostenlosen Bildungsangebote für alle unter Sechsjährigen will Pfaffmann im kommenden Jahr am liebsten auf einem sozialpolitischen SPD-Parteitag zur Debatte und Abstimmung stellen. Und dann an der Seite seiner neuen Sprecherkollegen in den Wahlkampf 2013 ziehen.(Jürgen Umlauft)

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