Landtag

Insgesamt 104 Bewerbungen gingen heuer bei der Jury des Bürgerpreises ein. (Foto: BSZ)

20.10.2017

Brückenbauer zwischen den Religionen

Landtag verleiht Bürgerpreis 2017

Seit 17 Jahren zeichnet der Landtag mit seinem Bürgerpreis jährlich vorbildliches Engagement in Bayern aus. Heuer wurden sechs Auszeichnungen im Gesamtwert von 50 000 Euro verliehen: Ein erster, zwei zweite und zwei dritte Preise sowie ein Sonderpreis. Das Motto lautete: „Mein Glaube. Dein Glaube. Kein Glaube.“

Gestern wurden die Preisträger des Bürgerpreises 2017 des bayerischen Landtags im Senatssal geehrt. Ausgewählt worden sind sie von einer Jury unter dem Vorsitz von Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) aus 104 Bewerbungen. Gewinner unter dem Motto „Mein Glaube. Dein Glaube. Kein Glaube. – Unser Land! Bürgerschaftliches Engagement und weltanschaulicher Diskurs für eine Gesellschaft des Respekts und der Verständigung“ war dieses Jahr die Eugen-Biser-Stiftung aus München. Ausgezeichnet wurden Gruppierungen, die sich ehrenamtlich für das friedliche Miteinander verschiedener Glaubensrichtungen und damit für die gemeinsame Gestaltung Bayerns einsetzen.
„Wenn die kulturelle Vielfalt in unserer Gesellschaft zunimmt, können leider auch Vorurteile und Unwissenheit über die oft unbekannten Religionen und Weltanschauungen wachsen“, erklärte Landtagspräsidentin Stamm. Sie sei daher dankbar für die zahlreichen ehrenamtlichen Initiativen in Bayern, die sich um ein partnerschaftliches Miteinander bemühen. „Die beeindruckende Zahl der Bewerbungen belegt, dass sich viele Frauen und Männer auf Grundlage ihrer Wertvorstellungen ehrenamtlich in Bayern einbringen“, unterstrich Stamm. 1. Preis: Eugen-Biser-Stiftung (München)
Ein besonderes Beispiel dafür, wie das Verständnis zwischen den Religionen gestärkt und Unwissenheit, Skepsis und Vorurteile überwunden werden können, ist die Eugen-Biser-Stiftung. Sie sieht sich als Brückenbauer zwischen den Religionen und sucht nach Antworten auf drängende religiöse, gesellschaftliche beziehungsweise kulturelle Fragen. Ziel ist es, gemeinsam einen Weg zu finden, wie Unterschiede auf der Grundlage gegenseitigen Verständnisses respektiert werden können.

Gegründet wurde die Stiftung 2002 von dem im Jahr 2014 verstorbenen Eugen Biser. Der Theologe, Religionsphilosoph, Priester und Inhaber des Lehrstuhls für christliche Weltanschauung an der Universität München war der Meinung, der Mensch sei noch weit entfernt von dem, was er sein kann und soll. „Wir leben in einer Stunde des Dialogs und überleben nur, wenn die wachsenden Konfrontationen durch eine Kultur der Verständigung überwunden werden“, sagte er einmal.

Die Stiftung bemüht sich daher, die theologischen Wurzeln der Missverständnisse aufzudecken. Mit dem Grundlagenwerk Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam wurden zum ersten Mal christliche und muslimische Sicht auf die eigene Religion nebeneinanderstellt. Bei Projekten mit christlichen und muslimischen Jugendverbänden sollen Jugendliche die jeweilige Religion besser kennenlernen und sich gemeinsam für Demokratie und ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Seit dem Start der christlich-islamischen Studienwochen vor zehn Jahren konnten außerdem bereits 300 studentische Multiplikatoren zu Brückenbauern ausgebildet werden.

Mit interreligiösen Projekttagen an Schulen soll erreicht werden, dass sich alle Schüler einer Jahrgangsstufe vorurteilsfrei dem Thema Religion und Weltanschauung widmen. Außerdem organisiert die Stiftung Vorträge, Diskussionsrunden und praxisorientierte Veranstaltungen für junge Erwachsene mit Themen wie „Jung – Türkisch – Bayerisch“, „Der moderne Luther“ oder „Religion, Konfessionslosigkeit und Atheismus“. So sollen auch Brücken für den Dialog mit weniger religiösen Menschen gebaut werden.

Bei dem Modellprojekt „Bundesfreiwillige für religiöse Vielfalt und Toleranz“ hat die Stiftung erstmals ein Modul für die politische Bildung in den Bildungszentren für den Bundesfreiwilligendienst erarbeitet. Damit sollen Bundesfreiwillige in die Lage versetzt werden, mit unterschiedlich religiös und kulturell begründeten Menschenbildern sowie mit Vorurteilen und Stereotypen über Andersdenkende und Andersgläubige umzugehen.

Entscheidend für das Gelingen der Projekte ist die fundierte Kooperation mit den Lehrkräften und Pädagogen. Deshalb hat die Eugen-Biser-Stiftung ein Schulungsprogramm für sie erarbeitet. Darüber hinaus wird der Meinungsaustausch über Fragen des islamischen Religionsunterrichtes im Kontakt mit staatlichen und kirchlichen Stellen gefördert.

Nicht zuletzt wird alle zwei Jahre der mit 5000 Euro dotierte Eugen-Biser-Preis für philosophische Veröffentlichungen, den Einsatz für christliche Werte oder den Dialog mit anderen Religionen vergeben. Aktuelle Preisträgerin ist Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

„Wir freuen uns, dass unser vielfach ehrenamtlicher Einsatz der vergangenen 15 Jahre mit diesem renommierten Preis ausgezeichnet wurde“, sagte der Vorsitzende des Stiftungsrates, Martin Thurner. Mit dem Preisgeld in Höhe von 12 000 Euro sollen die interreligiösen Schulprojekte an Berufsschulen ausgebaut werden. 2. Preis: Zelt der Religionen (Bamberg)
Das bunte Zelt in Bamberg mit Schriftzeichen und Symbolen der drei monotheistischen Religionen ist ein gemeinsames Projekt der Israelitischen Kultusgemeinde, der Evangelischen und Katholischen Kirche sowie der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Bamberg. Als sichtbares Zeichen interreligiöser Zusammenarbeit und Freundschaft lud es auf der Landesgartenschau 2012 viele Besucher ein, Judentum, Christentum sowie Islam in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu entdecken und näher kennenzulernen. Die Idee dazu hatte der damalige Gaustadter Pfarrer Matthias Wünsche und sein Amtsbruder Winfried Geyer.

Die gute Nachricht: 2014 wurde das Zelt im Einvernehmen mit der Stadt Bamberg vor dem Gebäude der Fakultät für Humanwissenschaften der Universität Bamberg wieder aufgestellt und gibt dem Markusplatz bis heute ein besonderes interkulturelles und interreligiöses Flair. Denn: „Dialog ist ein ständiger Prozess und benötigt einen Raum“, wie Andrea Hoffmann vom Förderverein zusammenfasst. Alleine die Finanzierung für den Neuaufbau mit immerhin fast 90 000 Euro zu stemmen, zeugt vom besonderen Engagement quer durch die Religionen.

Ganz ohne Zwangsbeglückung oder der Gründung einer neuen Einheitsreligion werden die guten und langjährigen Beziehungen zwischen den Bamberger Religionsgemeinschaften mit Vorträgen, Festen, Friedensbitten, Gottesdiensten und Gesprächen weiter gepflegt. Am Ende des Monats Ramadan findet beispielsweise das Fastenbrechen der Türkisch-Muslimischen Moscheegemeinde Bamberg im Zelt der Religionen statt.

Das Zelt der Religionen möchte die 9000 Euro Preisgeld vom bayerischen Landtag für eine intensivere Zusammenarbeit mit den Schulen nutzen. Denn Religion sei ein Thema und werde es auch immer bleiben. „Der Bedarf am Gespräch“, ist Hoffmann überzeugt, „wird nicht weniger werden.“ 2. Preis: Interreligiöser Gesprächskreis (Würzburg)
Die Idee zum Interreligiösen Gesprächskreis Würzburg hatte Professor Norbert Klaes. Doch erst seine Studierenden bauten 1996 das Experiment zu einer dauerhaften Begegnungsstätte für Anhänger verschiedener Religionen aus. Bei regelmäßigen Treffen in den Räumen der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften können die Teilnehmer gegenseitig ihre jeweiligen religiösen und kulturellen Hintergründe kennenlernen. „Wer sich besser kennt, versteht sich besser“, lautet das Credo.

Mittlerweile ist daraus eine Konstante geworden, die zum Beispiel gemeinsame Veranstaltungen wie „Gebete der Religionen“ im Rathaus organisiert und für die Stadt Würzburg wie auch für Verantwortliche der verschiedenen Religionsgemeinschaften als Ansprechpartner dient. Früher wurden muslimische Repräsentanten nie zu offiziellen Veranstaltungen der Stadt eingeladen, christliche und jüdische Vertreter aber selbstverständlich schon. Die Zeiten sind durch das Engagement des Gesprächskreises vorbei.

Bei den interreligiösen Treffen geht es nie um gegenseitiges Missionieren oder die Schaffung einer Hybrid-Religion. Ziel ist vielmehr eine integrative Stadtgesellschaft. Die Themen reichen von eher theologischen Fragen wie dem jeweiligen Schöpfungsverständnis über politische Themen wie Kopftuchstreit oder Kriege, die angeblich im Namen der Religion geführt werden bis hin zu sozialen Themen wie der Frage nach Initiativen für Geflüchtete beziehungsweise Integrationsprogramme für muslimische Frauen. Gerade wenn es um die Position der Religionsgemeinschaften gegen Krieg geht, werden sogar manchmal gemeinsam Pressemitteilungen verfasst.

Mit dem Preisgeld in Höhe von 9000 Euro möchte der Interreligiöse Gesprächskreis die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften Würzburgs in ihren verschiedenen Initiativen im Bereich „Projekte für Geflüchtete“ vernetzen und unterstützen.


3. Preis: Etz-Chaim-Schulpokal (Nürnberg)
Den dritten Platz mit 7500 Euro Preisgeld belegt die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Franken. Sie vergibt den Schulpokal „Etz-Chaim“ („Baum des Lebens“), der seit 2014 von Schule zu Schule wandert. Dabei ist er nicht Anerkennung für bereits Geleistetes, sondern Ansporn für das vorausliegende Schuljahr. Die Schüler führen verschiedene Projekte durch, in denen es um die Verständigung der Religionen geht. Damit sollen junge Menschen ermutigt werden, gegen Rassismus, Intoleranz und Fanatismus in der Gesellschaft aktiv zu werden.

Jeweils Anfang März, in der Woche der Brüderlichkeit, wird einer Schule der Pokal überreicht. Aktuell hat den Wanderpokal das Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Oberasbach. „Das Besondere ist, dass dieses Projekt nach vorne blickt. Der Auftrag ist das Wichtigste an dem Pokal. Das löst an den Schulen etwas aus, das beobachten wir immer wieder“, sagt Thomas Ohlwerter, katholisches Vorstandsmitglied der GCJZ Franken.

Letztes Jahr bauten Schüler der Friedrich-Hegel-Grundschule auf dem Nürnberger Markt der Partnerstädte mit Lichtern, Sternen und Liedern symbolisch eine „Brücke“ zwischen den Ständen der türkischen Partnerstadt Antalya und der israelischen Partnerstadt Hadera. Andere Projekte trugen Namen wie „Begegnung mit dem Judentum: Entdecke, was uns verbindet“.

Mit den 7500 Euro Preisgeld möchte die GCJZ Franken die Schulen bei ihren Aktionen multimedial intensiver begleiten, um die Verbreitung der mit dem Schulpokal verbundenen Anliegen weiter zu erhöhen. 3. Preis: Interkulturelles Integrationsprojekt der SinN-Stiftung (Nürnberg)
Im Jahr 2005 hat das Evangelisch-Lutherische Dekanat Nürnberg die SinN-Stiftung ins Leben gerufen. Daraus entstand das interkulturelle Integrationsprojekt mit russischsprachigen Christen, Juden und Muslimen. Dabei arbeiten Einheimische, Deutsche aus Russland und andere Russischsprachige zusammen, um an einem sozialen Brennpunkt der Stadt ehrenamtlich soziale Arbeit zu leisten. „Die Menschen, die sich hier einbringen, sind lebendige Brücken“, erklärt Projektleiterin Sabine Arnold.

So bieten beispielsweise 24 Lehrkräfte bei den „Lernträumen – internationaler Nachhilfeunterricht“ seit 2014 Deutsch-Förderkurse für 130 russischsprachige Asylsuchende an. Die Damen des Projektes „Stadtteilmütter für St. Leonhard“ arbeiten mit zwölf russischsprachigen Flüchtlingsfamilien, die sie bei Behördengängen unterstützen. Und an Weihnachten zeigten russischsprachige Zuwandererfrauen russischsprachigen Flüchtlingsfrauen, was in Deutschland zu Weihnachten gebastelt wird.

Russischsprachige Migranten bilden die größte Zuwanderergruppe in Nürnberg. 20 000 Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion leben dort, hinzu kommen etwa 16 000 Menschen, deren Muttersprache Russisch ist. Die SinN-Stiftung erhält 7500 Euro Preisgeld. Damit sollen gemeinsame Besuche in Moscheen, Synagogen, orthodoxen Kirchen und christlichen Gotteshäusern organisiert werden.

Sonderpreis: Freunde Abrahams (München)
Juden, Christen und Muslime berufen sich nicht nur auf denselben Gott, sondern auch auf einen gemeinsamen Stammvater – Abraham. „Diese gemeinsamen Wurzeln können eine Brücke von Ägypten und Kanaan im Jahr 2000 vor Christus bis nach München im Jahr 2017 schlagen“, ist der erste Vorsitzende der Freunde Abrahams, Stefan Jakob Wimmer, überzeugt. Gründungsvorsitzender war Manfred Görg. Der Theologe und Ägyptologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) widmete einen Großteil seiner akademischen Arbeit der Erforschung der Religionsgeschichte sowie den Beziehungen zwischen dem alten Israel und dem Pharaonenstaat.

Die Freunde Abrahams – Gesellschaft für religionsgeschichtliche Forschung und interreligiösen Dialog sind nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center im Herbst 2001 an der Abteilung für Biblische Theologie der LMU entstanden. Seitdem bemühen sie sich durch wissenschaftliche Beschäftigung mit Religionsgeschichte, die gemeinsamen Wurzeln der Glaubensvorstellungen von Christen, Juden und Muslimen freizulegen. Für sein Engagement erhält der Verein den mit 5000 Euro dotierten Sonderpreis.

Die Themen reichen von der Geschichte bis zu aktuellen Fragen der Gegenwart, vom Alten Orient bis zum Alltagsgeschehen im Europa des 21. Jahrhunderts. So stellen Referenten zum Beispiel jüdische, christliche und islamische Quellentexte vor und diskutieren diese mit den Teilnehmern. Neben Forschungsprojekten, Reisen und Begegnungen setzt sich der Verein auch für politisches Engagement wie Anti-Pegida-Kundgebungen oder Friedensinitiativen in Nahost ein. Das Preisgeld soll vor allem in Öffentlichkeitsarbeit investiert werden.
(David Lohmann) Fotos:
Zelt der Religionen am Bamberger Markusplatz (Foto: Zelt der Religionen)
Flüchtlingskinder aus Syrien und Tschetschenien. (Foto: Sinnstiftung)

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