Landtag

Florian Siekmann (Grüne). (Foto: Privat)

22.04.2022

Der Jüngste

Im Porträt: Florian Siekmann, Vizechef der Grünen-Fraktion

Manchmal besteht das politische Geschäft aus regelrechter Detektivarbeit. 16 880 Dateien, Millionen Seiten an Beweismitteln, sollen Licht bringen ins Dickicht der Vorgänge rund um die umstrittenen Maskendeals, die im Landtag aktuell ein Untersuchungsausschuss aufklären will. „All das lesen kann niemand“, stöhnt Ausschuss-Vize Florian Siekmann. Und doch hat der Grüne in Sherlock-Holmes-Manier herausgefunden, dass wichtige Unterlagen fehlten.

Mühsam hat der 27-Jährige Dokumente zum Emix-Maskendeal aus Bayern und Nordrhein-Westfalen verglichen. Am Ende musste das bayerische Gesundheitsministerium Zertifikate und Lieferscheine für Masken der Schweizer Firma, die auf CSU-Kontakte setzte und unter anderem der Tochter des Ex-Ministers Gerold Tandler eine Millionen-Provision zahlte, nachliefern. „Da fragt man sich, wie sehr dem Ministerium tatsächlich an Aufklärung gelegen ist“, so Siekmann. „Dass mal was durchrutscht, mag sein, aber dass ausgerechnet Unterlagen fehlen, die explizit angefordert wurden, kann ich mir nicht erklären.“

"Der europapolitische Duracell-Hase der Grünen“

Der Wahlmünchner Siekmann, der 2018 mit 23 Jahren als jüngster Abgeordneter in der Geschichte des Landtags ins Maximilianeum einzog, ist hartnäckig, fleißig und eloquent. Eigenschaften, die seine Grünen-Fraktion so sehr an ihm schätzt, dass sie ihn vor einem Jahr zum stellvertretenden Vorsitzenden wählte. Als „engagiert und intelligent“ beschreiben ihn auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen. Bei manchem CSUler eckt er aber mit seiner, wie geklagt wird, „nassforschen und besserwisserischen“ Art an. „Vielleicht ist es seiner Jugend zuzuschreiben“, meint einer. Tobias Gotthardt (FW), Chef des Europaausschusses, in dem auch Siekmann sitzt, hingegen betont: „Er ist alles andere als noch grün hinter der Ohren.“ Gotthardt fügt schmunzelnd an: „Siekmann ist der europapolitische Duracell-Hase der Grünen.“ Ein echter Kosmopolit mit einem beeindruckenden Netzwerk in München, Berlin und Brüssel.

Siekmann selbst empfindet es als Privileg, der Jüngste im Landtag zu sein. Weil er dort einer Generation, die in der Politik lange unterrepräsentiert gewesen sei, Gehör verschaffen könne, sagt er. Siekmann kämpft zum Beispiel für eine Absenkung des Wahlalters. „Das charmanteste daran, der jüngste Abgeordnete zu sein, aber ist wohl, dass man systematisch unterschätzt wird“, erklärt er und grinst. „Das ist vielleicht der politisch größte Vorteil.“

Allerdings: Den Fehler, Siekmann zu unterschätzen, begeht heute im Landtag kaum noch jemand. Und zwar nicht erst, seit sich der gebürtige Rheinland-Pfälzer in die Aufklärung der Maskendeals verbissen hat. Besonders stolz ist Siekmann darauf, dass er als europapolitischer Sprecher seiner Fraktion auch aus der Opposition heraus schon ganz konkrete Erfolge erzielen konnte. Mit der neuen Stiftung „Jugendaustausch Bayern“ sollen auch Mittel- und Realschüler*innen sowie Auszubildende eine Chance auf Auslandserfahrungen bekommen. Siekmann, der im Europaausschuss eine entsprechende Sachverständigenanhörung organisiert hatte, hält es sich zugute, dass die mit 30 Millionen Euro ausgestattete Stiftung ihren Fokus nun auf Jugendliche jenseits des gymnasialen und akademischen Bereichs legt.

Gremienarbeit, Kampagnenmanagement, Positionen ausarbeiten und Reden halten – Siekmann kannte all das schon, bevor er richtig in die Politik einstieg. Mit einem 1,1er-Abitur und einem Stipendium in der Tasche kam er 2014 fürs Chemiestudium nach München. 2015 war Siekmann bereits Geschäftsführer der Studierendenvertretung, später zwei Jahre Mitglied des Senats und Hochschulrats der LMU. „Da lernt man, wie man möglichst viel aus einer strukturell schwachen Position herausholen kann“, erklärt er. „Denn Studierende sind in diesen Gremien ja immer in der Minderheit.“

Eines der Schlüsselerlebnisse, das Siekmann auch bald zu den Grünen brachte: der Kampf um ein Semesterticket für den Münchner ÖPNV. „Als ich merkte, wie wahnsinnig anstrengend und schwierig es sein kann, eine gute Idee durchzubekommen, reichte mir die Hochschulpolitik allein nicht mehr“, erzählt er. „Ich wollte auch am politischen Rahmen rütteln.“

Siekmann, der 2018 seinen Bachelor machte, arbeitet aktuell an seinem Master. „Das nebenher zu machen, ist überhaupt kein Vergnügen“, gesteht er. Denn es koste ihn oft die gesamte Freizeit, die ihm neben dem Mandat bleibt. Für Zeit mit seinem Partner, der ebenfalls bei den Grünen aktiv ist, versucht sich Siekmann den Samstag zumindest teilweise freizuhalten. Und dann kocht er gerne. Außerdem liebt Siekmann die Berge. Im Sommer will er in sieben Tagen zehn Gipfel besteigen – „alle über 4000 Meter hoch“, kündigt er an.

Mitbegründer der queeren Parlamentariergruppe

Eine Aussicht, die Siekmanns Augen zum Leuchten bringt – reicht doch die Zeit für sportlichen Ausgleich im Alltag oft nur für den Besuch des Fitnessstudios im Landtag. Immerhin: Auf seinen Wunsch hin gibt es dort jetzt auch eine Klimmzugstange. „Dazu war ein Antrag beim Bauamt nötig“, erzählt Siekmann und scherzt: „Das war vielleicht mein bislang größter Erfolg gegen die Bürokratie.“ 

Eigentlich wollte Siekmann nächsten Sommer mit seinem Master fertig sein, doch der Vizevorsitz des Untersuchungsausschusses lässt ihm dazu zu wenig Zeit. Außerdem hat er von Tessa Ganserer, die seit vergangenem Jahr im Bundestag sitzt, auch noch den Sprecherposten für Queerpolitik übernommen. Siekmann wirft der Staatsregierung ein „Armutszeugnis“ bei der Queerpolitik vor. Der Freistaat sei das einzige Bundesland ohne Landesaktionsplan für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. „Dass das Sozialministerium jetzt ein bisserl mehr Beratung fördert, ist gut, reicht aber nicht“, kritisiert Siekmann. Eine 253 Fragen starke Interpellation, von den Grünen Anfang März eingereicht, soll die Missstände nun aufzeigen und das Thema in die Debatte bringen. Es geht um Bereiche wie Sicherheit, schulische Bildung, Gesundheit und Sichtbarkeit.

Sichtbarkeit schaffen – darum ging es auch, als Florian Siekmann am Rande der Landtags-Weihnachtsfeier 2019 spontan mit den Kollegen Jürgen Mistol (Grüne) und Sebastian Körber (FDP) eine schwule Parlamentariergruppe gegründet hat. „Da wir aber kein schwuler Männerclub bleiben wollten, haben wir eine queere Gruppe daraus gemacht“, erzählt er. Auch Mitarbeitende der Fraktionen und des Landtagsamts sind eingeladen, mitzumachen. „Und Leute, die sich dem Thema einfach nah fühlen.“ Ein offenes Treffen gab es wegen Corona bislang zwar noch nicht. Das aber soll jetzt möglichst bald nachgeholt werden. (Angelika Kahl)

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