Paul Knoblach kann schwer Nein sagen – vor allem, wenn’s um die Übernahme von Ämtern geht. Das kam bei dem 67-jährigen Schweinfurter häufiger vor. Er drückt das so aus: „Ich wurde an der Schulter gezupft.“ So kam es, dass Knoblach neben seiner Tätigkeit als Krankenpfleger und nebenberuflicher Ökobauer 18 Jahre lang im Gemeinderat saß, 15 Jahre Präsidiumsmitglied des Ökoanbauverbands Naturland und zusätzlich jeweils über ein Jahrzehnt Vorstand verschiedener Vereine wie der Freiwilligen Feuerwehr oder der Jagdgenossenschaft war. „Nur ob ich heiraten und Kinder möchte, habe ich selbst entschieden“, sagt er und lacht.
Nicht anders war es bei der Frage, ob Knoblach 2018 für den Landtag kandidieren möchte: Wieder wurde er an der Schulter gezupft. „Wisst ihr nicht, wie alt ich bin?“, habe er damals gefragt. „Wir müssen doch auch bei der jungen Wählerschaft punkten.“ Natürlich sei die Frage aber eine Ehre gewesen. Trotz Diskussionen mit seiner Frau und den beiden Söhnen (34 und 37), die nicht „voller Freude“ waren, konnte der damals 64-Jährige – mal wieder – nicht Nein sagen. Dass es mit dem Einzug ins Maximilianeum tatsächlich geklappt hat, bezeichneten selbst die Grünen in Schweinfurt auf ihrer Webseite als „Überraschung“.
Voller Überraschungen ist auch der Werdegang von Knoblach. Geboren wurde er 1954 im unterfränkischen Werneck. Als Schüler war er nicht der Strebsamste, wie er selbst sagt: Es reichte nur für einen Hauptschulabschluss. Allerdings waren aber auch die Bedingungen schlecht. Damals wurden in seiner Heimat noch sieben Klassen in einem Raum unterrichtet. Mit 14 Jahren begann er eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker. Spannend fand er das nicht. „Aber irgendwas musste ich ja tun.“ Doch langsam packte ihn der Ehrgeiz. Mit 18 Jahren bekam Knoblach den ersehnten Job beim Autozulieferer SKF Schweinfurt in der Wälzlagerfertigung.
Fünf Jahre später sollte sich sein Leben grundlegend ändern. Während seines Pflichtwehrdiensts 1975 schlugen die „bäuerlichen Gene“ seiner Eltern durch. Ihm wurde klar: „Ich möchte nicht mein Arbeitsleben in Fabrikhallen verbringen.“ Knoblach machte eine 180-Grad-Wende und begann auf Empfehlung von Freunden eine Pflegeausbildung beim Bezirk Unterfranken im Nervenkrankenhaus Schloss Werneck. Er nahm alle Fortbildungen mit und arbeitete sich in verantwortungsvolle Positionen hoch. „Ich hätte nie gedacht, dass ich dort bis zum Ende meines Arbeitslebens bleiben werde“, sagt er und lächelt milde. 2018 ging Knoblach in Rente.
Die Arbeit dort hat Knoblachs Leben geprägt. „Ich habe 37 Jahre mit hochsuizidalen Menschen verbracht und versucht, sie von ihren Vorhaben abzubringen“, erzählt er. Die Zustände in den bayerischen Psychiatrien seien damals unbeschreiblich gewesen. Als Ausgleich zu seiner Arbeit übernahm er 1978 nebenberuflich den Bauernhof seiner Eltern. Auf dem Traktor konnte er abschalten und neue Energie tanken. 14 Jahre später stellte er auf Ökolandbau um. „Die grüne Philosophie war mir in vielem nah“, erklärt er. Im Gemeinderat saß er dennoch bis 2011 für die CSU. Warum? Die Antwort fällt ihm nicht ganz leicht. „Weil der Papa CSU-Ortsvorsitzender war“, gibt er zu. Seine offene Art macht Knoblach authentisch.
Sympathien für seine alte Partei hat der Schweinfurter aber noch immer. Regelrecht ins Schwärmen kommt er beim ehemaligen bayerischen Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU), der ihn 2010 für seine Verdienste um den Ökolandbau mit der bayerischen Staatsmedaille auszeichnete. „Der Mann war klasse“, versichert Knoblach. Bis heute schätze er, wie Brunner mit seiner unprätentiösen Art bedeutende Dinge für den ökologischen Landbau in Bayern vorangetrieben habe. „Bioregio, Ökomodellregionen, Ausbildungs- und Forschungsstandorte – all das ist während seiner Zeit als Minister entstanden“, lobt er.
Ähnliches will Knoblach für den Ökolandbau auch als Landtagsabgeordneter erreichen. Er sitzt für die Grünen im Landwirtschaftsausschuss und ist Sprecher seiner Fraktion für Weinbau, Sonderkulturen und Tierwohl. Franken ist Bayerns größtes Weinanbaugebiet. Die Sonderkulturen sind entscheidend, um trotz Regenarmut in der Region weiterhin erfolgreich anbauen zu können. Besonders wichtig ist Knoblach nach den vielen Tierschutz-Skandalen in Bayern allerdings der letzte Punkt. „Die deutsche Landwirtschaftspolitik hat über lange Jahre nicht gehandelt“, klagt er. Daher setzt sich Knoblach für das Ende der Massentierhaltung ein. „Ich will mit gutem Gewissen Fleisch essen können“, sagt er.
Pflegekraft und Ökobauer
Aber passen Tierwohl und Fleisch essen zusammen? Eine legitime Frage, meint Knoblach. „Meine Fleischportionen werden immer kleiner.“ Aber ganz darauf verzichten will er nicht. Solange mit den Tieren anständig umgegangen werde, also Schweinen beispielsweise nicht die Ringelschwänze abgeschnitten, Küken getötet oder Kälber Tausende Kilometer transportiert würden, sei Fleischkonsum vertretbar. „Ich kann mir aber eine Gesellschaft vorstellen, die in Zukunft kein Fleisch mehr isst.“
In seiner Freizeit geht Knoblach gerne in der Heimat wandern. Ein ganz besonderes Projekt startete er mit seiner Frau 2013: Jedes Jahr pilgern die beiden für 14 Tage ein Stück weiter zum Jakobsweg in Richtung Santiago. Los ging es am Hoftor. Vor der Pandemie sind sie kurz vor Frankreich angekommen. Dieses Jahr soll es von dort aus rund 400 Kilometer weiter Richtung Spanien gehen. In zwei, drei Jahren wollen sie ankommen. „Uns ist klar, dass wir uns sputen müssen“, sagt er und grinst.
Schneller würde es natürlich gehen, wenn Knoblach kein Abgeordneter mehr wäre. Ob er 2023 noch mal kandidiert, hält er sich offen. Einerseits schätzt er sein Mandat, weil er dadurch Dinge zum Positiven verändern kann. „Andererseits sehe ich mein Lebensalter“, bekennt er. Zum Ende der nächsten Legislaturperiode wäre Knoblach 74 Jahre alt. „Grundsätzlich bin ich aber nicht abgeneigt“, sagt er. Wahrscheinlich zupft ihn wieder jemand an der Schulter – und Knoblach kann nicht Nein sagen. (David Lohmann)
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