Landtag

Hans Urban, Landtagsabgeordneter der Grünen. (Foto: Stark)

27.01.2023

Der Stigmatisierte

Im Porträt: Grünen-Landtagsabgeordneter Hans Urban

Wie die bislang kurze politische Karriere des Grünen-Landtagsabgeordneten Hans Urban verlaufen wäre, wenn nicht am Nachmittag des 14. Oktober 2019 zufällig ein Google-Street-View-Fahrzeug auf seinen Hof gefahren wäre, darüber kann man nur spekulieren. So markierte der Tag eine Zäsur. Danach war für den 44-jährigen Biolandwirt aus Eurasburg im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen nichts mehr wie zuvor – zumindest politisch. 

Über den Ablauf des Aufeinandertreffens von Urban und dem Fahrer des Google-Fahrzeugs, der Aufnahmen für den Straßenkartendienst des US-Unternehmens vornehmen wollte, gibt es zwei unterschiedliche Versionen. Unstrittig ist, dass das Auto mit Kamera auf dem Dach auf Urbans Hof fuhr und der Landwirt sich daraufhin vor das Fahrzeug stellte. Über den weiteren Verlauf gehen die Schilderungen auseinander. Laut Urban und seinem Nachbarn, der ebenfalls anwesend war, schob ihn der Mann mit dem Auto vor sich her, worauf er stürzte. Urban erstattete Strafanzeige gegen den 25-jährigen Fahrer – wegen Körperverletzung. Der Fahrer wiederum zeigte Urban wegen Nötigung und der Vortäuschung einer Straftat an. Es kam schließlich zum Prozess am Wolfratshausener Amtsgericht, wo Urban 2021 zur Zahlung von 10 500 Euro Geldstrafe verurteilt wurde. Das Gericht sah es nach Einsicht in die Kameraaufnahmen des Fahrers und der Anhörung von zwei Gutachtern als erwiesen an, dass der Landtagsabgeordnete den Unfall fingiert hatte. 

Auch wenn der Landwirt damit nicht vorbestraft ist, ist er landespolitisch erledigt. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. In Urbans Heimatstimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, Garmisch, in dem er bei der vergangenen Landtagswahl als Direktkandidat antrat und so viele Stimmen holte, dass er auf der oberbayerischen Liste von Platz 36 auf Platz 16 vorgewählt wurde und so in den Landtag einzog, setzte man für die Wahl im Herbst auf unbelastete Leute: Gleich fünf Kandidat*innen warfen ihren Hut in den Ring, sodass es Urban gar nicht mehr probierte.

Noch immer hält er aber an seiner Version zum Vorfall auf dem Hof fest: Der Fahrer hat ihn umgefahren. „Es wird ein Fehlurteil bleiben“, sagt Urban bestimmt und erklärt, dass das eine Gutachten doch klar dargestellt habe, dass er einen Meter vom Auto entfernt gestanden habe, das Fahrzeug aber zwei Meter gefahren sei. Er fragt: Wie also hätte es da nicht zur Kollision kommen können? Für Urban simple Mathematik.

Berufung hat er damals trotzdem nicht eingelegt, eine durchaus mögliche härtere Strafe hätte weitreichendere Konsequenzen gehabt. Er hat seinen Frieden damit gemacht, dass seine Zeit im Landtag deswegen schon nach einer Legislaturperiode wieder vorbei ist. „Ich mache meine Arbeit sauber zu Ende – und dann mache ich wieder was anderes“, sagt Urban. „Mir wird nicht langweilig.“

Tatsächlich wartet zu Hause im Eurasburger Ortsteil Oberherrnhausen ein Hof auf ihn. Aktuell kümmert sich vorrangig seine Frau um die Geschäfte des Ökobauernhofs, zu dem 25 Milchkühe, 500 Legehennen, eine Biogasanlage, 47 Hektar landwirtschaftliche Fläche und 23 Hektar Wald gehören. Sogar die mittelbare Nachfolge scheint schon geregelt: Urban hat drei Söhne im Alter zwischen zehn und 16 Jahren. „Die sind alle begeistert von der Landwirtschaft“, erklärt er. „Es gibt auch nichts Schöneres, als selbst etwas zu schaffen“, sagt der Landwirt.

Eigentumsfeindliche Tendenzen in der Partei

In der Politik geht das nicht immer so leicht, vor allem, wenn man nicht in Regierungsverantwortung ist. Von einer Regierungsbeteiligung sind die Grünen seiner Meinung nach allerdings weit entfernt. „Es gibt in den letzten vier, fünf Jahren eigentumsfeindliche Tendenzen“, sagt er. Nicht nur, aber auch bei den Grünen. Das spiegelt sich aus seiner Sicht vor allem in den Diskussionen um die Grundsteuer und um die Erbschaftsteuer. „Ich komme vom Land. Da bedeutet Eigentum Verantwortung, Kultivieren.“ Urban ist überzeugt, dass man mit Kritik am Besitz keine Stimmen in der Mitte gewinnen kann – die man aber bräuchte, um regieren zu können. Seine Prognose für den Ausgang der Landtagswahl lautet daher: Die FDP fliegt aus dem Landtag und die CSU erobert die absolute Mehrheit, braucht also keine Freien Wähler und erst recht nicht die Grünen zum Machterhalt.

Der jagd- und forstpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion freut sich darüber, dass er den Part zur Zukunft der deutschen Waldbewirtschaftung im Koalitionsvertrag der Ampel im Bund mitgestalten konnte. Parteiübergreifend hat er sich immer wieder für eine vernünftige Betrachtung des Systems Wald eingesetzt. Und ihm liegen die Bekämpfung des Flächenfraßes und die Energiewende am Herzen. Urban denkt an Flächenkontingente für Ansiedlungen und Infrastrukturprojekte, die man jeder Kommune zur Verfügung stellt und die man nicht überschreiten darf. „Manche Firma, die sich groß in einem Gewerbegebiet ansiedelt, käme vielleicht auch mit einer Doppelgarage aus“, meint Urban.

Und anders als die Staatsregierung hätte er in der Energiekrise den Menschen erklärt, dass sie mit entsprechenden Investitionen zu regelrechten Profiteuren der Energiewende werden könnten, anstatt sie mit der Angst vor einem Zusammenbruch zu warnen. „So hat sich jeder Heizlüfter und Brennholz gekauft – zum teuersten Preis.“ 

Generell freut er sich auf mehr Zeit mit der Familie. Mit seiner Frau war er früher oft montags in der Früh beim Skitourengehen. Das will er nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag auch wieder regelmäßig tun. Und keine Angst, so Urban: Auch in Zeiten des Klimawandels könne man noch Skitouren gehen. „Wir haben oft an Ostern den besten Schnee. Nur sind dann die meisten anderen schon am Gardasee und merken das nicht.“

Bei einer Dienstreise mit dem von ihm sehr geschätzten CSU-Landtagsabgeordneten Klaus Steiner, der wie er im Agrarausschuss sitzt, hat sich eine weitere Option für die Zeit nach Urbans Landtagskarriere aufgetan: Steiner, selbst Biobauer, brennt Schnaps aus den Früchten seiner Streuobstanlage und ließ seinen Kollegen probieren. Der war begeistert und spielt nun mit dem Gedanken, ebenfalls eine Schnapsbrennerei aufzubauen. „Bis zur Landtagswahl ist die Obsternte schon rum“, sagt Urban. Aber im Jahr darauf könnte es, mit der richtigen Vermarktungsstrategie, schon losgehen. (Thorsten Stark)
 

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