Landtag

Michaela Kaniber. (Foto: dpa/Kneffel)

10.06.2022

Die Disziplinierte

Im Porträt: Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU)

Natürlich ist da die Sache mit dem Dirndl-Image. Michaela Kaniber aus dem Berchtesgadener Land trägt gerne Tracht. Als die damals 40-jährige CSU-Abgeordnete Anfang 2018 vom neuen Regierungschef Markus Söder (CSU) aus dem Nichts zur Agrarministerin ernannt wurde, hieß es schnell, zur Besänftigung von Bayerns Bauern brauche es halt eine hübsche Dirndl-Trägerin. Kaniber bekennt, unter dem Gerede gelitten zu haben, nur aus diesem Grund „ins Amt gehievt“ worden zu sein. „Das tut dir als Frau schon weh“, sagt sie.

Kaniber hat darauf auf ihre eigene Art reagiert: mit harter Arbeit. „Es war mir von Anfang an wichtig zu zeigen, dass ich inhaltlich sauber arbeiten kann, dass ich mich in die Themen reinfressen kann.“ In der ersten Amtswoche, verdeutlicht sie mit einem Begriff aus dem Motorsport, ließ sie sich in jeder Abteilung des Ministeriums „pressbetanken“, um schnell viele Informationen zu kriegen. „Ich wollte den Bauern nie das Gefühl geben, da ist jetzt eine, die nicht weiß, wovon sie spricht“, erklärt die gelernte Steuerfachangestellte. „Ich habe extrem hohe Ansprüche an mich selbst.“ Im Gespräch mit Kaniber fallen häufiger drei Worte: Fleiß, Disziplin, Willen.

Die Härte gegen sich selbst wurde Kaniber schon in die Wiege gelegt. Ihre Eltern kamen 1973 aus der Perspektivlosigkeit des allmählich zerfallenden Vielvölkerstaats Jugoslawien nach Bayern und eröffneten in Bayerisch Gmain ein Wirtshaus. Von früh bis spät hätten sie gerackert, erinnert sich Kaniber. Auch sie musste bald nach Schule und Hausaufgaben im Betrieb mithelfen. Ohne vorwurfsvollen Unterton schildert sie, „brutal streng“ erzogen worden zu sein, getrimmt auf Fleiß und maximale Leistung – auch aus Dankbarkeit für die Chancen, die das Gastland und seine Menschen ermöglicht hätten.

Kaniber spricht von einer „extrem südländisch-patriarchalischen Erziehung“. Dies drückte sich zum Beispiel dadurch aus, dass sie nicht aufs Gymnasium durfte, sondern als Frau, „die eh bald heiraten wird“, auf die katholische Mädchenrealschule geschickt wurde. Auch ihren Beruf durfte sie sich nicht selber aussuchen. Eines Tages, erzählt sie, sei der Steuerberater der Eltern in die Schenke gekommen und habe ihr berichtet, wie sehr er sich freue, dass sie eine Ausbildung bei ihm anfangen werde. „Ich hatte keine Ahnung davon“, entsinnt sich Kaniber mit einer gewissen Fassungslosigkeit. Obwohl es nicht ihr Traumjob gewesen sei, habe sie die Ausbildung pflichtbewusst durchgezogen. Aber trockene Materie ohne Kontakt zu Menschen – das sei bis heute nichts für sie.

Den Schritt in die Politik will Kaniber trotzdem nicht als Flucht aus dieser Enge verstanden wissen. Es sei eher der Drang zum Mitgestalten gewesen. In die CSU trat sie ein, weil ihr deren Ausrichtung gefiel. Als aber die Staatsregierung seinerzeit das neue Kinderbetreuungsgesetz auf den Weg brachte, das ihr wie vielen anderen Müttern überhaupt nicht gefiel, ging sie demonstrieren. „Ich habe nicht verstanden, warum uns Müttern in meiner CSU keiner zuhört“, begründet Kaniber ihre damalige Motivation. Ehe sie sich versah, war sie „reingeschlittert“ in die Parteiarbeit: Ortsvorsitz, Gemeinderat, Kreisvorsitz, Landtagskandidatur.

Von Anfang an unterstützt habe sie Markus Söder. Kennengelernt hat sie ihn als Mitarbeiterin im Büro ihres Stimmkreisvorgängers Roland Richter. Söder habe sie in ihrem Engagement bestärkt und sie später bei ihren Schritten in die Politik beraten. „Er war schon ein großes Stück weit mein Mentor“, sagt Kaniber. Inzwischen verbindet beide ein enges Vertrauensverhältnis. Kaniber wehrt sich nicht gegen Medienberichte, wonach sie in Partei und Regierung zu Söders engstem Kreis gehört.

Wenn Deutschland gegen Kroatien spielt, ist sie ziemlich im Stress

Nach ihrer Wahl in den Landtag hat sich Kaniber gleich ein riesiges Pensum zugemutet. Sie ging in den Sozial- und den Kulturausschuss, arbeitete teilweise parallel in den Enquete-Kommissionen Ländlicher Raum und Migration und war im Modellbau-Untersuchungsausschuss. Die viele Arbeit bereitete ihr Spaß, sie erwartet das auch von Amts- und Mandatsträger*innen. „Ich funktioniere so richtig gut, wenn ich unter Strom stehe“, erklärt sie. Sie braucht es, immer am Anschlag zu sein, so wurde sie erzogen. Schon als 16-Jährige hatte sie drei Jobs gleichzeitig: ihre Ausbildung tagsüber, am Abend die Gaststätte der Eltern und am Wochenende war sie Dolmetscherin für kroatische Bürgerkriegsflüchtlinge. Und um später ihre drei Kinder fürsorglich aufziehen zu können, arbeitete sie halt nachts.

Obwohl in Bayern geboren und „am Stammtisch aufgewachsen“, greifen ihre kroatischen Wurzeln sehr tief. Mit den Eltern spricht sie noch heute kroatisch, es gibt viele Kindheitserinnerungen an Besuche bei den Großeltern in Dalmatien. Wenn deutsche und kroatische Fußballteams aufeinandertreffen, ist es „ein elendes Dasein im Hause Kaniber“, gesteht sie. Natürlich fiebert sie immer mit Deutschland, aber Kroatien sei halt ein kleines Land. Und wenn es gegeneinander geht, dann halte sie eher zum Kleineren. Als Dinamo Zagreb einmal 5:0 vom FC Bayern vermöbelt wurde, hat sich das für sie „schon fies angefühlt“.

Aber zurück zu ihrem Amt als Ministerin. Dass ihr der sprichwörtliche Stallgeruch fehlt – als Jugendliche hat sie bei der Oma immerhin mal eine Kuh gemolken – , sieht Kaniber als kein Problem mehr. Aus Rückmeldungen spürt sie Anerkennung aus der Bauernschaft. Allerdings versteht sie sich nicht nur als Ministerin für die Landwirte, sondern auch als Interessenvertreterin der Verbraucher*innen bei Themen wie Nachhaltigkeit, Tierwohl und Umweltschutz. „Ich will zeigen, dass das Landwirtschaftsministerium kein Haus der alten Männer und der Bauern mit Gummistiefeln ist, sondern eben auch zuständig für die schöne bayerische Landschaft, einen starken ländlichen Raum und das beste Essen auf dieser Welt“, formuliert Kaniber werbebroschürenträchtig.

Kaniber engagiert sich ehrenamtlich im Trachtenverein und bei den Freunden des Philharmonischen Orchesters Bad Reichenhall, weil ihr kulturelle Vielfalt wichtig ist. Und sie arbeitet im Kuratorium Alpine Sicherheit, das, so Kaniber, wichtige präventive Arbeit zur Verhinderung von Bergunfällen leiste, sowie im Kuratorium Obersalzberg mit. In die dortige Gedenkstätte ist aus ihrer Sicht in Zeiten von Verschwörungstheorien und wachsendem Rechtsradikalismus jeder Cent gut investiert.

In ihrer knappen Freizeit hat Kaniber gern die Familie um sich. Und baut, wenn alle da sind, oft ein „riesengroßes Buffet“ auf. Sport? Wäre schön, sagt sie, „aber die Zeit mit der Familie ist mir wichtiger“. (Jürgen Umlauft)

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