Landtag

Soll trotz Europawahl bei EU-Themen nicht mehr mitreden dürfen: die britische Premierministerin Theresa May. (Foto: dpa/Leon Tanguy)

10.05.2019

"Die EU muss ihre Feinde stärker bekämpfen"

Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier stellt sich im Landtag den Fragen der Abgeordneten – auch zu seiner Person

Der Franzose Michel Barnier (Republikaner), Brexit-Chefunterhändler der EU-Kommission, berichtete im Landtag über den Austritts-Status des Vereinigten Königreichs. Und er ging auf die Gerüchte ein, das Amt des EU-Kommissionspräsidenten übernehmen zu wollen. Offizieller Spitzenkandidat der konservativen EVP-Fraktionen im EU-Parlament ist Manfred Weber (CSU).

In seiner Rede im Europaausschuss berichtete Barnier in seiner Muttersprache französisch über die fast dreijährigen Verhandlungen mit den Briten über den EU-Austritt, den er eine „Lose-Lose-Situation“ nennt. Studien zufolge verschwinden mittelfristig alle vier europäischen G8-Länder, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien, in der wirtschaftlichen Versenkung, wenn sie sich nicht in der EU zusammenschließen. Das aktuelle Brexit-Abkommen umfasst laut Barnier 600 Seiten. Wichtigster Punkt darin: Der Erhalt der Bürgerrechte für die Briten in der EU und die Europäer im Vereinigten Königreich – zusammen 4,5 Millionen Menschen.

Das Abkommen über die künftige Zusammenarbeit enthält nur 27 Seiten. Darin geht es um Wirtschaft, Sicherheit und sogenannte Sektorenabkommen wie zum Beispiel Hochschulkooperationen. Durch einen Brexit würde das Vereinigte Königreich aus insgesamt 700 Abkommen ausscheiden. „Jetzt warten wir ungeduldig darauf, dass diese beiden Dokumente endlich von der britischen Regierung gebilligt werden“, so der Chefunterhändler. Damit dann auch alle EU-Mitgliedstaaten dem Papier zustimmen, reist Barnier derzeit durch Europa und wirbt um Zustimmung.

In der anschließenden Aussprache lobte Martin Huber (CSU) Barnier für seine unnachgiebige Verhandlungsführung bei den Brexit-Gesprächen. Nachdem es seitens der britischen Regierung immer noch keine klare Position zum Brexit gibt, wollte er wissen, wie lange sich die EU-Kommission noch „auf der Nase herumtanzen“ lassen wolle. Barnier antwortete ausweichend, er glaube, dass die derzeitigen Gespräche der britischen Regierung mit der Opposition zum Erfolg führen könnten. In dem Fall würde eine Zollunion kommen.

Fabian Mehring (FW) dankte Barnier für den „pädagogischen Effekt“ seiner Verhandlungen. Dies habe deutlich gemacht, dass ein Land durch einen Austritt zwar weniger Pflichten, aber eben auch weniger Rechte habe. Mehring interessierte sich dafür, ob bei einem zweiten Referendum, sollten sich die Bürger für einen Verbleib in der EU aussprechen, der Brexit rückabgewickelt werden könnte. Barnier versicherte, das Land könne jetzt oder auch später jederzeit wieder in die EU zurückkommen.

Martin Böhm (AfD) fragte angesichts des knappen Zeitraums bis zu den Europawahlen, wie die Wahlvorbereitungen im Vereinigten Königreich vorankämen. Die Behörden hätten alles für die Wahl vorbereitet, beruhigte Barnier. „Und falls es vorher doch noch zu einer Einigung kommt, kann die Wahl immer noch gestoppt werden.“

„Sie haben meine Sympathie als jüngster Landtagsabgeordneter“

Helmut Markwort (FDP) wies darauf hin, dass sich britische Vertreter „EU-konform“ verhalten sollten, falls sie nach der Wahl in Brüssel säßen. „Bekommen sie dann einen Maulkorb, oder wie soll das gehen?“, fragte er. Barnier sagte, dies betreffe vor allem die Gespräche im Europäischen Rat, in dem die EU-Staats- und Regierungschefs zusammenkommen. Er habe mit der britischen Premierministerin Theresa May vereinbart, dass diese sich bei Themen, welche die übrigen 27 EU-Mitglieder betreffen, aus diesem zurückziehe.

Florian Siekmann (Grüne) wollte wissen, ob die EU nicht stärker die Feinde der Union hätte bekämpfen müssen, anstatt sie wie zum Beispiel in Bayern mit Viktor Orbán zu „hofieren“. Während Barnier bis dahin freundlich, aber ohne jede Emotion die Fragen beantwortet hatte, lächelte er plötzlich. „Sie haben meine Sympathie als jüngster Landtagsabgeordneter“, sagte er in Richtung Siekmann. Und scherzte sogar: „Ich war auch mal der jüngste Abgeordnete – aber den Titel verliert man schnell.“ Auch seine Antwort fiel überraschend undiplomatisch aus: „Das kann ich nur bejahen.“ Es gebe eine Menge Lektionen, welche die EU aus den Folgen des Brexits ziehen müsse.

Zum Schluss stellte Markus Rinderspacher (SPD) die Frage aller Fragen: „Schließen Sie es aus, als künftiger EU-Kommissionspräsident zur Verfügung zu stehen?“ Er habe beschlossen, aufgrund seiner Brexit-Verpflichtungen nicht als Kandidat anzutreten, antwortet Barnier. „Es gibt nur einen EVP-Spitzenkandidaten, und der heißt Manfred Weber.“ Er selber habe aber durchaus auch viel Berufserfahrung, sei kein „Superbürokrat, sondern Politiker“ und sehe es als seine Pflicht an, sich an der politischen Debatte zu beteiligen. Ein Dementi klingt anders. Abgeordnete der Opposition waren sich nach der Sitzung sicher: „Der wird’s!“ (David Lohmann)

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