Landtag

Katharina Schulze. (Foto: Andreas Gregor)

14.05.2021

Die Turbofrau

Im Porträt: Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen

Oppositionsführerin. Katharina Schulze (35) wirkt noch immer ein bisschen stolz, wenn sie ihren Status beschreibt. „Ich als Oppositionsführerin ...“ – bei diesen Worten sieht die Grüne ein bisschen so aus, als würde ein Karamellbonbon auf ihrer Zunge zergehen. Und tatsächlich ist es ja auch ein Ding: Eine so junge Oppositionsführerin hatte der Bayerische Landtag erstens noch nie – schon gar keine werdende Mutter. Schulze erwartet demnächst ein Baby. Zweitens entstammten die Oppositionsführer*innen während der nun schon sehr langen CSU-Regentschaft stets der SPD. Das war, bevor die Grünen bei der Landtagswahl 2018 erstmals die Sozialdemokraten überflügelten und mit sagenhaften 17,6 Prozent stärkste Oppositionsfraktion wurden.

Genau genommen führt Schulze die 38-köpfige Grünenfraktion zusammen mit Ludwig Hartmann (42). Doch in puncto Außenwirkung und Medienpräsenz ist es bei den beiden so ähnlich wie bei der Geschichte von Hase und Igel: Schulze ist, zumindest gefühlt, immer schon da, lächelt ihr umwerfendes Schulze-Lächeln und stellt auf erfrischende Art die CSU in den Senkel.

Fachlich, da sind sich im Landtag viele einig, mag Hartmann oft versierter sein, Schulze aber ist vor allem gut im Verkaufen. „Er hat mehr Substanz, sie das frische Auftreten“, bringt es ein erfahrener Oppositionspolitiker auf den Punkt.

Schulze zog nach der Wahl 2013 in den Landtag ein. Mit damals 28 Jahren war sie die jüngste Abgeordnete im Maximilianeum. Dort machte die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin rasch Karriere. Ihre aufgeweckte, heitere Art kam an, ebenso ihr offenbar unstillbarer Impetus, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. „Ich hab mich immer schon engagiert“, sagt Schulze. „Das liegt an meinem Elternhaus.“ Dort hörte sie oft: „Du bekommst die Welt nicht besser gemeckert, du musst sie besser machen.“ Das setzte Schulze bereits als Schülerin um. Am Gilchinger Christoph-Probst-Gymnasium fungierte die in Herrsching aufgewachsene Grüne als Klassen- und als Schülersprecherin.

Parallel zum Abgeordnetenjob studierte sie an der TU München

Nach dem Abitur studierte sie Politikwissenschaft in München sowie Kalifornien und absolvierte ein Praktikum bei der Demokratischen Partei im US-Bundesstaat Michigan. Ab 2008 engagierte sie sich bei den Grünen, kümmerte sich dort vorrangig um Klimaschutz und Genderthemen. Ihr berufliches Leben vor ihrem Einzug in den Landtag ist schnell zusammengefasst: Sie arbeitete eineinhalb Jahre für eine ökologische Forschungsfirma, parallel dazu war sie bereits im Abgeordnetenbüro der Grünen Theresa Schopper beschäftigt.

Powerfrau: Der Begriff ist abgedroschen, passt aber perfekt für Katharina Schulze, die so rüberkommt, als laufe sie permanent im Turbogang durchs Leben. In der Landtagsfraktion eroberte die passionierte Spezitrinkerin bereits nach vier Jahren den Vorsitz, fungierte bei der Landtagswahl 2018, gemeinsam mit Ludwig Hartmann, als Spitzenkandidatin und ergatterte im Stimmkreis München-Milbertshofen das Direktmandat.

Wahlkämpfen lernete sie in den USA

Das Wahlkämpfen hat sie in den USA gelernt, während ihres Praktikums bei den Demokraten. „Eine großartige Erfahrung“, schwärmt Schulze. Barack Obama kandidierte damals das erste Mal für das Amt des Präsidenten. In den USA ist der Haustürwahlkampf gang und gäbe. Schulze erinnert sich, dass sie zunächst geschockt war von dem Gedanken, einfach so bei wildfremden Menschen zu klingeln, um für sich zu werben. „Aber das hat so viel Spaß gemacht“, berichtet sie. „Diesen direkten Austausch wollte ich auch zu Hause probieren.“ Weshalb sie in München durch die Viertel zog, an Türen klingelte und versuchte, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Mit Erfolg.

Während ihrer ersten Legislaturperiode im Landtag zog Schulze ein berufsbegleitendes Zweitstudium an der TU München durch. Und erwarb den betriebswirtschaftlichen Titel Executive Master of Business Administration. Abends und an Wochenenden büffelte sie fürs Studium, ihre Masterarbeit schrieb sie über Führung im Ehrenamt. Sie wollte herausfinden, welche Aspekte ehrenamtlicher Führungsarbeit sich auf Unternehmen übertragen lassen. Ergebnis: Auch die freie Wirtschaft sollte verstärkt darauf setzen, den Sinn und die Ziele ihrer Aufgaben besser rüberzubringen. „Es ist zentral, dass Führungskräfte ihren Leuten stärker vermitteln, warum deren Arbeit sinnvoll ist“, erläutert Schulze.

Ja-Nein-Antworten sind nicht so ihr Ding

Motivation, also Menschen dazu zu bewegen, sich so oder so zu verhalten: Das ist nicht nur in Unternehmen wichtig. Sondern vor allem auch in der Politik. Wer Menschen ansprechen und motivieren kann, gewinnt Wahlen. Insofern ist es folgerichtig, dass die Grünen im Bund auf die sympathische und unverbrauchte Annalena Baerbock setzen. Und in Bayern auf die peppige Schulze.

Die schwarz-orange Regierungskoalition in Bayern hütet sich jedenfalls, Schulze als harmlose Lächelfrau abzutun. Im Gegenteil. Schulze sei ein Polit-Talent, sagt ein führender Koalitionär. Sie könne selbst flachen Inhalt „medienwirksam inszenieren“ und habe sich „als sympathisches Gesicht an die Spitze der Öko-Bewegung in Bayern gesetzt“. Ein namhafter CSUler rühmt Schulze als „spritzige und originelle Rednerin“.

In der Tat: Schulze redet gern und viel. Bisweilen bleibt dabei die Prägnanz auf der Strecke. Das im Politbusiness übliche Geschwurbel, wenn’s drum geht, eindeutige Antworten zu vermeiden, hat die Grüne jedenfalls voll raus. Zum Beispiel beim derzeit heiklen Thema Impfverweigerer. Ob auch sie solche Menschen kennt, die sich vielleicht sogar an ihr Büro wenden? Äh, wie? Schulze guckt irritiert, dann rattert sie los, umkreist das Thema wortreich, wobei wohlklingende Begriffe wie „Verantwortungsbewusstsein“ ziemlich häufig vorkommen. Nächste Frage: Impfzwang. Könnte man ja ebenfalls ganz leicht mit Ja oder Nein beantworten. Unterm Strich lautet Schulzes sehr lange Antwort dann so: Die Frage stellt sich im Moment nicht.

Ihr größter Fauxpas: ein Eis im Plastikbecher - plus Fernreise

Verbale oder inhaltliche Fauxpas würde sich die bayerische Vorzeige-Grüne niemals leisten. Ihr Münchner Öko-Leben ist vorbildlich, sie besitzt kein Auto, dafür zwei Fahrräder. Zu ihrem Lebensgefährten und Vater des Babys, dem neuen baden-württembergischen Grünen-Finanzminister Danyal Bayaz, fährt sie mit dem Zug.

Ihr größter Fehltritt bisher: die Veröffentlichung eines Urlaubsfotos, das sie im Jahr 2019 eisschleckend in Kalifornien zeigte. Die geballte Wut der Social-Media-Gutmenschen prasselte damals auf sie ein: Eis im Plastikbecher! Mit Plastiklöffel! Und überhaupt: Fernreise! Schulze parierte diplomatisch, die Politik stehe natürlich in der Verantwortung, es brauche Gesetze für ökologisches Reisen und so.

Geschadet hat ihr das Ganze nicht. Nach Kalifornien würde sie wieder fliegen. Es sei schließlich wichtig, „die transatlantischen Beziehungen zu pflegen“, sagt sie. „Und ich kann ja nicht hinschwimmen.“ (Waltraud Taschner)

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