Landtag

Bei der letzten Sicherheitskonferenz war man noch optimistisch, Putin von einem Krieg gegen die Ukraine abhalten zu können. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

17.02.2023

"Die Welt befindet sich in einer kritischen Phase"

Nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sind die Erwartungen an die Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahr besonders hoch

Am heutigen Freitag beginnt die 59. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), das weltweit größte Treffen im Bereich Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Expertin Anja Opitz von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing erklärte im Europaausschuss, was dieses Jahr auf der Agenda steht.

Das wichtigste Thema auf der MSC ist laut Opitz wenig überraschend der Krieg in der Ukraine, der am 24. Februar 2022 begann. „Nach der letzten Konferenz hatte man noch Hoffnung, dass Putin davon absehen wird, das Land zu überfallen.“ Vier Tage später sei man eines Besseren belehrt worden. Entsprechend gehe es dieses Jahr darum, wie die Staatengemeinschaft nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg die regelbasierte internationale Ordnung wiederherstellen beziehungsweise reformieren kann. Denn noch sei unklar, wie mit Regierungen umgegangen werden soll, wenn sie diese nicht anerkennen und beispielsweise Kriegsverbrechen begehen oder Menschenrechte missachten.

Neben den klassischen Themen wie Sicherheitsbedrohungen durch Krieg oder Territorialverteidigung gehe es bei der MSC aber auch um Klimasicherheit und die Folgen für die Sicherheitspolitik durch den Klimawandel. Ebenfalls auf der Agenda stünden Ernährungssicherheit, Gesundheit und Cybertechnologie. „Alle sicherheitsrelevanten Punkte sind miteinander verbunden“, erklärte Opitz. Neben Mitgliedern von Europäischer Union, den Vereinten Nationen und der Nordatlantikpakt-Organisation Nato seien heuer auch die Länder des globalen Südens eingeladen. Mit ihnen soll über die wirtschaftliche Abhängigkeit von China und regionale Konfliktherde wie auf der koreanischen Halbinsel, in der Sahelzone oder in Nahost gesprochen werden.

Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien

Ein anderes großes Thema auf der MSC sind die Infrastrukturen, insbesondere der Cyberraum. „Auch hier zeigt sich der Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien“, erläuterte Opitz. Während China das Ziel verfolge, politische Meinungsäußerungen im Internet zu beschränken, hätten die transatlantischen Partner noch keine gemeinsame Vision für eine offene digitale Infrastruktur entwickelt. Damit zusammen hängt auch die Frage, wie wir ohne Russland künftig unsere Energieversorgung sicherstellen. „Denn wenn man dafür Verbindungen nach China oder Katar aufnimmt, schafft man sich neue Abhängigkeiten zu Autokratien.“

Das Thema brennt laut Munich Security Index, einer globalen Erhebung zur Risikowahrnehmung, auch der Zivilbevölkerung unter den Nägeln. Fast 40 Prozent der deutschen Befragten sehen Deutschland beim Erhalt der Energieversorgung nicht gut gewappnet. Auf der MSC wird daher laut Opitz auch darüber gesprochen, wie die Defizite der internationalen Staatengemeinschaft bei Glaubwürdigkeit und Transparenz behoben werden können. Immerhin zeige die Umfrage auch: „Nur weil in der Zivilbevölkerung eine Unzufriedenheit herrscht, heißt das nicht automatisch, dass sie sich zu Autokratien hingezogen fühlt oder sie als Alternative sieht.“

Zusammenfassend konstatierte Opitz, dass der Wettbewerb um die Ordnung der Zukunft in eine „kritische Phase“ getreten ist. Diese Tendenz sei zwar nicht ganz neu, wie sich schon bei der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 gezeigt habe. „Die Bruchlinien zwischen Demokratien und Autokratien haben sich aber weiter verstärkt.“ Es handle sich dabei um einen „Clash“ der beiden Ordnungsideen der Welt.

In der anschließenden Aussprache begrüßte Anne Franke (Grüne), dass auf der MSC die Länder des globalen Südens stärker in die Sicherheitsstrategien mit eingebunden werden. „Wir müssen ihnen auf Augenhöhe begegnen – auch beim Wirtschaften.“ Ebenso müssten Wege gefunden werden, wie Menschenrechte in Autokratien gestärkt werden können. „Unsere Instrumente sind oft sehr schwach.“ Franke hielt es zwar nach den vielen gebrochenen Absprachen für richtig, die russische Regierung nicht offiziell zur MSC einzuladen, sprach sich aber für informelle Hintergrundgespräche mit dem Kriegsakteur aus. 

Alex Dorow (CSU) erinnerten Opitz’ Ausführungen an das Buch Clash of Civilizations von Samuel P. Huntington aus den 90er-Jahren. Damals sei das Buch wegen der schwammigen Begriffe kritisiert worden, aber nach den aktuellen Ereignissen erscheine der Inhalt in einem anderen Licht. Allerdings gehe es darin nicht um die orthodoxe Welt, die Russland vertritt. Dies habe man wohl zu lange nicht im Blick gehabt. Außerdem sprach sich Dorow angesichts der Munitionsknappheit für mehr Investitionen in den Schutz Europas aus, damit man nicht länger bei den USA „betteln“ müsse. „Das Thema wird uns noch länger begleiten.“

Ausschusschef Tobias Gotthardt (Freie Wähler) wollte wissen, ob die MSC auch Raum für informelle Gespräche lasse und ob diese Dialogmöglichkeit in den letzten Jahrzehnten eher zu- oder abgenommen habe. Opitz verwies darauf, dass die Konferenz nur eine von vielen sei. Insofern werde einerseits schon mehr miteinander gesprochen. Andererseits warnte sie vor einer zu großen Erwartungshaltung. „Es wird am Montag nicht in der Zeitung stehen, dass konkrete Lösungsvorschläge auf dem Tisch liegen.“ Der regelmäßige Austausch sei vielmehr eine Daueraufgabe. (David Lohmann)

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