Landtag

Ganz im Zeichen der Corona-Krise: Die CSU-Abgeordneten tagten im Plenarsaal – mit maximalem Abstand. (Foto: dpa/Hoppe)

17.09.2020

Die Zeit des Geldausgebens ist vorbei

Fraktionsklausuren: Einjahreshaushalte, Startbahnstopp, ein bayerischer Green Deal: Was CSU, SPD, Grüne und AfD beschlossen haben

Die traditionellen Herbstklausuren der Landtagsfraktionen von CSU, SPD, Grünen und teilweise auch der AfD waren geprägt von den Herausforderungen durch die Corona-Pandemie. Die CSU stellte sich dabei voll hinter die Politik der Staatsregierung. SPD und Grüne setzten mit Forderungen nach einem sozialen wie ökologischen Umbau der Wirtschaft und einer umfassenderen Digitalisierung vieler Lebensbereiche eigene Akzente. Die AfD war zunächst hauptsächlich mit internen Querelen beschäftigt. Nach dem Auszug eines Dutzend Abgeordneter aus der Tagung fasste der Fraktionsvorstand im Alleingang von ihm ausgearbeitete Beschlüsse.

Die CSU-Fraktion zeichnete in ihren Resolutionen vielfach Beschlüsse der Staatsregierung nach, die diese während der parlamentarischen Sommerpause gefasst hatte. In einigen Punkten wurden diese mit eigenen Forderungen ergänzt. In einem Positionspapier zur Gesundheitspolitik schlug die CSU-Fraktion die Einrichtung eines Care Innovation Hub für innovative Konzepte in der Pflege vor. Um die Versorgung mit Pflegekräften in ganz Bayern sicherzustellen, soll zudem analog zur Landarztquote ein Sonderprogramm für angehende Pflegekräfte aufgelegt werden, die sich verpflichten, ihren Beruf nach der Ausbildung für mindestens acht Jahre im Land auszuüben.

SPD: Corona als Chance

Im Bereich der Wirtschaftspolitik drängt die CSU weiter auf eine Kaufprämie für Fahrzeuge mit modernen Verbrennermotoren. Nachdem der Export von Fahrzeugen wegen Corona stark zurückgegangen sei, müsse die Inlandsnachfrage angekurbelt werden, erklärte Fraktionschef Thomas Kreuzer zur Begründung. Vor dem Hintergrund immer neuer Gewaltattacken gegen Polizisten forderte die CSU-Fraktion eine weitere Verschärfung des Strafrahmens für derartige Übergriffe. Zudem trat sie pauschalen Rassismusvorwürfen gegen die Polizei entgegen.

In seiner Grundsatzrede vor der Fraktion überraschte Ministerpräsident Markus Söder mit der Ankündigung, das Moratorium für den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen bis 2028 zu verlängern. Die coronabedingten Einbrüche im Flugverkehr sowie die wachsende Bedeutung des Klimaschutzes mache es „illusorisch zu glauben, dass eine dritte Startbahn aktuell notwendig ist“. Söder leitete auch eine Änderung bei den Etatplanungen des Freistaats ein. Um flexibler auf die coronabedingt ständig wechselnde Lage reagieren zu können, sollen auf Sicht Einjahreshaushalte die bisherigen Doppelhaushalte ablösen. Zudem soll zumindest 2021 noch einmal die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Ansonsten seien wegen der Steuerausfälle „tiefe Einschnitte in soziale Leistungen“ oder der Verzicht auf Investitionen nötig.

Die SPD-Fraktion sah auf ihrer Klausur in der Corona-Krise die Chance, die Weichen in Bayern für eine „bessere und gerechtere Gesellschaft“ zu stellen. Corona habe die sozialen Schieflagen im Freistaat genauso „schonungslos offengelegt“ wie die Mängel bei der Digitalisierung von Verwaltung, Schulen und Wirtschaft, erklärte Fraktionschef Horst Arnold. Es brauche gerade in Krisenzeiten einen starken und handlungsfähigen Staat mit einer robusten sozialen Infrastruktur. Nötig sei, die „zerfledderte“, über mehrere Ministerien verteilte Zuständigkeit für die Digitalisierung im dafür eigentlich neu geschaffenen Ministerium zu zentralisieren.

Konkret verabschiedete die SPD-Fraktion Positionspapiere für ein sofort umzusetzendes Klimaschutzprogramm und die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft. „Das zu erhalten, was war, bringt nichts“, sagte Arnold. Statt der „rückwärtsgewandten Kaufprämie“ für Diesel und Benziner forderte die SPD ein Beschaffungsprogramm für emissionsfreie Fahrzeuge. Weitere Beschlüsse betrafen die Aufwertung sozialer Berufe, die Beseitigung von Personalengpässen und digitalen Lücken im Bildungswesen und die sozialen Herausforderungen der Digitalisierung in der Arbeitswelt. Zudem erneuerte die SPD ihre Forderungen nach einem Corona-Schutzschirm für Bayerns Kommunen in Höhe von insgesamt drei Milliarden Euro. Den Kommunen komme bei der Bewältigung der Corona-Krise eine Schlüsselrolle zu, betonte Arnold.

Die Grünen beschäftigten sich im ersten Teil ihrer Klausurtagung in Kelheim – sie dauerte bei Redaktionsschluss noch an – mit einem ökologischen und zukunftssicheren Umbau der bayerischen Wirtschaft. Sie formulierten dabei die Grundzüge für einen Bavarian Green Deal. Er soll bayerischen Unternehmen die dafür nötige Infrastruktur, klare politische Vorgaben und verlässliche Planungen für die Zukunft bieten. Man bringe damit Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Ökonomie zusammen, erklärte Fraktionschefin Katharina Schulze. Zur Unterstützung schlugen die Grünen einen mit mindestens 300 Millionen Euro ausgestatteten ökologischen Transformationsfonds vor.

Mit einem Sieben-Punkte-Plan wenden sich die Grünen an die bayerische Autoindustrie. Mit diesem soll der Umstieg von Benzin- und Diesel-Motoren auf ökologisch vertretbare Antriebe beschleunigt und die Weiterqualifizierung der Mitarbeiter gesichert werden. Teil des Planes ist der Ausbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur für E-Autos. Anschieben wollen die Grünen innovative Existenzgründungen. Diese seien das „Lebenselixier“ einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Dazu soll nicht nur die Startphase erleichtert, sondern auch die Beratung und öffentliche Förderung darüber hinaus verbessert werden. Im zweiten Teil ihrer Klausur wollten sich die Grünen mit den gesellschaftlichen Folgen der Corona-Krise beschäftigen.

Die Fraktionsklausur der AfD war überschattet von massivem internem Streit. Die Abgeordneten konnten sich trotz mehrstündiger hitziger Debatte auf keine Tagesordnung für die Sitzung einigen. Die Klausur wurde deshalb zunächst ergebnislos abgebrochen. Hintergrund ist, dass eine Gruppe von zwölf der 20 Parlamentarier eine Abwahl des amtierenden Vorstands anstrebt, dies aus Satzungsgründen aber nicht durchsetzen kann. Ihre Änderungsanträge zur Klausurtagesordnung, die unter anderem auf personelle Veränderungen und neue Arbeitsstrukturen abzielten, wurden von Fraktionschef Ingo Hahn als Tagungsleiter aus formalen Gründen nicht zur Abstimmung gestellt.

Zoff bei der AfD

Christian Klingen, Mitglied der Zwölfer-Gruppe, warf dem Vorstand und seinen Anhängern „Wagenburgmentalität“ vor. „In einer demokratischen Fraktion darf nicht eine Minderheit von acht über eine Mehrheit von zwölf entscheiden“, erklärte er. Hahn wies die Vorwürfe zurück und verwies auf Kompromissvorschläge des Vorstands, die wiederum von der Zwölfer-Gruppe abgelehnt worden seien. Der Vorstand und seine Unterstützer setzten die Klausur anschließend alleine fort und verabschiedeten zwei Positionspapiere. In Sachen Corona wurde unter anderem ein Ende der allgemeinen Maskenpflicht und die Abkehr von einer Neuverschuldung des Freistaats gefordert. Zudem wurde eine restriktive Asyl- und Flüchtlingspolitik bekräftigt. In diesen Fragen gebe es innerhalb der Gesamtfraktion keinen Dissens, sagte Hahn.
(Jürgen Umlauft)

Fotos im Text (von oben): Auch die SPD mit ihrem Fraktionschef Horst Arnold traf sich im Maximilianeum. Die Grünen und ihre Vorsitzenden Katharina Schulze und Ludwig Hartmann besuchten unter anderem BMW.

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