Landtag

Derzeit gibt es Fixerstuben in sechs Bundesländern: Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. (Foto: dpa)

27.03.2015

Drogenkonsumräume: Reizthema für die CSU

Gesundheitsausschuss: Die meisten Drogentoten gibt es in Bayern – dennoch sperrt man sich gegen Fixerstuben

Für Bayern sind das keine rühmlichen Zahlen: Zum dritten Mal in Folge gab es hier 2014 mehr Drogentote als in jedem anderen Bundesland. Laut Spiegel Online starben im vergangenen Jahr 252 Menschen im Freistaat an den Folgen ihrer Rauschgiftsucht, 2011 waren es 177 Tote. Der Anstieg der Drogenopfer betrug also innerhalb von drei Jahren 42 Prozent.

Zahlen, die auch der Gesundheitsausschuss des Landtags kennt. Diese Woche befasste sich das Gremium mit dem Thema Suchtkrankenhilfe und Suchtprävention – konnte sich aber nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen, wie Bayern die Zahl der Drogenopfer senken kann. „Bayern liegt, was die Zahl der Drogentoten angeht, mit Abstand an der Spitze der Länder“, bedauerte Ausschusschefin Kathrin Sonnenholzner (SPD). Für Sonnenholzner, selbst Ärztin, den Rest der Landtagsopposition sowie Suchtexperten ist klar: Drogenkonsumräume können dazu beitragen, dass die Zahl der Drogentoten sinkt. Derzeit gibt es die so genannten Fixerstuben in sechs Bundesländern beziehungsweise 24 deutschen Städten: in Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland. Die Staatsregierung, forderte Sonnenholzner, „soll die Rechtsgrundlagen dafür schaffen, dass die bayerischen Städte Drogenkonsumräume einführen dürfen“. München und Nürnberg würden das sehr gern tun, doch den Städten sind die Hände gebunden, weil die Staatsregierung die dafür erforderliche Verordnung nicht erlässt.

FW: Alkohol trinkende Politiker sind kein Vorbild

In Drogenkonsumräumen erhalten Abhängige kostenlos steriles Spritzbesteck oder auch Pflaster und Einweghandschuhe. Mitgebrachte illegale Drogen wie Heroin werden geduldet. Das Personal weist zudem auf die Bedeutung von Hygienemaßnahmen wie das Desinfizieren der Einstichstelle hin.

Für die CSU sind Drogenkonsumräume ein rotes Tuch. Das wurde auch im Ausschuss wieder deutlich. „Wir sehen keine Veranlassung, die rechtlichen Voraussetzungen für Drogenkonsumräume zu schaffen“, erklärte Ministerialrat Georg Walzel vom bayerischen Gesundheitsministerium. Er stellte im Ausschuss einen Bericht über die Situation und mögliche Weiterentwicklung der bayerischen Suchtprävention vor. Der von den Abgeordneten gewünschte Bericht gibt auch einen Überblick über die Erfahrungen anderer Länder mit Drogenkonsumräumen. Ergebnis: In keinem einzigen Fall liegt eine negative Bilanz vor. Niedersachsen berichtet sogar, dass die Zahl der Drogentoten sank: Starben dort früher regelmäßig um die 30 Menschen im Jahr an den Folgen ihres Drogenkonsums, so waren es im Jahr 2013 nur noch 13.

Das sei noch lange kein Grund, Fixerstuben zu ermöglichen, befand Ausschussvize Bernhard Seidenath (CSU). Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Drogenkonsumräumen und sinkenden Todesfällen sei jedenfalls „nicht belegt“.

Da half es nichts, dass der Grüne Uli Leiner Fixerstuben als „Schutzräume“ für Abhängige pries und die Sturheit der CSU „furchtbar“ nannte. Selbst die sonst eher konservativen Freien Wähler befürworten Fixerstuben seit Langem – „aus humanitären Gründen“, wie der Oberpfälzer Abgeordnete Karl Vetter der Staatszeitung sagte.

Ungleich diskutierfreudiger zeigte sich die CSU im Ausschuss übrigens bei einem anderen Aspekt von Sucht: dem steigenden Alkoholkonsum. Die Bemerkung des Mediziners Karl Vetter, wonach biertrinkende Politiker auf Volksfesten „kein Vorbild“ für junge Menschen seien, sorgte für gewaltige Erregung bei den christsozialen Ausschussmitgliedern: Klaus Holetschek sorgte sich sogleich um die „Außendarstellung dieses wunderbaren Landes“, wenn Biertrinken den Nimbus des harmlosen Vergnügens verliere. Jürgen Baumgärtner wiederum fand es ehrlicher, beim Volksfest vor einer Maß zu sitzen, als Alkohol nur hinter verschlossenen Türen zu konsumieren. „Heimlich trinken ist nicht die Lösung.“ Und andere wie CSU-Veteran Thomas Goppel schüttelten ob der unerhörten Wortmeldung einfach nur genervt den Kopf. (Waltraud Taschner)

Kommentare (3)

  1. Zitrone am 08.04.2015
    Die grösste (ganzjährige) Drogenkonsumstube steht doch in München, heißt Hofbräuhaus und wird vom Bayerischen Finanzministerium betrieben. Und die Aschermittwoche in Passau wären doch mit alkofreien Getränken noch fader. Zum Wohl, oans, zwoa, gsuffa.!
  2. Mörnest am 28.03.2015
    Bushdoctor kann ich nur Beipflichten. Ich nenne so etwas auch Scheinheilige Doppelmoral. Ich empfinde das sogar als Ekelhaft. Wie kann man nur behaupten Biertrinken währe nicht schlimm und man müsse sogar das Aussenbild schützen. Liebe CSU, merkt ihr noch was? Die Aussenwirkung wird noch viel schlimmer wenn die anderen Länder auf Bayern blicken und Sachen sagen wie " Schaut auf dieses Bundesland, lauter Biertrinkende Ewiggestrige, die lieber dem Alkohol frönen, statt sich um ihre Kinderlein zu kümmern. Da werden Drogentote in Kauf genommen, nur weil man einer extrem veralteten Politik festhält. Die Represion ist gescheitert. Noch nie wurde dadurch der Konsum eingedämt. Welchen Beweis wollt ihr denn noch? Warum gibt es gerade in den Ländern mit der strengsten Auslegung des BtmG die meisten Drogentoten? Seid ihr damisch? Macht doch mal eure Augen auf, bei jeder Diskusion sagt ein CSUler, denkt doch an die Kinder, was wäre das für ein Signal und beim nächsten Volksfest stemmt eben dieser eine Maß nach der anderen. Zefix, was ist denn das für ein Signal? Klar schütteln die Bier Trinker ihre Köpfe, so wie Helmut Schmidt wenn er auf seinen Zigarettenkonsum abgesprochen wird/ wurde. Genauso reagieren Cannabiskonsumenten wenn ein CSUler sagt, mit dem verbot könne man die Kinder und Jugendlichen schützen. Sorry, aber das funktioniert nicht. Der Schwarzmarkt gibt nen Scheiss auf das Alter der Kunden. Trotzdem das es als Verbrechen geahndet wird. Woher kommen denn die ganzen Minderjährigen Süchtigen?
  3. Bushdoctor am 27.03.2015
    Die CSU wird wohl noch ein Weilchen brauchen, bis sie versteht, dass zwischen ihrer harten Linie in der "Drogenpolitik" und den höheren Todesfall-Zahlen eben doch ein Zusammenhang besteht. Das mit dem "Nimbus des harmlosen Vergnügens" eines Bierchens könnte einen fast zum Lachen bringen, wenn es einem am Ende freilich nicht doch im Hals stecken bleiben würde angesichts der krassen Doppelmoral und der Leichtigkeit mit der man Existenzen wegen ein paar Gramm Cannabis vernichtet und auch Tote in Kauf nimmt... "Wer denkt an die Kinder?" lautet doch immer die Vorhaltung gegenüber der berechtigten Forderung, über Alternativen zur repressiven Verbotspolitik nachzudenken... Leider denkt man bei der CSU wohl nicht an die Kinder, wenn man im Bierzelt den Alkoholkonsum verharmlost. Vorbilder zählen eben doch: Unbestreitbar hat es gefruchtet, dass im Fernsehen kaum mehr Szenen mit der Darstellung von Zigarettenkonsum gibt. Man konnte die Konsumzahlen bei Tabak auch senken ohne Millionen Tabakraucher ständig mit Gefängnis und Existenzvernichtung zu bedrohen! Warum sollte dies nicht auch bei Alkohol und Cannabis möglich sein?
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