Landtag

Rückgabe eines 2600 Jahre alten Tonziegelfragments, das ein deutscher Sammler in den 1970er-Jahren in Babylon gefunden und mit in die Heimat genommen hatte. (Foto: dpa)

15.07.2016

"Drohgesetz mit Beschwichtigungsklauseln"

Kunstausschuss: Fraktionsübergreifend herrscht Unzufriedenheit mit dem geplanten Kulturgutschutzgesetz des Bundes – befürchtet werden hohe Kosten und viel Bürokratie

Die Ausfuhr von deutschem Kulturgut soll stärker beschränkt sowie die Einfuhr von unrechtmäßigem Kulturgut besser kontrolliert werden. Doch über das Gesetz des Bundes sind alle Fraktionen im Landtag „unglücklich“ – selbst die am Gesetzgebungsprozess beteiligte CSU. Man befürchtet einen „Wust an Anträgen“. Und das für ein Gesetz „ohne Sinn und Verstand“, wie der Grüne Sepp Dürr meint.

Die Ziele wirken auf den ersten Blick hehr: Vor drei Wochen hat der Bundestag, am 8. Juli der Bundesrat das neue Kulturgutschutzgesetz verabschiedet. Damit soll gemäß EU-Recht und UNESCO-Standards die Ausfuhr von deutschem Kulturgut geschützt, die Rückgabe von unrechtmäßig erworbenem Kulturgut aus dem Ausland gefördert und der Handel mit illegalem Kulturgut verhindert werden – das betrifft aktuell vor allem die Einfuhr von Kunstraub aus bewaffneten Konflikten wie beispielsweise in Syrien. Dennoch hagelte es in den letzten Wochen Kritik für die Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU): Ehemalige Museumsdirektoren verfassten offene Protestbriefe, Künstler drohten ihre Werke aus den Museen abzuziehen, und Sammler sprachen von „Enteignung“. Der Kunstausschuss des Landtags bat die Staatsregierung daher um ein „Update“ zum aktuellen Stand des Gesetzes.

Laut Ministerialrat Burkhard von Urff vom bayerischen Kunstministerium werden zukünftig alle öffentlichen Sammlungen in deutschen Museen als „nationales Kulturgut“ unter Schutz gestellt – bei Leihgaben von lebenden Künstlern allerdings nur nach deren Zustimmung. Außerdem sei nach der Verabschiedung ab einem gewissen Wert und Alter nicht mehr nur bei einem Kunstexport außerhalb, sondern auch innerhalb der Europäischen Union eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich. „Aus Bayern ist aber noch nie ein Stück angehalten worden“, erklärte von Urff. Neu seien auch die Einfuhrkontrolle von Kulturgütern aus Drittstaaten, die Regelungen zur Sorgfaltspflicht für Privatsammler und Händler sowie Erleichterungen für ausländische Staaten, die ihr Kulturgut zurückhaben wollen. „Dadurch gibt es jetzt wahrscheinlich häufiger erfolgreiche Ansprüche“, ergänzte von Urff.

Ausnahmen für Münzen

Nach den Protesten ist Kulturstaatsministerin Grütters den Kritikern insoweit entgegengekommen, dass Münzen als „archäologisches Massenprodukt“ im Regelfall von den Vorschriften ausgenommen sind. Des Weiteren soll die Möglichkeit eines Negativtests kommen: „Sammler können sich dadurch bescheinigen lassen, dass ihre Stücke nicht wertvoll sind“, erläuterte von Urff. Dadurch könne proaktiv eine sichere Rechtslage geschaffen werden. Zusätzlich ist eine Laissez-passer-Regelung geplant: „Was nicht länger als zwei Jahre in der Bundesrepublik ist, kann auch wieder ausgeführt werden“, verdeutlichte der Ministerialrat. Nicht zuletzt gebe es eine Ankaufsregelung, wenn ein Kunstwerk als nationales Kulturgut in die Liste aufgenommen wird. Bund und Länder sind laut Gesetz aber nicht zum Kauf verpflichtet. Kritiker befürchten dadurch eine Zunahme der Privatisierungen.

„Auch wir sind über das Gesetz nicht glücklich“, unterstrich in der Aussprache Ausschussvize Oliver Jörg (CSU). In seinen Augen sind die Kriterien falsch aufgestellt, weil nicht nur die Werke des nationalen Interesses, sondern die der breiten Masse erfasst werden. Außerdem sorgt sich der Abgeordnete um die Verwaltungskosten: „Es wird einen Wust an Anträgen geben“, befürchtet er. Viele Dinge, die seine Partei auf Bundesebene noch versucht habe unterzubringen, hätten bisher keine Beachtung gefunden.

Einen bürokratischen Aufwand befürchtet auch die SPD-Fraktion – vor allem, da London das Zentrum des Kunsthandels ist und nach dem Brexit wohl künftig außerhalb der Europäischen Union liegen wird. Allerdings hätten die Bundesländer im Vorfeld die Gelegenheit gehabt, beim Gesetz nachzuarbeiten. „Warum hat der Freistaat Bayern an dieser Stelle keine Einwände vorbgebracht, sondern mit Mehrheit der Bundesländer für die Verabschiedung gestimmt?“, fragte Georg Rosenthal (SPD). Verärgerung und Verängstigung seien schlechte Begleiter bei einem auf einen Interessensausgleich ausgelegten Gesetz.

Die Grünen verstehen ebenfalls nicht, warum die Staatsregierung einem Gesetz zustimmt, das „ohne Sinn und Verstand“ sowie bei Schutz und Rückholung eine „absolute Nullnummer“ ist. „Die Einfuhr von Raubkunst aus Weltkulturerbestätten wird davon nur zum Teil oder gar nicht erfasst“, klagte Sepp Dürr (Grüne). Wenn verhindert hätte werden sollen, dass Kunst zum Wertobjekt wird, hätte man Privatisierungen untersagen müssen. Das auf Freiwilligkeit basierte Ankaufsrecht nannte er ein „stumpfes Schwert“. „Was haben wir mit diesem Kunstmarktdrohgesetz mit Beschwichtigungsklauseln gewonnen?“, fragte Dürr.

Das Gesetz sei eben ein Kompromiss, verteidigte Ministerialrat von Urff das Ressort von Ludwig Spaenle (CSU). Wie hoch der Verwaltungsaufwand wird, wüsste er auch gern. Grund: „Die Prüfungsgesuche für den Negativtest landen auf meinem Schreibtisch.“ Er habe sich extra schon eine Ecke dafür freigeräumt. Genaue Aussagen über den Arbeitsaufwand seien zum jetzigen Zeitpunkt allerdings „Kaffeesatzleserei“.

„Keiner ist glücklich mit dem Gesetz“, resümierte Ausschusschef Michael Piazolo (Freie Wähler) und wunderte sich, wer im Bundestag die treibende Kraft dahinter war. Das Gesetz wird wohl trotzdem noch in diesem Monat in Kraft treten. „Ich hoffe, dass das freigeräumte Eck auf Ihrem Schreibtisch nicht zu weit zuwächst“, sagte er resignierend in Richtung von Urff. In zwei Jahren soll das Gesetz evaluiert werden. (David Lohmann)

Kommentare (1)

  1. Isargold am 16.07.2016
    Lieber Leser gucken Sie doch bitte in die Werke des “Exzellenz“gesetzgebers, dessen Satiren sind viel schlimmer als von irgendwelchen Satirikern. Durch das Kulturgutschutzgesetz wurde das Sammeln und Besitzen von Antiken Artefakten zu einer Straftat.
    http://dip21.bundestag.de...

    Es gibt im Gesetzestext eine Beweislastumkehr, eine Androhung von 3, 5 und 10 Jahren Haft, eine 75 jährige Verjährungsfirst, eine Wertgrenze bei archäologischen Funden von 0 Euro.

    Ja, hat sich der „Exzellenz“gesetzgeber m.E. einen Knaller geleistet. Zudem hat er eine Unzahl von ausländischen Gesetzen für in Deutschland rechtswirksam erklärt, die bisher niemand kennt denn sonst hätte der Bundesrat nicht schreiben müssen: Zitat „8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, zum Inkrafttreten des KGSG die jeweiligen Vorschriften der ausländischen Staaten zur Ausfuhr von Kulturgütern in deutscher Sprache in ein öffentlich zugängliches Internetportal einzustellen.“
    Ja was haben sie denn da beschlossen unsere Parlamentarier? Sie wissen es nicht!
    http://www.bundesrat.de/S...
    Hilfe! Hilfe! Ruft der Bürger
    Sollte der Antikensammler seine Sammlung ins Ausland schaffen, oder gar vernichten bevor das Gesetz in Kraft tritt? Denn das Vernichten ist dann auch verboten.
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