Landtag

Gleichgeschlechtliche Liebe: Sie ist in manchen Teilen der Gesellschaft leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. (Foto: DAPD)

21.10.2011

Homophobie hat eine lange Geschichte

Grüne diskutieren über „Verbotene Liebe: Ein Leben in Angst“ – Schwule und Lesben berichten über ihre Erfahrungen

Der hübsche junge Mann am Münchner Stachus trug einen Strohhut auf dem Kopf. Erich Haas war hingerissen, nahm seinen Mut zusammen und fragte den Schönen, ob der wohl mit ihm ins Kino gehen würde. „Wir gingen und mein Klaus und ich blieben für 40 Jahre ein Paar“, erzählte er den Teilnehmern am Fachgespräch „Verbotene Liebe: Ein Leben in Angst“. Der heute 92-Jährige erzählte von der Beziehung seines Lebens und davon, wie die bayerischen Behörden gegen diese vorgingen. Ende der 1950er Jahre ist Haas nach dem berüchtigten Paragrafen 175 Strafgesetzbuch (siehe Infokasten) verurteilt worden. Vorwurf: sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts.
Sowohl dem ehemaligen Direktor des Münchner Hotels Bayerischer Hof als auch der zweiten Referentin des Abends – die Journalistin Lilian Ikulumet – ist es gelungen, die fortdauernde Diskriminierung von Homosexuellen anschaulich und exemplarisch zu schildern. Dazu wählten sie gegensätzliche Wege: Haas erzählte aus seiner eigenen Erfahrung; Ikulumet vermittelte die Perspektive der homosexuellen Gemeinde in ihrem Heimatland Uganda.
Dass die eindrücklichen Berichte der beiden tatsächlich im Mittelpunkt des Abends standen, war auch der gleichstellungspolitischen Sprecherin der Grünen Claudia Stamm geschuldet. Für eine Politikerin hielt sie sich bemerkenswert zurück, lieferte Daten und Fakten und sprang als Übersetzerin für Ikulumet ein. Ihre wenigen parteipolitischen Äußerungen konzentrierte sie auf aktuelle Initiativen wie die des menschenrechtspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion Volker Beck: „Er fordert Entschädigungen für die nach 1945 in Deutschland wegen homosexueller Handlungen Verurteilten“, sagte Stamm. Die finanziellen Forderungen variierten von 5000 bis 75 000 Euro. Allerdings gebe es bislang im Bundestag keine Mehrheit für diesen Vorstoß. Außer Union und Liberalen würden ihn auch die Sozialdemokraten nicht unterstützen.
Wie wichtig vor allem die symbolische Strahlkraft einer Entschädigung wäre, verdeutlicht das Beispiel Haas’: Nachdem er nach dem berüchtigten Paragrafen angeklagt und ein paar Tage inhaftiert worden war, musste er sich ein Mal in der Woche bei der Polizei melden. Sein Pass blieb beschlagnahmt, weil der Haftrichter Fluchtgefahr witterte: Haas hatte ein Angebot bekommen, ein renommiertes Hotel in der Schweiz zu leiten. Diese Stelle verlor er, weil er nicht ausreisen durfte. Bitterkeit ist dem Grandseigneur fremd: Bei seinen Kollegen und innerhalb seiner Familie war seine Beziehung, die er als Lebensbund bezeichnet, respektiert.
Letzteres ist bei der Journalistin Lilian Ikulumet nicht so. Seit ihrem Coming-out mit zwölf Jahren hat sie keinen Kontakt zu ihrer Familie, wie sie erzählte: „Wer in Uganda homosexuell ist, wird oft von der Familie verstoßen. Manche verlieren ihre Arbeit.“ Einige wie Ikulumet selber werden sogar mit dem Tod bedroht. Weil sich die 31-Jährige in ihrer Heimat nicht mehr frei bewegen konnte, suchte sie Asyl in Deutschland. Seit Anfang des Jahres hat sie es.
Im Rahmen ihrer Vorträge klärt sie darüber auf, dass Homosexuelle in Uganda akut in Lebensgefahr schweben. Es sei wiederholt in Medien zu Mordaufrufen gegen Schwule und Lesben gekommen. Angefeuert würden sie von erzkonservativen Religionsgemeinschaften. Ikulumet selbst kannte einen Schwulen, der im Gefängnis an den Folgen massiver Vergewaltigungen gestorben ist. „In Uganda zieht niemand die Täter zur Verantwortung“, resümierte sie. Für die Zukunft sieht sie allerdings einen Lichtblick: Die internationale Staatengemeinschaft müsse Rechte für Homosexuelle in Uganda fordern. Ikulumet: „Denn unser Präsident fürchtet nichts mehr, als die Hilfsprogramme aus dem Ausland zu verlieren.“ (Alexandra Kournioti)

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