Landtag

Stephan Albrecht aus Landsberg erkämpfte sich im Dezember 2011 das Recht, seine Zeitung „Bazillus“ auf dem Schulhof verteilen zu dürfen. (Foto: DPA)

02.11.2012

"Ich musste erst den Freistaat verklagen"

Runder Tisch: Die Grünenfraktion lud aktive und ehemalige Schülerzeitungsredakteure zum Erfahrungsaustausch über Zensur an bayerischen Schulen

Ein Artikel über häufigen Stundenausfall, ein wenig schmeichelhafter Bericht über die letzte Klassenfahrt oder Klagen über eine zu starke Einflussnahme der Lehrer auf die Schülermitverwaltung – da zückt so mancher Schuldirektor den Rotstift. Eine Studie der Jungen Presse Bayern  ergab im Frühjahr 2012: Über ein Drittel der bayerischen Schülerzeitungen würden zensiert. Für die Grünen Anlass, einen Gesetzentwurf in den Bayerischen Landtag einzubringen (siehe Infokasten).
Um von Redakteuren aus erster Hand zu erfahren, wie es um die Pressefreiheit an bayerischen Schulen steht, luden die Grünen  zum runden Tisch „Die Rolle der Schülerzeitung in der demokratischen Schule“. Und dabei ergab sich für den schulpolitischen Sprecher der Fraktion, Thomas Gehring, ein durchaus ambivalentes Bild. Denn während manche Schüler von Zensur „mit dem Rotstift“ berichteten, erklärten andere: „Wir wurden bislang noch nie zensiert.“
„Ich musste im vergangenen Dezember den Freistaat verklagen“ – mit diesen Worten stellte sich Stephan Albrecht, ehemaliger Chef-redakteur der Schülerzeitung Bazillus am Ignaz-Kögler-Gymnasium in Landsberg, vor. Im vergangenen Jahr hatte Stephans Direktorin – mit dem Kultusministerium im Rücken – die Verteilung von Bazillus verboten. Die Begründung: Es gebe bereits eine andere Schülerzeitung, eine zweite dürfe  nicht erscheinen. Doch Stephan zog vors Verwaltungsgericht in München und setzte sich durch.

"Es gibt Schulleitungen, die eiskalt das Gesetz brechen"

Damals hatte sich der heute 13-Jährige auch an die Junge Presse Bayern (JPB) gewandt. Roman Kindl, Mitglied des JPB-Vorstands berichtete im Landtag: „Es gibt Schulleitungen, die  eiskalt das Gesetz brechen.“ Doch die wenigsten Schülerzeitungsredakteure würden die Justiz einbinden – oftmals aus Angst, manches Mal aber auch aus Unkenntnis. Die Hälfte aller Schülerzeitungsredaktionen im Freistaat würde ihr Recht nicht nutzen, sich unter das bayerische Pressegesetz zu stellen (siehe Infokasten). Auch weil die Rektoren darin einen Affront sehen könnten, so der 21-Jährige.
Das bestätigte Veronika Dudek aus Gars am Inn. „Unsere Zeitung untersteht dem Schulleiter – auch weil man keinen Ärger  möchte.“ Die Konsequenz: Artikel würden im Kassiber schon mal um die Hälfte gekürzt – vom Rektor persönlich. „Ich fühle mich in meinen demokratischen Rechten eingeschränkt“, klagte die 16-Jährige, die auch im Vorstand der LandesschülerInnenvereinigung sitzt. „Denn ich denke schon beim Schreiben daran, was zensiert werden könnte.“
Ganz anders dagegen die Erfahrungen der Redaktionsmitglieder von Flamingu am Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching. Auch sie unterstehen der Schule, sehen darin aber einen handfesten Vorteil: „So können wir den Direktor auch mal um 500 Euro anhauen, wenn nötig.“ Zensur dagegen hätten sie noch nicht erlebt.
„Ich würde mich immer unter das Pressegesetz stellen, denn auch das beste Verhältnis zur Schulleitung kann sich verschlechtern“, riet Spiegelonline-Redakteur Stefan Kuzmany den jungen Kollegen, deren Diskussion er aufmerksam verfolgte. Der ehemalige taz-Journalist war selbst Chefredakteur einer Schülerzeitung: des Sparifankerls in Fürstenfeldbruck.
Der grüne Politiker Gehring fühlte sich am Ende von der Notwendigkeit überzeugt, per Gesetzesänderung  künftig alle Schülerzeitungen dem Pressegesetz zu unterstellen. Mit einer Schülerzeitung müsse man aber immer auch bei der Schulleitung anecken, gab Kuzmany zu bedenken. „Denn wenn ihr Grenzen kennenlernt, wisst ihr später auch, wie ihr die durchbrechen könnt.“ Es werde immer Leute geben, die Druck ausüben, prophezeite Kuzmany. „Wenn auch nicht immer mit so plumpen Versuchen, wie kürzlich geschehen.“ (Angelika Kahl)

Info: Pressefreiheit an der Schule – Gesetzentwurf der Grünen

Seit dem Schuljahr 2006/2007 können Schülerinnen und Schüler in Bayern wählen, ob sie die Schülerzeitung eigenverantwortlich unter dem Bayerischen Pressegesetz (BayPRG) erscheinen lassen oder unter der Verantwortung der Schulleitung. Zuvor war grundsätzlich die Zustimmung des Direktorats erforderlich.
Artikel 63 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) regelt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Schülerzeitungen im Freistaat. Sofern die Schülerzeitung auf dem Schulgelände verteilt werden soll, ist dem Schulleiter vorab ein Exemplar zur Kenntnis zu geben. Auch wenn sie als Druckwerk im Sinne des BayPrG erscheint. Der Schulleiter kann „Einwendungen“ erheben (Absatz 4). Doch was genau solche Einwendungen sind, regelt das Gesetz nicht, moniert etwa die Junge Presse Bayerns. Sie befürchtet hier eine „indirekte Zensur durch die Schulleitung“.
Im Landtag wird aktuell ein Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion zur Änderung des BayEug debattiert – darin ist Absatz 4 gestrichen. Die Schulleitung soll nur dann ein Einspruchsrecht haben, wenn Inhalte das Recht der persönlichen Ehre verletzen oder in anderer Weise gegen Rechtsvorschriften verstoßen.
Weitere Änderungen: Schülerzeitungen sollen künftig automatisch schulleitungsunabhängig dem Bayerischen Pressegesetz unterstehen. Die Redaktion „darf sich“ eine Lehrkraft wählen, die sie „pädagogisch betreut“. (aka)

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