Landtag

12.11.2010

„Integration ist kein Almosen“

Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky ist für Zuwanderung mit Bedingungen

Wie stellt sich der durchschnittliche deutsche Bürger Neukölln in Berlin vor? Heinz Buschkowsky, Deutschlands bekanntester Bezirksbürgermeister, hat eine Ahnung, wie „sein Stadtteil“ in den Köpfen der Mehrheit aussieht: „Die meisten denken doch, die Menschen leben bei uns in Schützengräben und gehen mit Stahlhelmen auf den Köpfen zur Arbeit“, sagte der 62-Jährige mit der durchdringenden Berliner Schnauze im Rahmen des Adademiegesprächs. Das veranstaltet der bayerische Landtag in Kooperation mit der Tutzinger Akademie für politische Bildung regelmäßig. Buschkowsky referierte im vollen Senatssaal über „Integration vor Ort. Konkrete Herausforderungen“.
Kindergartenpflicht
ab einem Jahr
So viel vorweg: Der streitbare Sozialdemokrat ist ein Rhetoriker der anschaulich-drastischen Schule, ohne Furcht vor Kalauern und mit autoritären Thesen. Politische Korrektheit hält er für „eine Ausrede, um nichts tun zu müssen“. Zudem ist Buschkowsky ein Befürworter des Sanktionsrechts, beispielsweise bei Intensivtätern oder Eltern, die ihre Erziehungspflicht grob vernachlässigen.
Nichtsdestoweniger wehrt sich der 62-Jährige gegen das Image seines Geburtsorts als Rüpel- und Versager-Hochburg: Kriminelle ausländische Jugendliche, die die Rütli-Schule schwänzen und ihre Mitbürger „abziehen“: Das ist das in den Medien kolportierte Bild eines so genannten Problemviertels, das scheinbar an der Integration seiner Zuwanderer gescheitert ist. „Wer das glaubt, ist bezahlten Provokateuren aufgesessen“, sagte Buschkowsky kämpferisch. Es gebe unzählige Geschichten gelungener Integration.
Dabei verkennt er die Sozialdaten seines Bezirks nicht: 40 Prozent der Zuwandererkinder sprechen bei der Einschulung kein Deutsch. Ihre Zähne sind großteils in katastrophalem Zustand. Etwa 90 Prozent der Arbeitssuchenden unter 25 Jahren – darunter viele Migranten – sind nicht ausbildungsfähig. Von einst 48 ist die Zahl der ausländischen Intensivtäter in Neukölln auf 200 gestiegen. „Das ist zwar zahlenmäßig ein Fliegenklecks in der Landschaft. Für den Sozialraum ist es dennoch tödlich“, sagte Buschkowsky. Weil es schnell heiße: „Ich bin von einem Araber geschlagen worden.“ Kriminalität werde oft ethnisiert und generalisiert. Auch die Angehörigen der Opfer trügen dazu bei, „ein Stück Stammtisch zu schaffen“.
Buschkowsky glaubt an die Möglichkeit von Integration – unter Voraussetzungen. Darin stimmt er mit Akademie-Direktor Heinrich Oberreuter überein. Bildung ist für Buschkowsky das A und O für das Miteinander: „Wenn ich Analphabeten anwerbe, darf ich mich nicht wundern, wenn sie ihren Kindern nicht bei Pythagoras helfen können“, formulierte er unbeeindruckt vom Raunen der Zuhörer.
Buschkowsky fordert die Kindergartenpflicht ab einem Jahr. Einwände, dies könnte verfassungswidrig sein, weil ins Elternrecht eingegriffen werde, bügelt er ab: „Nur Eltern glauben, dass ihre Kinder am liebsten mit ihnen spielen.“ Erziehungsberechtigten, die nicht dafür sorgen, dass ihre Kinder zur Schule gehen, würde er gerne das Kindergeld streichen. Schon jetzt lässt er Neuköllner Schulschwänzer - selbstredend auch deutsche - von der Polizei abholen; Bildungseinrichtungen werden von Sicherheitsdiensten überwacht. Die beabsichtigte Botschaft laute: „Wer die Regeln verletzt, bekommt Ärger.“
Buschkowsky bewertet derlei Mittel als Wegbereiter der Integration. Letztere sei „kein Almosen, sondern überlebenswichtig“. Nur mehr gut ausgebildete Zuwanderer könnten in Zeiten des demografischen Wandels dazu beitragen, Deutschlands Bruttoinlandsprodukt zu sichern.(Alexandra Kournioti)

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