Die Bayern leben immer länger, jeder zweite Senior ist gesund. Aber Diabetes, Demenz, Impfmüdigkeit und verunreinigte Medikamente bereiten Experten Sorgen. Für einen besseren Schutz der Bürger setzt das LGL auf eine Infektiologie-Task-Force, Schuleingangsuntersuchungen und eine Antibiotikaresistenz-Datenbank.
Den Bayern geht es gut. Jedes Jahr steigt die Lebenserwartung um zwei Monate. Aktuell werden Männer im Schnitt 79,1 Jahre, Frauen sogar 83,6 Jahre. „Jeder zweite über 65 Jahren fühlt sich gesund“, sagte Andreas Zapf, Präsident des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) im Gesundheitsausschuss des Landtags. Ein Grund dafür sei die rückläufige Raucherquote in Bayern. Nur noch 28 Prozent der Männer und 22 Prozent der Frauen rauchen – ein Rückgang um rund acht Prozent in zehn Jahren. Doch manche Entwicklungen bereiten Zapf auch Sorgen.
Aktuell leiden im Freistaat 240 000 Menschen über 65 Jahren am Demenz. Bei den über 90-Jährigen ist es fast jeder Zweite. Hoffnungsschimmer: Laut Studien steigt die Zahl der Erkrankten nicht ganz so schnell wie die Lebenserwartung. „Möglicherweise hängt Demenz und Lebensstil doch zusammen“, erläuterte Zapf. Ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung könnten also präventiv wirken. Ein weiteres Problem ist Diabetes. Über eine Million Menschen in Bayern leiden unter der Zuckerkrankheit – vor allem im Nordosten des Freistaats.
Um Masern auszurotten, darf laut Weltgesundheitsorganisation pro Jahr nur ein Mensch pro einer Million Bürger an der Infektion erkranken – in Bayern wären das 13 Personen. 2018 wurden im Freistaat aber 108 Masernfälle gemeldet. Viel zu viel, um Masern den Garaus zu machen. „Das zeigt, wie wichtig weitere Anstrengungen sind“, betonte Zapf. Bayern liege auch im Vergleich mit anderen Bundesländern leicht unter dem bundesweiten Durchschnitt – würde aber aufholen.
Insbesondere im Sommer ein Problem sind Zecken. Das LGL meldet über 130 000 Fälle der Hirnentzündung FSME und der Infektionskrankheit Lyme-Borreliose – das ist Rekord. „Die Gesamtzahlen sind in den letzten fünf, sechs Jahren kontinuierlich angestiegen“, klagte Zapf. Und dass, obwohl es eine Impfung gegen FSME gibt. Er rief daher vor allem die Menschen im stark betroffenen Nordosten Bayerns auf, vorzusorgen. Die Impfung würde fast in allen Regionen von den Krankenkassen bezahlt.
LGL-Chef Zapf kritisiert die anderen Bundesländer
Vorsichtig sollten Verbraucher auch im Umgang mit Medikamenten sein – insbesondere bei Blutdrucksenkern. Das LGL hat letztes Jahr 1410 Untersuchungen durchgeführt und dabei in 143 Fällen zu hohe Grenzwerte bei Nitrosaminen entdeckt. Das sind krebserregende Substanzen, die auch in Zigaretten oder Grillfleisch vorkommen. Die vom Markt genommenen Blutdrucksenker stammten von unterschiedlichen Herstellern – aber alle bezogen ihre Grundstoffe von denselben Vorproduzenten in Indien und China. Zapf rief die Unternehmen auf, ihr Überwachungssystem zu verbessern und „peinlichst genau“ einzuhalten.
Damit keine Krankheiten nach Bayern eingeschleppt oder sich vom Freistaat aus in der Welt verbreiten, gibt es am LGL die Task-Force Infektiologie. Sie arbeitet mit Epidemiologen, Fachärzten und einem Team für biologisches Krisenmanagement zusammen, um die Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten zu verhindern. Laut Zapf mit Erfolg: Von April 2018 bis Mai 2019 wurde am Münchner Flughafen 132 Mal Alarm geschlagen. Von Masern, Tuberkulose, dem West-Nil-Virus und einem Verdachtsfall auf Lassa-Fieber war alles dabei. Alle Passagiere von betroffenen Flügen wurden nach der Landung untersucht.
Zukünftig will das LGL verstärkt Antibiotikaresistenzen bekämpfen, weil Bakterien durch den häufigen Einsatz des Antibiotikums immer widerstandsfähiger werden. Bis zum Herbst soll es eine Datenbank geben, um mehr über die Resistenzsituation in den bayerischen Regionen zu erfahren. Das helfe auch Ärzten bei der Verschreibung. Außerdem soll die Schuleingangsuntersuchung bayernweit auf das Alter von vier bis fünf Jahre vorverlegt werden. Dadurch gebe es mehr Zeit für Gesundheitstests, Nachuntersuchungen und Fördermaßnahmen. Nicht zuletzt sollen durch „Next Generation Sequencing“, Zapf vergleicht das mit dem DNA-Verfahren der Polizei, Legionelleninfektionen häufiger verhindert werden.
Beim LGL-Chef Zapf, der während der Bayern-Ei-Affäre stark unter Beschuss stand, schien sich einiges angestaut zu haben: Ohne angegriffen worden zu sein, verteidigte er sich zum Schluss. „Wer nichts sucht, der findet auch nichts“, kritisierte er die Behörden in anderen Bundesländern. „Und wer viel untersucht und viel findet, der steht am Ende dumm da.“
In der Aussprache kritisierten die Grünen das LGL für den angeblich zu laxen Umgang mit verseuchtem Trinkwasser in Altötting. Laut deren Abgeordnetem Andreas Krahl kommt es bei Fischen in der Alz vermehrt zu tumorartigen Geschwülsten. Ruth Waldmann (SPD) hatte Bedenken, ob die sensiblen Daten von Krebspatienten bei einer staatlichen Behörde wie dem LGL wirklich gut aufgehoben sind. Die CSU aber lobte die Arbeit des LGL. Deren Abgeordnete Barbara Becker gefiel besonders, dass das LGL bei der Krankheitsprävention nicht nur auf die Gesundheit der Menschen, sondern auch die der Tiere und den Umweltschutz achte, der „One-Health-Ansatz“. (David Lohmann)
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