Landtag

Sogar zur Wahl radeln die Bayern. (Foto: dpa)

16.10.2014

Landtag entdeckt Liebe zum Fahrrad

Der Zweiradboom sollte Folgen für die bayerische Verkehrspolitik haben

In den kommenden Jahren werden immer mehr bayerische Bürger aufs Fahrrad steigen, glauben Experten. Der seit Jahren anhaltende Zweiradboom wird sich nach Einschätzung der Fachleute von Fahrradbranche, Wissenschaft, Kommunen und Polizei fortsetzen. Die Verkaufszahlen für Elektroräder könnten sich verdoppeln. Bei einer Landtagsanhörung forderten Fachleute am Donnerstag eine bessere Förderung des Radverkehrs und eine bessere Verkehrsplanung.  

Auch die einst autolastige CSU wird fahrradfreundlicher: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fährt bei Gelegenheit gern Rad und hat inzwischen sogar ein Sachgebiet Radverkehr in seinem Ressort gegründet. Der ehemalige Parteichef und heutige Wirtschaftsexperte Erwin Huber outete sich bei der Anhörung als schneller Rennradler: "Wenn ich durch die niederbayerischen Hügel jage, schaffe ich noch Tempo 28." Und Ministerpräsident Horst Seehofer schwärmte in den Sommerferien von seinem neuen Elektrorad.  

Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 450.000 E-Bikes verkauft. "Wir gehen davon aus, dass die E-Bike Stückzahlen auf 600.000 bis 800.000 steigen können", sagte Georg Honkomp, Chef der Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft (ZEG), der sehr viele Radhändler angehören. In Bayern macht der Radverkehr nach Schätzung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) derzeit etwa 11 Prozent des innerstädtischen Verkehrs aus. Das könnte bis 2020 auf 20 Prozent steigen, sagte ADFC-Landesvorsitzender Armin Falkenhain. "Wenn es gut gemacht ist, können bis zu 50 Prozent aller Wege nicht-motorisiert stattfinden", sagte Professor Gebhard Wulfhorst von der TU München.

"Gut gemacht" allerdings würde nach Einschätzung der Fachleute bedeuten, dass Radwege, Verkehrsführung, Rad-Parkplätze und die Mitnahmemöglichkeiten für Zweiräder im öffentlichen Nahverkehr verbessert werden müssten. Barbara Wilfurth, Präsidentin des Bayerischen Radsportverbands, forderte eine Aufhebung der Benutzungspflicht für Radwege: "Das ist so ungefähr das Wichtigste, was es gibt."  

Wilfurth ist die Organisatorin der größten bayerischen Radsportveranstaltung: Der Arber-Radmarathon durch die Oberfalz und den Bayerischen Wald zieht alljährlich 7000 Teilnehmer an. Ihr Argument: Radwege seien unfallträchtig. Die SPD teilt diese Forderung: "Besonders an Kreuzungen mit Radwegen gibt es immer wieder tödliche Zusammenstöße mit Pkw und Lkw", sagte der Abgeordnete Bernd Roos.  

Doch auch ohne bessere Infrastruktur wird es künftig mehr Radler in Bayern geben, glauben die deutschen Versicherungen. Die Branche betrachtet eine Folge dieser Entwicklung mit Sorge: "Durch mehr Fahrradfahrer kommt es zu mehr Konflikten im Straßenverkehr", sagte Jörg Ortlepp, Leiter der Unfallforschung bei den Versicherern. "Wenn man den Radverkehr von 10 auf 20 Prozent steigern will, muss man anfangen, die gesamte Infrastruktur umzudenken." Das bedeutet nach Ortlepps Einschätzung auch  Lernbedarf für diejenigen, die nicht aufs Rad umsteigen: "Autofahrer müssen darauf aufmerksam gemacht werden, wo Radfahrer unterwegs sind - nämlich überall." (Carsten Hoefer, dpa)

Kommentare (2)

  1. SoRoom.de am 10.11.2014
    Hallo,
    schöner Artikel. Ich bzw. meine Familie fährt auch gern Fahrrad
  2. Ferenc am 17.10.2014
    Was helfen all die Lippenbekenntnisse?

    Vor Ort machen die Verkehrsbehörden weiterhin, was sie wollen, und das ist autolastige Politik. Vom politischen Vorzeichen ist das weitgehend unabhängig - Beispiel Region Bamberg:

    In der kreisfreien Stadt Bamberg stellt die SPD den Oberbürgermeister, die CSU die stärkste Fraktion im Rat. Die Ratsmehrheit bildet eine de-facto-Koalition aus CSU, SPD, BuB (Bambergs unabhängige Bürger, eine CSU-Abspaltung) und FDP. Verbal betont man, fahrradfreudliche Stadt zu sein, real dient nahezu alles, was im Bereich Radverkehr gemacht wird, dem ungehinderten Autoverkehr. Nicht eine Radverkehrsanlage erfüllt auch nur annähernd die rechtlichen und fachlichen Kriterien, doch Benutzungspflicht wird nur aufgehoben, wenn wirklich kein Gegen"argument" mehr haltbar ist. So wurde sie nach vielen unfallfreien Jahren auf Radwegen von deutlich unter einem Meter Breite neben ebenso schmalen Gehwegen wieder angeordnet, weil die dort um gut einem Meter vorgezogene Haltelinie an der Kreuzung einen Räumzeitgewinn von rund 0,3 Sekunden bringen soll. Zur Erinnerung: Benutzungspflicht ist nur zulässig, wenn sie eine nachzuweisende, das normale Maß erheblich übersteigende Gefahrenlage nachweislich entschärft und (!) der Radweg definierten Mindestkriterien entspricht.

    Nicht anders im Landkreis Bamberg: Landrat CSU, CSU stellt stärkste Fraktion, Kreis ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreudlicher Kommunen. Abgesehen von einigen Freizeitrouten, ist die Radverkehrsinfrastruktur katastrophal, ignoriert weitgehend die einschlägigen Regelwerke. Die Verkehrsabteilung des Landratsamtes verteidigt 70 cm breite, benutzungspflichtige Radwege zwischen Parkstreifen und 20 cm Restgehwegbreite. Radfahrer seien auf eigene Wege zu verweisen, weil sie durch ihre unsichere Fahrweise nicht nur sich, sondern auch andere gefährdeten - so einer der dort Verantwortlichen in klarem Widerspruch zu Fakten- und Rechtslage.

    Die größte Stadt des Landkreises, Hallstadt, verhält sich gleichermaßen, ob vor der letzten Wahl durch einen von der SPD oder seitdem den von der CSU gestellten 1. Bürgermeister. Schwer zu umfahrende Umlaufsperren im Verlauf ausgewiesener Fahrradrouten, neu gebaute 90-cm-Radwege und anderes mehr. Die Reihe wäre beliebig verlängerbar.

    Und die Kommunalaufsicht? Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Ob Landratsamt und Bezirksregierung (kreisangehörige Gemeinden) oder Bezirksregierung und Innenministerium (kreisfreie Stadt): Nach dem Prinzip des Nachtwächterstaats lassen sie vor Ort agieren, wie es dort beliebt. Recht und Gesetz?
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