Landtag

Für einige Kinder war der Aufenthalt in Kinderkurheimen ein Martyrium. (Symbolfoto: dpa/Nicolas Armer)

22.02.2021

Missstände in früheren Kinderkurheimen sollen aufgeklärt werden

Es sollte eine Art Urlaub sein: Zur Erholung oder Genesung wurden Kinder von den 1950er bis in die 1980er Jahre in Kurheime geschickt, viele davon in Bayern. Doch für manche war der Aufenthalt traumatisch. Jetzt soll aufgearbeitet werden, was damals geschah

Die oppositionelle SPD will eine Untersuchung der Vorgänge in bayerischen Kinderholungsheimen zwischen 1950 und 1980 voranbringen. Ein entsprechender Antrag solle am Donnerstag im Sozialausschuss des Landtags behandelt werden, sagte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion und Ausschussvorsitzende, Doris Rauscher, am Montag in München. Manche litten bis heute unter ihren Erfahrungen bei den ursprünglich zur Erholung gedachten Aufenthalten.

Obwohl sich in Bayern ein Viertel der Kurheime befunden habe, sei wenig darüber bekannt, wie viele Kinder dort waren und wer für mögliche Misshandlungen verantwortlich war, sagte Rauscher. Die Staatsregierung solle deshalb eine unabhängige wissenschaftliche Untersuchung beauftragen. Das Leid von damals müsse anerkannt werden.

Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) sagte dazu, aufgrund der bundesweiten Geschehnisse hätten sich die Länder bereits auf eine gemeinsame Vorgehensweise geeinigt und den Bund um die Erteilung eines entsprechenden Forschungsauftrages gebeten. Dabei sollten die Zahl der Betroffenen ebenso wie die institutionellen und strukturellen Rahmenbedingungen umfassend aufgeklärt werden. "Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass die Geschehnisse in den Kinderkur- beziehungsweise Kindererholungsheimen unter Einbeziehung aller relevanten Akteure aufgearbeitet werden", sagte Trautner.

Es soll sogar Todesfälle gegeben haben

Laut Ministerium unterstützt die Staatsregierung die Aufarbeitung auch auf Landesebene. Das Ministerium habe die zuständigen Behörden frühzeitig aufgefordert, noch vorhandene Akten zu dieser Thematik zu sichern. Mit einer Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder bestehe eine Struktur zur Unterstützung der Betroffenen.
Berichten zufolge wurden Kinder teils zum Essen gezwungen, mussten manchmal sogar Erbrochenes wieder essen; sie wurden teils geschlagen oder gedemütigt. Es soll sogar Todesfälle gegeben haben. Manche Kinder seien erst zwei Jahre alt gewesen.

Die "Verschickung" sei als eine Art Urlaub gepriesen worden, doch die Realität sei teils eine andere gewesen, berichten Betroffene. "Wir waren immer in einer Atmosphäre der Angst", sagte Hilde Haushofer, die als Elfjährige ins Berchtesgadener Land geschickt wurde. Man habe nachts nicht zur Toilette gehen dürfen. Briefe an die Eltern seien zensiert worden. "Es war verboten, das Wort Heimweh zu benutzten."

Ingrid Runde, Mitglied der Initiative Verschickungskinder Bayern, die 1960 als Zehnjährige für sechs Wochen von Hamburg nach Bayern kam, weil sie angeblich zu dünn war und deshalb essen musste, berichtete, am Ende der Kur sei sie krank geworden und habe nur noch erbrochen.

Die Kuren wurden von Ärzten verschrieben und von der Kranken- oder Rentenversicherung finanziert. Einer Erhebung zufolge waren 1964 in Bayern rund 13 500 Kinder in etwa 215 Heimen untergebracht, bundesweit waren etwa 71 500 Kinder in 850 Heimen. Nach Schätzungen waren insgesamt drei bis zwölf Millionen Kinder bundesweit betroffen.
(dpa)

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