Landtag

Noch verständigen sich die Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden wie der Polizei über analogen Funk. (Foto: dapd)

17.06.2011

Moratorium für Tetra-BOS gefordert

Grüne diskutieren mit Experten über „Digitaler Behörden-Funk: Kommunale Handlungsmöglichkeiten“

Was den digitalen BehördenFunk betrifft, zählt Deutschland in der Tat nicht zu den Pionieren (siehe auch Infokasten): Obwohl laut der verbraucherschutzpolitischen Sprecherin der Grünen Anne Franke seit 1993 ein digitales Funknetz für die Sicherheitsbehörden geplant wird, ist man hierzulande nicht über Probebetriebe in einzelnen Städten wie München hinausgekommen. In der bayerischen Landeshauptstadt ist dieser allerdings gescheitert. Dabei soll der so genannte Tetra-BOS bis Ende des Jahres bundesweit funktionieren.


Probebetrieb in München gescheitert


„Ich fordere ein Moratorium, für die weitere Standortsuche. Allerdings spreche ich nicht für meine gesamte Fraktion“, sagte Franke bei dem Fachgespräch der Grünen im bayerischen Landtag. Das hatte den Titel „Digitaler Behörden-Funk: Kommunale Handlungsmöglichkeiten“. Unter dem Applaus von bayerischen Gemeinderäten und Mitgliedern von Bürgerinitiativen bemängelte die Parlamentarierin aus Starnberg die Intransparenz des bisherigen Verfahrens: „Studien aus den USA belegen, dass es wegen der Strahlung ein Krebsrisiko für Gehirn und Muskeln gibt“, sagte sie. Und: „In diesem Zusammenhang spricht die Staatsregierung immer von einem Restrisiko – das kennen wir schon aus einem anderen Zusammenhang“, meinte Franke höhnisch in Anspielung auf nicht lange zurückliegende Zeiten, als die CSU noch die Partei der Atomkraftbefürworter war.
Wie abhörsicher wird der neue Behörden-Funk sein? Wird er tatsächlich so viel Strom verbrauchen, wie kolportiert? Wie viel soll die Einführung des Systems kosten? 920 Millionen Euro, wie Experten schätzen? Und zusätzliche 70 Millionen Euro für die Endgeräte? Gibt es keine technische Alternative zum favorisierten Tetra-System? Und überhaupt – wäre es nicht sinnvoller, die vorhandene analoge Technik beizubehalten und aufzurüsten?
Für ihre rhetorischen Fragen erhielt Franke viel Zustimmung von den Zuhörern. Ihre Parteikollegin Susanna Tausendfreund steht dem digitalen Behördenfunk offenbar positiver gegenüber: „Sicher bietet er manche Vorteile wie die Tatsache, dass man Fotos mitschicken kann und eine bessere Sprachqualität hat – wenn die Technik denn überhaupt funktioniert“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion. Diverse technische Probleme seien noch nicht gelöst: „Was ist, wenn die Verbindung während eines Einsatzes beispielsweise in einer Tiefgarage zusammenbricht?“ Auch sei nicht geklärt, wie hoch die Strahlenbelastung für die Behördenmitarbeiter ausfallen wird.
Obwohl ihre Fraktion ehedem mehrheitlich für die Einführung des Digitalfunks gestimmt hat, ist Tausendfreund nun der Meinung, dass Optimierungen in das Konzept eingearbeitet werden müssen. Ernsthaft scheint sich Tausend-freund aber darüber zu ärgern, dass die Staatsregierung die genauen Standorte innerhalb einer Kommune für den Digitalfunk vor der Bevölkerung geheim hält. Möglicherweise nicht ohne Grund: „Beispielsweise ist irgendwo eine digitale Anlage auf dem Dach eines Polizeigebäudes vorgesehen – unmittelbar daneben grenzt ein Kindergarten an.“ Die Landtagsabgeordnete Tausendfreund weiß deshalb Details von dieser Planung, weil Mitglieder des Innenausschusses wie sie inzwischen eine Liste mit den Standorten erhalten haben.
Etwas Entwarnung wegen der vermuteten Strahlenbelastung konnte Hans-Ulrich Raithel, Referent für elektromagnetische Felder am Umweltinstitut München, geben: Die Belastung durch Digitalfunk gelte als geringer als die durch Mobilfunk. Unabhängig von der Art des Funks gebe es allerdings etliche Studien, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Strahlenbelastung für möglich halten: Beispielsweise habe die Wissenschaftlerin Elisabeth Cardis in der so genannten Interphone-Studie dargestellt, dass ein Zusammenhang zwischen Handynutzung und Hirntumoren nicht auszuschließen sei.
Raithel referierte, dass diese Untersuchung zwischen den Jahren 2000 und 2004 an rund 5000 an Krebs erkrankten Patienten folgendes Resultat ergeben habe: „Die obersten zehn Prozent scheinen ein erhöhtes Risiko zu haben, beispielsweise an einem Gliom zu erkranken.“ Da jedoch nicht zweifelsfrei erwiesen ist, dass zwischen (Mobil)Funk und Krebserkrankungen ein Zusammenhang besteht, sei es schwierig, „Gelder für Prävention zu bekommen, wenn noch nichts passiert ist“.
Überhaupt sei die Strahlengefahr, die von Mobilfunkmasten ausgeht, nicht so groß wie die von Geräten im Haushalt: Insbesondere von W-LAN und schnurlosen Telefonen gehe diese mögliche Schädigung aus. Raithel: „In Schulen sollte man deshalb ganz auf W-LAN verzichten.“ (Alexandra Kournioti)

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