Landtag

FDP-Mann Helmut Markwort fungierte als Alterspräsident. In seiner Rede appellierte er an die Abgeordneten, ein „Musterbeispiel für kontroverse, aber faire Auseinandersetzungen“ zu sein. (Foto: dpa)

09.11.2018

Plädoyers für Toleranz und Fairness

Bei der konstituierenden Sitzung des Landtags wird Ilse Aigner mit großer Mehrheit zur Präsidentin gewählt – Alterspräsident Helmut Markwort wirbt für sachlichen Diskussionsstil

Mit beeindruckender Mehrheit hat der Landtag auf seiner konstituierenden Sitzung Ilse Aigner zu seiner neuen Präsidentin gewählt. Die CSU-Politikerin erhielt 198 der 205 abgegebenen Stimmen. Sie folgt der langjährigen Präsidentin Barbara Stamm (CSU) nach, die den Wiedereinzug in den Landtag verpasst hatte. „Es ist mir eine große Ehre und Freude, dass ich dieses Hohe Haus künftig leiten darf“, sagte Aigner in ihrer Antrittsrede. Sie werde ihr Amt unparteiisch und kollegial führen, in ihrem repräsentativen Amt aber weiter politisch aktiv sein. Aigner versprach, als Präsidentin „nicht thronend über den Fraktionen, sondern allen Abgeordneten zugewandt und sehr nahe bei den Bürgern“ zu agieren.

Dem neuen Landtag gehören erstmals sechs Fraktionen an, darunter als Neulinge 22 Abgeordnete der AfD. Aigner appellierte an alte wie neue Kollegen, „keine Lautsprecherpolitik mit platten Parolen“ zu machen. „Wir müssen mehr die Lösungen in den Mittelpunkt stellen als die Probleme“, forderte sie. Sie hoffe auf eine „gute, von gegenseitigem Respekt getragene Gesprächskultur“. Diese werde sie wenn nötig auch durchsetzen, kündigte Aigner an. Wo das Herz der Demokratie schlage, werde sie keine bewussten Störungen zulassen.

Mit klaren Worten verpflichtete Aigner den neuen Landtag auf die Grundsätze der Bayerischen Verfassung. Wörtlich sagte sie: „Der Landtag vertritt alle Menschen in Bayern, ganz egal woher sie kommen, welche Hautfarbe sie haben und welche Religion sie ausüben. Deshalb hat Fremdenfeindlichkeit in diesem Hohen Haus keinen Platz.“ Die Zusammenarbeit im Landtag erfordere ein „uneingeschränktes Ja zum Rechtsstaat und ein klares Nein zu Extremismus in jeder Art, zu Antisemitismus, zu Rassismus, zu Intoleranz gegenüber Minderheiten“, betonte Aigner unter dem Beifall aller Fraktionen. Lediglich bei der AfD verweigerten einige Abgeordnete an dieser Stelle die demonstrative Zustimmung.

Markwort wirbt für ein fraktionsübergreifendes Bau-Gremium

Vor der Wahl Aigners hatte Alterspräsident Helmut Markwort (FDP) die Sitzung eröffnet. Er erinnerte die Abgeordneten daran, ihren 6,8 Millionen bayerischen Wählern verpflichtet zu sein. Der Landtag müsse ein „Musterbeispiel für kontroverse, aber faire Auseinandersetzungen“ sein. Dabei gelte es, demokratische Grundsätze zu beachten und den politischen Gegner zu respektieren. Markwort forderte seine Kolleginnen und Kollegen auf, die ihnen von der Verfassung zugestandenen Rechte ernst zu nehmen und sich der aus seiner Sicht großen Macht des ministeriellen Beamtenapparats nicht zu fügen. Im Sinne der Bürger sollte die Verwaltung bei der Auslegung der Gesetze weniger verhindern, als vielmehr Unzulänglichkeiten bei Bürgerbegehren heilen. Um das Problem des fehlenden Wohnraums in Bayern anzugehen, regte Markwort die Gründung eines fraktionsübergreifenden „Baubeschleunigungsgremiums“ an, dem auch externe Experten angehören sollten.

Gemäß der bei kleinen Änderungen mit großer Mehrheit aus der abgelaufenen Legislaturperiode übernommenen Geschäftsordnung – lediglich ein Großteil der AfD-Fraktion enthielt sich der Stimme, weil ein Änderungsantrag der übrigen Fraktionen erst kurz vor Sitzungsbeginn eingegangen war –  stand aus jeder Fraktion ein Kandidat für das Amt der sechs Vizepräsidenten zur Abstimmung. Die nötigen Mehrheiten erzielten in geheimer Wahl Karl Freller (CSU), Thomas Gehring (Grüne), Alexander Hold (Freie Wähler), Markus Rinderspacher (SPD) und Wolfgang Heubisch (FDP).

Mit nur 27 Ja-Stimmen nicht gewählt wurde der AfD-Kandidat Raimund Swoboda. Er verfehlte die nötige Mehrheit von 103 Stimmen deutlich. Swoboda war von der AfD kurzfristig für Uli Henkel nominiert worden, der seine Kandidatur vor der Sitzung zurückgezogen hatte. Henkel gehört zu den drei AfD-Abgeordneten, die derzeit noch wegen rassistischer oder demokratiefeindlicher Äußerungen unter der Beobachtung des bayerischen Verfassungsschutzes stehen. Vor diesem Hintergrund wollte er nach eigenen Angaben die konstituierende Sitzung mit seiner Kandidatur nicht belasten. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Christoph Maier, erkannte dennoch „keine Zweifel an der Integrität und Eignung“ Henkels. Die Überwachung durch den Verfassungsschutz werde von der Mehrheit im Landtag als „Herrschaftsinstrument“ gegen die oppositionelle AfD genutzt, behauptete Maier.

Für die große Mehrheit der Abgeordneten erfüllte jedoch auch Swoboda die Grundvoraussetzungen für das Amt eines Vizepräsidenten nicht. Auf seiner Internet-Seite vertritt Swoboda völkisches Gedankengut und zweifelt offen an der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. Ohne Swoboda beim Namen zu nennen, hatte CSU-Fraktionsvize Tobias Reiß vorher erklärt, ein Vizepräsident des Landtags müsse die Verfassung schützen. Es dürfe nie der Verdacht bestehen, dass die Verfassung vor ihm geschützt werden müsse. Ähnlich äußerte sich Jürgen Mistol (Grüne). „Vizepräsident kann nur sein, wer für den Geist der Verfassung steht und die Würde des Parlaments achtet, wahrt und schützt.“ Dies habe auch für die künftigen Ausschussvorsitzenden zu gelten, ergänzte Mistol.

Neuer Passus in der Geschäftsordnung präzisiert Fraktionszugehörigkeiten

In den kommenden Wochen wird der neu gewählte Landtag seine vollständige Arbeitsfähigkeit herstellen. Offen ist noch der fachliche Zuschnitt und die Größe der zukünftigen Ausschüsse. Deren Vorsitze und ihre Stellvertretungen werden gemäß der Stärke der Fraktionen im Landtag besetzt. Die Geschäftsordnung gibt dabei vor, dass der Ausschussvorsitzende und sein Stellvertreter aus Regierungs- und Oppositionsfraktionen kommen müssen.

Explizit in die Geschäftsordnung aufgenommen wurde der Passus, dass Mitglieder einer Partei nur einer Fraktion angehören dürfen. Damit soll verhindert werden, dass bei der Spaltung einer Fraktion nicht zwei Fraktionen einer Partei entstehen. Zuletzt stellte sich diese Problematik 2016 bei der Aufspaltung der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg.
(Jürgen Umlauft)

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