Landtag

HIV-Infizierte fühlen sich häufig von der Gesellschaft ausgeschlossen – das demonstriert Ernst Häusinger in einer Ausstellung im Landtag. (Foto: Loh)

02.12.2016

Positiv zusammen leben

Weltaidstag am 1. Dezember: 70 Prozent der HIV-Infizierten werden auch heute noch diskriminiert – mehr Geld für Aufklärungsarbeit gibt es aber nicht

In einer begehbaren Kunststoffkugel rollt der seit über 30 Jahren HIV-positive Ernst Häusinger durch den Senatssaal des Maximilianeums. Der Symbolakt soll deutlich machen, was an HIV und AIDS erkrankte Menschen häufig erfahren: Isolation. Häusinger ist Teil der zweitägigen Fotoausstellung Mein positiver Tag, die zum Weltaidstag im Landtag gezeigt wurde. „Ich freue mich, dass das Thema nun endlich in diesem Haus angekommen ist“, sagte der Langzeitüberlebende. An gleicher Stelle sei früher noch über die Internierung Betroffener und Testung der Gesamtbevölkerung diskutiert worden.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat es bei Häusingers Aussage nach eigenen Worten „gerissen“: „Natürlich hat es früher bei diesem Thema große Spannungen innerhalb der Staatsregierung gegeben“, räumte sie ein. Gleichzeitig habe es aber auch viele Menschen gegeben, die gemeinsam viel auf den Weg gebracht hätten. „Obwohl schon vieles erreicht wurde, ist aber noch nicht alles so, wie wir es gerne haben möchten.“ Diskriminierung erführen HIV-Positive auch heute noch im Umgang mit Freunden, Kollegen und Ärzten. Durch die sehr persönlichen Einblicke in den Alltag von HIV-Infizierten sollte die Fotoausstellung Betrachter aufklären.

Insgesamt sind in Deutschland 84 700 Menschen mit HIV infiziert – davon 69 500 Männer. Die Zahl der Neuinfektionen betrug letztes Jahr 3200 – die meisten davon sind Homosexuelle, aber auch 740 Heteros und 250 Drogenabhängige sind darunter. Dass die Zahl der Infizierten steigt, liegt zum einen an der Zuwanderung, zum anderen an der gestiegenen Lebenserwartung erkrankter Menschen. In Bayern liegt die Zahl mit aktuell 11 600 Betroffenen und 400 Neuinfizierten leicht unter dem Durchschnitt.

„Wir können uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen“, betonte die Chefin des Gesundheitsausschusses Kathrin Sonnenholzner (SPD) bei der Ausstellungseröffnung und der anschließenden Ausschusssitzung zum Thema Die Aids-Arbeit in Bayern und der WHO-Plan zur Beendigung der AIDS-Epidemie. Tatsächlich wissen nur 84 Prozent in Deutschland, dass sie infiziert sind – bis 2020 sollen es laut Weltgesundheitsorganisation mindestens 90 Prozent sein (siehe Infokasten). Denn AIDS ist nur behandelbar, wenn die Behandlung rechtzeitig und konsequent durchgeführt wird.

In Bayern sind 11.600 Menschen mit HIV infiziert, jährlich kommen 400 hinzu

Hans-Peter Dorsch, Leiter der Aids-Beratungsstelle Oberpfalz, forderte im Gesundheitsausschuss mehr Aufklärungskampagnen und zielgruppengenaue Testangebote – beispielsweise für Schwule. Außerdem nötigt: spezialisierte HIV-Behandlungszentren, Schulungen und Fortbildungen sowie langfristige psychosoziale Begleitung. Doch obwohl sich die Zahl der Patienten seit 1990 vervierfacht hat, sind die Fördermittel nicht gestiegen. Die zehn AIDS-Beratungsstellen in Bayern hatten im Jahr 2014 einen Finanzierungsbedarf von 3,2 Millionen Euro, wovon nur rund 71 Prozent von staatlichen Mitteln gedeckt wurden. „Meine Mitarbeiter sagen: Wir sind am Ende“, unterstrich Dorsch. Was sie zu tun hätten, könnten sie so nicht mehr weiter schultern.

Ausschusschefin Sonnenholzner forderte für den kommenden Doppelhaushalt 800 000 Euro zusätzlich für die Beratungsstellen – vor allem für Präventionsarbeit bei Kindern und Jugendlichen. Außerdem sollten für die kommenden beiden Jahre 160 000 Euro für die Abgabe von Kondomen in Justizvollzugsanstalten bereitgestellt werden. Langfristig könne durch die Präventionsarbeit das Geld wieder eingespart werden, erklärte Sonnenholzner. Freie Wähler und Grüne schlossen sich den Forderungen an. Die entsprechenden Anträge waren allerdings bereits im Haushaltsausschuss mit CSU-Mehrheit abgelehnt worden. „Vielleicht schaffen wir es ja im Plenum“, meinte Sonnenholzner in Richtung CSU. „Ansonsten sehen Sie es als Anregung für den Nachtragshaushalt.“ (David Lohmann)

INFO: WHO-Plan zur Beendigung der AIDS-Epidemie
Die aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entstandene UNAIDS der Vereinten Nationen hat im Jahr 2014 einen Plan veröffentlicht, der die Aids-Epidemie bis zum Jahr 2030 so gut wie beenden will.

Infizierte: Weltweit sind 36,7 Millionen Menschen HIV-positiv – die meisten davon in Afrika. Die Zahl der Neuinfektionen liegt jährlich bei 2,1 Millionen – besonders in Osteuropa und Russland. 1,1 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen der Krankheit.

Antiretrovirale Kombinationstherapie: Bei rechtzeitiger und regelmäßiger Medikamenteneinnahme bleibt die Gesundheit und Lebensqualität von HIV-Positiven heutzutage erhalten. Durch das Absenken der Viruslast verliert der Infizierte darüber hinaus seine Infektiösität.

90-90-90: Bis 2020 sollen 90 Prozent aller HIV-Infizierten getestet werden. Davon sollen mindestens 90 Prozent in Behandlung sein, wovon wiederum mindestens 90 Prozent ihre Infektiösität verlieren sollen. Wer sechs Monate eine Viruslast unter 40 pro Milliliter Blut hat, ist nicht mehr infektiös. Für das Jahr 2030 sollen die Zahlen auf 95 Prozent erhöht werden. Dadurch wären 86 Prozent der HIV-Positiven nicht mehr ansteckend. Beendet ist die Epidemie, wenn die Neuinfektionen auf 500 000 im Jahr 2020 und im Jahr 2030 um 200 000 sinkt.

Status Quo: Aktuell wird weltweit nur gut die Hälfte aller HIV-Positiven getestet. Weniger als ein Drittel hatte das Ziel „Viruslast unter der Nachweisgrenze“ tatsächlich erreicht. Schweden hat den 90-90-90-Plan allerdings bereits erreicht und sogar übertroffen. (LOH)

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