Landtag

Der Datenschutzbeauftragte Thomas Petri und Landtags-Vize Reinhold Bocklet umringt von 150 Jugendlichen aus ganz Bayern. (Foto: Doerthe Winter)

09.03.2012

"Puh, ist Politik wirklich so stressig?"

Bayerische Schülerinnen und Schüler schlüpfen einen Tag lang in die Rolle von Landtagsabgeordneten

Harald Schmidt ist da, Otto von Bismarck auch. Ebenso Leo von Klenze, Alexander von Humboldt, Max Mustermann und Philipp Westerwave. Die wichtigste Rolle aber hat an diesem Tag Freiherr Wilhelm III., Ritter von Preußen. Ihn wählten die Abgeordneten einstimmig zum Präsidenten des bayerischen Landtags.
Und der vermeintlich edle Herr aus dem Norden macht seine Sache richtig gut, zeigt er doch, dass er trotz seines zarten Alters von 16 Jahren die streitfreudigen Parlamentarier gut im Griff hat. Die allerdings sind auch nicht älter als er und ähnlich kreativ bei der Namensfindung. Rund 150 Jugendliche spielen im Maximilianeum „Der Landtag sind wir!“. Einen Tag lang schlüpfen Schülerinnen und Schüler aus fünf bayerischen Schulen in dem Planspiel in die Rolle von Landtagsabgeordneten.
Per Los wird die Fraktionszugehörigkeit entschieden. Die Themen sind vorgegeben: Videoüberwachung und Jugendkriminalität. Wie im richtigen Parlamentsbetrieb erarbeiten die Jugendlichen in den Fraktionen und Ausschüssen konkrete Gesetzesentwürfe, im Plenum wird diskutiert und abgestimmt. „Richtig aufregend“ sei das, erklärt Landtagspräsident Wilhelm III. alias Philipp Drexler von der Nürnberger Bertolt-Brecht-Schule. Der 16-jährige Zehntklässler kommt gerade aus dem Plenarsaal von der Anhörung von Thomas Petri, bayerischer Landesbeauftragter für Datenschutz. Und der hat den Gesetzentwurf von Drexlers CSU-Fraktion zum Ausbau der Videoüberwachung heftig kritisiert. Sechs Monate wollen die Jugendlichen die Daten speichern, der Datenschutzbeauftragte dagegen hält eine Frist von drei Wochen für „völlig“ ausreichend. „Eigentlich wollten wir die Höchstdatenspeicherzeit auf zwei Jahre heraufsetzen“, sagt Drexels Klassenkamerad Dorian Eisel (16) und wundert sich: „Soziale Netzwerke speichern doch auch Daten, und zwar für kommerzielle Zwecke, hier dagegen wäre es sinnvoll, da es der Kriminalitätsbekämpfung dient.“ Eine wichtige Erkenntnis des Tages: „Viele Themen sind noch komplexer als gedacht.“
Am Ende wird der Schüler-Landtag für eine Ausweitung der Videoüberwachung stimmen, an 250 neuen Standorten sollen moderne Videoüberwachungssysteme installiert werden. Und nicht nur Petris Speicher-Frist von drei Wochen haben die Jung-Parlamentarier aufgegriffen. Auch die Empfehlung des Experten, Hinweisschilder auf die Videoüberwachung aufzustellen, haben sie gesetzlich festgeschrieben. „Demokratie wird bei diesem Planspiel erlebbar“, freut sich Datenschützer Petri.

Die echten Abgeordneten geraten ins Staunen


„Sag niemals nie“, meint am Ende gar der 17-jährige Raphael Dörfler aus Nürnberg auf die Frage, ob er sich eine Politiker-Karriere vorstellen könnte. Vincent Rickerl (15) vom Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium Icking dagegen findet es zwar interessant, wie Gesetze zustande kommen, sagt allerdings auch: „Das hat ganz schön lange gedauert.“ Und ein Satz fällt an diesem Tag immer wieder: „Puh, ist das wirklich so stressig?“
Aber auch echte Abgeordnete geraten am Ende ins Staunen. Sicherheitspolitiker aller Fraktionen hören sich die abschließende Debatte der jungen Kollegen an: Da bedankt sich die CSU höflich bei der SPD für die gute Zusammenarbeit. Und die Freien Wähler liegen voll auf der Linie der Grünen und der FDP. Die Gesetze werden schließlich nahezu einstimmig verabschiedet. „Ganz großes Kompliment, das war alles sehr lebensnah und sehr beeindruckend“, meint der FDP-Abgeordnete Andreas Schmidt. „Was bei uns aber weniger vorkommt, ist das Klatschen über die Fraktionen hinaus“, betont er. „Aber vielleicht sollte auch bei uns öfter gelobt werden. Das tut dem einen oder anderen sicher gut.“
Das würde mit Sicherheit auch Wilhelm III. begrüßen. Der aber will jetzt schnell nach Hause. Entspannen.
(Angelika Kahl) Info: Schülerplanspiel „Der Landtag sind wir!“
Wie wird ein Gesetz gemacht? Wie läuft die Arbeit in den Ausschüssen ab? Wie organisiert man Mehrheiten? Wie argumentiert man im Plenum? Bayerische Schülerinnen und Schüler können das in dem Planspiel „Der Landtag sind wir!“ selbst herausfinden.
In der Regel findet das Spiel, das das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) der LMU München im Jahr 2006 im Auftrag des Bayerischen Landtags entwickelt hat, an den Schulen vor Ort statt. Ziel ist es, komplexe politische Inhalte und demokratische Entscheidungsfindung für Jugendliche verständlich zu machen. Die Schülerinnen und Schüler bilden dabei den Bayerischen Landtag, schlüpfen in die Rolle von Abgeordneten, agieren als Parlamentarier mit fiktiven Biographien in Fraktionssitzungen, in Ausschüssen und im Plenum und beraten und beschließen Gesetzentwürfe. Am Ende des Spiels steht in der Regel ein Gespräch mit Abgeordneten aus der jeweiligen Region, mit denen die Jugendlichen ihre Erfahrungen austauschen können. Etwa 70 Planspiele werden an Bayerns Schulen jährlich durchgeführt, insgesamt 20 000 Schülerinnen und Schüler konnten so bereits in die Rolle von Landtagsabgeordneten schlüpfen.
Grundsätzlich können alle Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 8 bis 13 teilnehmen – maximal 70 Schülerinnen und Schüler pro Planspiel. Durchgeführt wird es von der Forschungsgruppe Jugend und Europa des CAP, Kosten für die Schule entstehen keine.
Bewerben können sich Schulen unter der E-Mail-Adresse paed.betreuung(at)bayern.landtag.de.

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