Die FDP-Landtagsfraktion hat auf ihrer Winterklausur im Landtag konkrete Schritte für einen Weg aus dem aktuellen Corona-Lockdown skizziert. Sie sehen eine teilweise Wiedereröffnung von Kitas und Schulen im Februar und die schrittweise Öffnung von Gastronomie, Handel und Kultur in der Folgezeit vor. Voraussetzung dafür seien allerdings rasche Fortschritte beim Impfen. Spätestens wenn die Gruppe der Menschen mit dem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs durchgeimpft sei, verkrafte das Gesundheitssystem auch höhere Inzidenzzahlen, erklärte FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Damit entfalle auch die Rechtfertigung für einen harten Lockdown. Der FDP-Gesundheitsexperte Dominik Spitzer forderte die stärkere Einbeziehung der Hausärzte in die Impfstrategie.
FDP: Inzidenzwerte unter 50 im Winter unrealistisch
In den Wintermonaten auf Inzidenzwerte von unter 50 zu setzen, sei „unrealistisch“ und bedeute einen Lockdown bis weit in das Frühjahr hinein, sagte Hagen. Dies würde gravierende wirtschaftliche und gesellschaftliche Schäden verursachen. Die FDP plädiere daher erneut für eine regional differenzierte Corona-Ampel, in der mit fortschreitender Durchimpfung Parameter wie die freien medizinischen Kapazitäten und die Todesrate eine stärkere Gewichtung bekommen müssten. Damit würden Öffnungen sowie ein Zurückfahren von Kontaktbeschränkungen möglich. Spätestens wenn alle Bayern die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen, müssten sämtliche einschränkenden Corona-Maßnahmen entfallen.
In einem Positionspapier forderte die FDP-Fraktion zudem, die finanzielle Förderung der Kommunen im ländlichen Raum besser auf deren individuelle Bedürfnisse abzustellen. Auch müsse sich im kommunalen Finanzausgleich niederschlagen, dass gerade ländliche Regionen zahlreiche Funktionen für die Ballungsräume übernähmen. Konkret benennt die FDP die Energiewende in Form von Standorten für Windräder und Flächenphotovoltaik sowie die Erholungsfunktion für Städter. Dies werde bislang bei den staatlichen Leistungen zu wenig berücksichtigt.
Kernpunkt der FDP-Forderungen ist ein Auslichten des „undurchsichtigen Förderdschungels“. Gerade kleinere Gemeinden seien damit überfordert oder nähmen wegen der starren Vorgaben Fördermittel in Anspruch, die sie für andere Zwecke dringender bräuchten, erklärte der FDP-Abgeordnete Alexander Muthmann. Stattdessen sollten Städte und Gemeinden ein freier verfügbares Budget vom Freistaat erhalten, das sie gemäß ihrer gesetzlichen Aufgaben für passgenaue Projekte einsetzen könnten. „Wir wollen für die Kommunen mehr Gestaltungsspielräume schaffen und sie vom ‘goldenen Zügel’ des Freistaats lösen“, sagte Muthmann. Belohnt werden müsse dabei die Zusammenarbeit mehrerer Kommunen. „Wir brauchen mehr Kooperation und weniger Konkurrenz zwischen den Gemeinden.“
Für übergeordnete landesplanerische Ziele wie die Flächennutzung oder den Klimaschutz verlangt die FDP für die Kommunen dagegen klare Zielvorgaben des Freistaats. Gerade der Klimaschutz müsse mehr als eine freiwillige Aufgabe der Kommunen sein, betonte FDP-Umweltsprecher Christoph Skutella. Auch hier müsse der Freistaat ergänzende finanzielle Anreize beim jährlichen Finanzausgleich setzen.
FW: Bei Bekämpfung der Pandemie Weitblick zeigen
Die Freien Wähler versuchten auf ihrer Klausurtagung, eigene Akzente in der Regierungskoalition zu setzen. Sie betonten, die Politik dürfe nicht nur die akute Pandemiebekämpfung in den Blick nehmen, sondern müsse auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren und den Bürgern Perspektiven vermitteln. „Wir müssen die Strategie der Umsicht und Vorsicht um Zuversicht und Zusammenhalt ergänzen“, sagte Fraktionschef Florian Streibl. Streibl kritisierte in diesem Zusammenhang die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angestoßene Debatte um eine Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen wie Pflegekräfte. Aufgabe des Staates sei es vielmehr, die Bürger vom Nutzen einer Impfung zu überzeugen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Impfwunsch von rund drei Viertel der Bayern möglichst rasch erfüllt werden könne.
Unabhängig von der Corona-Bewältigung beschlossen die Freien Wähler, die häusliche Pflege durch eine professionalisierte Nachbarschaftshilfe nach niederländischem Vorbild zu stärken. Dort sichern kleine Teams mit ausgebildeten Pflegekräften die Versorgung in den eigenen vier Wänden. Ergänzt werden soll das durch das Modell der Gemeindeschwester. „Uns liegt besonders am Herzen, dass niemand aus seinem vertrauten Lebensumfeld herausgerissen werden muss, weil es die notwendigen Pflegeangebote nur in Ballungsräumen gibt“, erklärte der FW-Abgeordnete und Patientenbeauftragte der Staatsregierung, Peter Bauer.
Insgesamt müssten die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte deutlich verbessert werden. Um die Folgen des Brexit abzumildern, sprachen sich die FW für eine stärkere Zusammenarbeit mit Schottland aus. Man unterstütze den Wunsch der Schotten nach Eigenstaatlichkeit und Rückkehr in die EU, erklärte der FW-Europapolitiker Tobias Gotthardt. (Jürgen Umlauft)
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