Landtag

Immer mehr Studenten werden von immer weniger Professoren und Dozenten unterrichtet. (Foto: dapd)

31.12.2010

"Stundenlohn im einstelligen Euro-Bereich"

SPD-Fraktion diskutiert mit Experten über die Folgen der Sparbeschlüsse auf die Hochschulen

Am 21. Dezember wird das bayerische Kabinett offiziell darüber entscheiden, ob und zu welchen Einsparungen es an den bayerischen Universitäten im Rahmen des Doppelhaushalts 2011/12 kommen wird. Für das Jahr 2010 wurden rückwirkend 13 Millionen Euro gestrichen. Als schlechtes Omen für die anstehende Entscheidung der bayerischen Minister und Staatssekretäre begreift diese Kürzung Isabell Zacharias. Die hochschulpolitische Sprecherin der SPD und stellvertretende Vorsitzende des Hochschulausschusses im bayerischen Landtag, informierte über den Ist-Stand in der bayerischen Hochschullandschaft. „Hochschulen ohne Perspektive? Die Folgen der Sparbeschlüsse“ lautete der Titel der Veranstaltung.


Viele Hochschulgebäude in marodem Zustand


An dieser nahmen auch Bernhard Emmer, Sprecher des Landesverbands Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Bayern (LWB), sowie Tobias Dillschnitter, Geschäftsführer der Studierendenvertretung LMU, teil. Als ein perfides Weihnachtsgeschenk empfindet Zacharias, dass der Kabinettsbeschluss kurz vor Weihnachten gefasst werden soll. „Weil dann keiner an den Hochschulen sein wird“, sagte sie auf der Veranstaltung im Münchner Maximilianeum.
Bereits den rückwirkend für 2010 angeordneten Sparbeschluss von 13 Millionen Euro hält die Sozialdemokratin für ungerecht: „Immerhin rechnet man in Bayern mit um 1,7 Milliarden Euro höheren Steuereinnahmen als zunächst errechnet“, sagte sie. Die Situation an den Hochschulen hingegen sei bereits jetzt untragbar. Alleine an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) habe sich ein so genannter Rückstau von 1 Milliarde Euro angesammelt. Dieser betrage an den Universitäten insgesamt 3 Milliarden Euro. Zacharias: „Das ist eine schleichende Staatsverschuldung.“ Sichtbar werde diese beispielsweise in manch marodem Universitätsgebäude, dessen überfällige Sanierung auf die lange Bank geschoben werde. So entstünden an der Bausubstanz „erhebliche Folgeschäden und Kosten“.
Die Oberste Baubehörde habe im Bereich der Fachhochschulen einen Sanierungsbedarf von insgesamt 195 Millionen Euro beziffert. Ein besonders drastisches Beispiel zitierte Zacharias aus dem Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofes von 2006: „Der ORH sieht im Zustand der Bausubstanz an der Universität Regensburg das Ergebnis einer jahrelangen Vernachlässigung des Bauunterhalts. Mit dem rechtzeitigen Einsatz entsprechender Sanierungsmittel hätten erhebliche Folgeschäden verhindert werden können.“
Weitere bereits bestehende Probleme führte Emmer auf. Nicht zuletzt der akademische Mittelbau sei von Sparmaßnahmen gebeutelt: Weil man generell personell unterbesetzt sei, werde für den Unterricht auf Lehraufträge zurückgegriffen. Bei Letzteren liege der Stundenlohn für die Dozenten jedoch häufig im „einstelligen Euro-Bereich“. Diese niedrige Bezahlung sei zum einen nicht förderlich für die Qualität der Lehre. Diese leide zum anderen aber auch wegen der knappen personellen Ressourcen: In vielen Studiengängen müssten mehrere hundert Studierende von einem Professor betreut werden. In manchen Disziplinen betrage das Betreuungsverhältnis sogar mehrere Tausende zu eins.
Auch Emmer beklagte den teilweise unhaltbaren Zustand etlicher Universitätsgebäude. „In manchen läuft das Wasser sogar ins Erdgeschoss hinein“, berichtete der Wissenschaftler. Als unverstanden fühlen sich indes viele Studierende: „Es hat leider System, dass wir nicht ernst genommen werden“, beklagte Dillschnitter. Er bestätigte Emmers Aussagen über das schlechte Betreuungsverhältnis: So stehe im Fach Didaktik im Rahmen des Lehramtsstudiums an der LMU lediglich ein Professor für 4000 Studierende zur Verfügung.
Vorlesungen müssten ob des Studierenden-Andrangs ins Audimax übertragen werden. Diese Zustände seien kein Aushängeschild, um bei der Wirtschaft Drittmittel einzuwerben. Um Lebensunterhalt und Studiengebühren zu finanzieren, arbeiteten viele seiner Kommilitonen bis zu 19 Stunden in der Woche. Dennoch lebten manche „unterhalb der Hartz-IV-Grenze“. Außerdem: „Die Studiengebühren werden nicht sinnvoll eingesetzt. Beispielsweise wird die Hälfte der Lehre aus den Studiengebühren gestemmt“, sagte Dillschnitter. Zacharias’ Fraktion fordert indes eine Rücknahme der bereits beschlossenen und teilweise umgesetzten Sparmaßnahmen in Höhe von 13 Millionen Euro. Für die Zukunft müsse eine verlässliche Finanzierung der Hochschulen garantiert sein.
Auch damit solche vermeintlich kleinen Einschnitte künftig ausbleiben: Bislang hätten Sekretärinnen, die in Hebräisch tippen, einen Zuschlag in Höhe von 130 Euro bekommen. Diese Anerkennung für besondere Leistungen ist laut Zacharias ersatzlos gestrichen worden.(Alexandra Kournioti)

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