Landtag

Der Einstieg ins kostenlose letzte Kindegartenjahr ist teuer. Träger und Verbände warnen, dass am Ende die Qualität leiden könnte. (Foto: dapd)

19.10.2012

Teure Geschenke auf Kosten der Qualität

Sozialausschuss: Fachverbände und Einrichtungsträger kritisierten die geplante Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes

Eigentlich müssten sich doch wenigstens die Elternverbände freuen. Seit September bezuschusst der Freistaat das letzte Kindergartenjahr mit 50 Euro. Ab Herbst 2013 werden die Elternbeiträge sogar um 100 Euro gesenkt. Doch bei der Anhörung im Sozialausschuss gab es statt Lob heftige Kritik an der geplanten Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG).
Die Befürchtung: Das „Geschenk an die Familien“ wird man teuer bezahlen müssen – und zwar vor allem mit Abstrichen bei der Qualitätsverbesserung. Über 70 Prozent der 185 Millionen Euro, die Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) zusätzlich in die Kinderbetreuung stecken will (siehe Infokasten), gehen für die Beitragsfreiheit drauf, klagte unter anderem Joachim Feichtl vom Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Für den lange versprochenen Qualitätsschub bliebe da nicht mehr viel Geld übrig.


Skurril: Höhere Kita-Beiträge wegen Beitragsbefreiung?


Ein Schritt in Richtung Qualitätsverbesserung will Haderthauer mit der Gesetzesänderung festschreiben: Die Senkung des Anstellungsschlüssels von 1:11,5 auf 1:11,0. Doch alle anwesenden Vertreter der Verbände und Träger kritisierten unisono: Die vom Ministerium dafür veranschlagten 33 Millionen Euro seien viel zu wenig. Etwa 80 Millionen Euro seien nötig, um die Herabsetzung des Anstellungsschlüssels zu finanzieren, so das übereinstimmende Ergebnis der Kalkulationen einiger Verbände. Und die AWO rechnet vor: Der Zuschuss für einen Kindergarten mit 25 Kindern reiche gerade mal, um die Arbeitszeit um eine halbe Stunde in der Woche anzuheben.
Die skurrile Folge, so Pia Theresia Franke, Geschäftsführerin des Landesverbands katholischer Tageseinrichtungen: Um den Anstellungsschlüssel von 11,0 finanzieren zu können, müssten die Beiträge der Eltern angehoben werden. „Damit wäre der Zuschuss für das letzte Kindergartenjahr konterkariert.“ Und auch Diakon Ludwig Selzam vom Evangelischen Kita-Verband Bayern moniert: Die Verbesserung der Qualität sei zu niedrig finanziert. „Die Elternbeiträge werden deshalb steigen müssen.“
Ohnehin ist die Kritik der Experten groß, dass ausgerechnet das letzte Kindergartenjahr bezuschusst wird. Denn in diesem Alter besuchen bereits fast alle Kinder eine Kita. Eine Beitragsfreiheit für das erste Kindergartenjahr wäre deshalb sinnvoller – vor allem auch im Hinblick auf die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund, so die einhellige Meinung. Gerhard Dix vom Bayerischen Gemeindetag hält eine Beitragsfreiheit grundsätzlich für „nicht zwingend notwendig“. Das Geld sähe er lieber in den Ausbau der Qualität und der Betreuungsplätze von unter Dreijährigen investiert.
Hans Eirich, Leiter des Referats Frühkindliche Bildung und Erziehung im Sozialministerium verteidigte die Anstrengungen im Bereich der Qualitätsverbesserung. Hier gehe es schließlich nicht nur um Geld, sondern auch um Inhalte, sagte er. Individuelle Förderung, Inklusion und die Zusammenarbeit mit den Eltern würden mit der Änderung des BayKiBiG gestärkt.
Neben dem Fachkräftemangel – „zur Behebung dieses Problems gibt es keine einzelne Stellschraube im BayKiBiG“, so AWO-Vertreter Feichtl – stand auch der hohe Verwaltungsaufwand der Einrichtungen unter starkem Beschuss der Experten. Vor allem das komplizierte Online-Abrechnungsverfahren wurde kritisiert. Am Ende fehle es dadurch an der Zeit für die Kinder, betonte Isabel Putzer, Teamleiterin Kinderbetreuung des Bayerischen Roten Kreuz. Wie ihre Kollegen begrüßte auch sie die Absenkung des Anstellungsschlüssels, sagte aber explizit: „Qualität kostet Geld.“ (Angelika Kahl) Info: Gesetzentwurf zur Änderung des BayKiBiG Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) ist 2005 in Kraft getreten. Es regelt die Förderung und den Ausbau der Kinderbetreuung  sowie die Qualitätsentwicklung und -sicherung im Bereich der Betreuung. Im Juni 2012 hat der Ministerrat den Gesetzentwurf für eine Reform des BayKiBiG zur Weiterentwicklung der Kinderbetreuung beschlossen.
Kernpunkt der Änderungen ist unter anderem der Einstieg ins kostenlose dritte Kindergartenjahr: Seit September 2012 werden Eltern mit 50 Euro im Monat bezuschusst. Ab September 2013 soll dieser Betrag auf 100 Euro im Monat erhöht werden. Mehrkosten für den Freistaat: 125 Millionen Euro jährlich. Darüber hinaus soll der Mindestanstellungsschlüssel von 1:11,5 auf 1:11,0 abgesenkt werden. Der Anstellungsschlüssel besagt, wie viele  Betreuungsstunden von Kindern auf eine Arbeitsstunde des pädagogischen Personals entfallen. Hier rechnet das Sozialministerium mit jährlichen Mehrkosten in Höhe von rund 33 Millionen Euro.
Mit Blick auf die rückläufigen Kinderzahlen im ländlichen Raum sollen zudem die Förderbedingungen für Landkindergärten verbessert werden. Gemeinden werden durch eine Sonderförderung unterstützt, wenn der Unterhalt einer Betreuungseinrichtung aufgrund der geringen Zahl von Kindern schwerfällt (0,8 Millionen Euro zusätzlich). Auch das Ziel der Inklusion soll stärker im Gesetz verankern werden. In der Summe will der Freistaat jährlich rund 185 Millionen Euro zusätzlich in die Kinderbetreuung investieren. Knapp 1,1 Milliarden Euro gibt der Freistaat 2012 insgesamt aus. 

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