Landtag

Das ehemalige olympische Dorf in München zählt zum begehrten Wohnraum. (Foto: ddp)

17.09.2010

Trautes Heim dringend gesucht

SPD-Landtagsfraktion und Mieterverbände fordern mehr bezahlbaren Wohnraum in Bayern

Bezahlbarer Wohnraum ist insbesondere in den Ballungszentren Bayerns knapp. Dass die Situation für Mieter künftig noch schwieriger werden könnte, entnimmt die SPD-Landtagsfraktion dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung, in dem eine mögliche Reform des Mietrechts niedergeschrieben ist. Demnach könnten Mieter beispielsweise im Zuge von Modernisierungsmaßnahmen die Miete nicht mehr wegen Baulärms und Ähnlichem mindern.
Auch die Kündigungsfristen könnten dann auf Wunsch der Koalitionäre in Berlin für Mieter und Vermieter einheitlich geregelt werden. „Es ist aber ein großer Unterschied, ob ein Arbeitnehmer seine Wohnung innerhalb von drei Monaten kündigen muss, weil er beruflich versetzt wird. Oder ob ein Vermieter kündigen will, nur weil er seine Wohnung teurer neu vermieten möchte“, sagte Franz Schindler (SPD), Vorsitzender des Rechtsausschusses im bayerischen Landtag. Geht es nach ihm, sollen Mieter wie bislang eine kürzere Kündigungsfrist haben als Vermieter. Insgesamt müsse das Thema Wohnungsbau auf der politischen Agenda Bayerns als vordringlich behandelt werden.


Soziales Mietrecht soll unangetastet bleiben


Gemeinsam mit seinem Parteikollegen Ludwig Wörner, wohnungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion, leitete Schindler ein Fachgespräch. An dem nahmen unter anderem Alfred Poll, Vorsitzender des Landesverbands Bayern des Deutschen Mieterbunds (DMB), und Beatrix Zurek, Vorsitzende des Mietervereins München, teil.
Wohl wissend, dass Mietrecht seit der Föderalismusreform Bundessache ist, wollen sie in den nächsten Monaten mit Anträgen und Initiativen die bayerische Staatsregierung dazu bringen, sich in Berlin für den Erhalt des derzeitigen sozialen Mietrechts einzusetzen. Denn, da sind sich Politiker und Interessenvertreter einig: „Wohnungspolitik ist eine Jahrhundertaufgabe.“ Zumal im Freistaat der Trend nicht zum Eigentum geht, sondern die Mietverhältnisse überwiegen.
Vor allem aber wird Wohnraum – insbesondere bezahlbarer – stetig weniger. Zwar hat sich die Zahl der Wohnungen in Bayern seit 1990 um mehr als eine Million erhöht. Dennoch fehlen gegenwärtig laut Schindler bayernweit rund 266 000 Wohnungen, zwei Drittel davon in München. Bis 2027 wird ein Bedarf an insgesamt 900 000 Wohnungen prognostiziert. Beunruhigend: Im Jahr 2009 sind lediglich 31 335 Wohnungen fertiggestellt worden – der niedrigste Stand seit der ersten Erfassung im Jahr 1951. Geht es in diesem Rhythmus weiter, muss man kein Rechenkünstler sein, um zu erkennen, dass die Nachfrage mittelfristig nicht annähernd gedeckt werden kann.
Im Jahr 2013 laufen laut Wörner die Bundesfördermittel für den Wohnungsbau aus. Zeitgleich würden rund 100 000 Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausfallen. Auch andere soziale Phänomene trügen dazu bei, dass Wohnraum kostbar werde: „Nach Scheidungen werden häufig zwei gleich große Wohnungen benötigt“, sagte der Sozialdemokrat. Außerdem wachse der Druck auf Ballungsräume durch unaufhörlichen Zuzug.
Nicht zuletzt sei in den vergangenen Jahrzehnten auch der Anspruch der Mieter gestiegen, die für sich immer mehr Quadratmeter beanspruchten. Wörner: „Alle diese Dinge fressen uns den Wohnungsmarkt leer.“ Damit „uns die Mieten nicht davonlaufen“, fordert der Sozialdemokrat eine kontinuierliche Förderung des Wohnungsbaus durch die bayerische Staatsregierung.
Alfred Poll ist Vorsitzender des bayerischen Mieterbunds, dem insgesamt 52 Vereine angehören. Auch er ist der Meinung, dass das soziale Mietrecht keiner grundsätzlichen Revision bedarf – die der Koalitionsvertrag nicht ausschließt.
Allerdings gibt es laut Poll in Bayern Trends zur Regionalisierung, die beunruhigend sind. Während man sich in Würzburg mit der allgemeinen Wohnsituation zufrieden zeige, sei München „ein ständig vorhandener Brennpunkt“. Auch die Uni-Städte des Freistaats würden „Engpässe bis Notsituationen“ melden. Die teuersten Mieten würden bayernweit in Dachau sowie in der Region um den Münchner Flughafen gefordert. Poll monierte, dass die Bundesregierung die bisherige Städtebauförderung für den Freistaat von etwa 610 Millionen Euro halbieren will.
Wie vor diesem Hintergrund bis 2050 alle Häuser energetisch saniert werden sollen – dies beabsichtigt die Bundesregierung –, sei schwer vorstellbar: Dieses Unterfangen werde nämlich mit schätzungsweise 2,4 Billionen Euro zu Buche schlagen, das bedeute 75 Milliarden jährlich. Danach soll keine Energie mehr von drinnen nach draußen verlorengehen.
Solche Modernisierungen werden selbstredend vom Vermieter auf die Miete umgeschlagen. „Für München kann dies im Extremfall Mietsteigerungen von 300 Prozent bedeuten“, sagte Beatrix Zurek, Vorsitzende des Münchner Mietervereins, dem größten in Bayern. „Man tut nicht gut daran, das soziale Mietrecht anzutasten“, sagt auch sie im Hinblick auf die Aussagen im Koalitionsvertrag.


„Peter Ramsauer ist Abbau-, nicht Bauminister“


Enttäuscht zeigt sich Zurek von Bundesminister Peter Ramsauer (CSU), zuständig für das Wohnungswesen: „Er entpuppt sich zum Abbau- statt Bauminister“, sagte sie in Anbetracht der bevorstehenden Kürzung der Städtebauförderung. Zurek fordert abweichend vom Bundesrecht regionale Regelungen, die den Bedürfnissen bestimmter Regionen Rechnung tragen: Ihrer Meinung nach muss es für München eine Kappungsgrenze in Sachen Mieterhöhungen und Modernisierungsmieten geben. Weiterhin müssten für die bis zu 9000 Wohnungen, die die marode Landesbank im Gebiet der Landeshauptstadt hat, faire Mietvertäge abgeschlossen werden. Zurek: „Damit Sicherheit für die Mieter hergestellt wird.“
Laut Schindler droht Wohnungsnot auch in zersiedelten Gegenden, wie es sie in Teilen Oberfrankens und der Oberpfalz gibt: Dort würden „andere“ Formen wie barrierefreie Wohnungen für Ältere benötigt – die es aber nicht in ausreichender Zahl gibt. Außerdem: Bereits ab dem kommenden Jahr würden die Absolventen des doppelten Abiturjahrgangs in die Uni-Städte stürmen und Wohnraum suchen. „Aber darüber hat man sich noch gar keine Gedanken gemacht, obwohl es schon so spät ist“, sagte Schindler.(Alexandra Kournioti)

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