Landtag

Der Rundfunkrat des BR muss sich neu aufstellen – darüber, wie umfassend die Reform ausfallen soll, gehen die Meinungen auseinander. (Foto: dpa)

19.06.2015

Überfällige Reformen

Wissenschaftsausschuss: Experten-Anhörung zur Sicherung der Staatsferne und Vielfalt in den Aufsichtsratsgremien des Rundfunks in Bayern

Im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks sitzen zu viele Politiker und zu wenige Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen – das muss sich ändern, fordern Abgeordnete und Experten. Doch Streit ist vorprogrammiert: Wer soll zum Beispiel entscheiden, welche Gruppe gesellschaftlich relevant ist?
Eigentlich sollte der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks (BR) ja die gesellschaftliche Realität abbilden. Doch tatsächlich sitzen dort bereits seit Jahrzehnten die Vertreter der immer gleichen Gruppen: jede Menge Politiker, dazu Vertreter der Kirchen sowie der israelitischen Kultusgemeinde, Gewerkschaften, Kammern, Bauern-, Naturschutz-, Kultur- und Bildungsverbände. „Es besteht ein umfassender Reformbedarf“ – darin waren sich die Experten in der Anhörung des Wissenschaftsausschusses zum Thema Sicherung der Staatsferne und Vielfalt in den Aufsichtsratsgremien des Rundfunks in Bayern einig.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte im März 2014 in einem Urteil zum ZDF verfügt: Künftig darf der Anteil von „staatsnahen Personen“ in den Aufsichtsgremien der Öffentlich-rechtlichen höchstens ein Drittel betragen. Die Zusammensetzung muss zudem der gesellschaftlichen Vielfalt entsprechen.

Die Drittelbegrenzung ist nur eine Höchstgrenze - es dürfen auch weniger sein

Die Drittel-Vorgabe ist im BR-Rundfunkrat fast erfüllt. Von den 47 Räten sind 16 der staatlichen Seite zuzurechnen – sie sind von den Landtagsfraktionen, der Staatsregierung und kommunalen Spitzenverbänden entsendet. „Nimmt man einen Vertreter weg oder kommt ein zusätzlicher staatsferner hinzu, wäre die Vorgabe erfüllt“, erklärte Margarete Schuler-Harms, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg. Allerdings: Auch Verbände können Politiker entsenden. Der CSU-Abgeordnete Thomas Goppel zum Beispiel sitzt für Musikorganisationen im Gremium. Um das künftig zu verhindern, brauche es eine Inkompatibilitätsregelung.

Schuler-Harms betonte aber auch: Die Drittelbegrenzung ist nur eine Höchstgrenze. Weniger Politiker dürften es also auch sein. Das würde auch die Umsetzung der zweiten Forderung des BVerfG erleichtern: die Vielfalt zu stärken. Denn gerade über die Frage, welche Gruppe relevant ist, dürfte es noch jede Menge Streit geben. Ausschuss-Vize Oliver Jörg (CSU): „Man will ja keine Gruppe verletzen, alle berücksichtigen kann man aber auch nicht.“

Die Experten brachten mehrere Vorschläge mit: Eine Kommission könnte die Gremienmitglieder wählen. „Über deren Zusammensetzung müsste dann aber auch erst mal entschieden werden“, gab der Leipziger Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart zu bedenken. Das BVerfG-Urteil lasse dem Gesetzgeber einen weiten Handlungsspielraum. Öffentliche Ausschreibungsverfahren wären ebenso denkbar wie eine regelmäßige Überprüfung durch den Landtag. Und auch darin sind sich die Experten einig: Notwendig ist eine Dynamisierung, die dem „Versteinerungsprozess“ der Gremien entgegenwirkt. „Ein alternierendes Modell würde diesen Effekt haben“, sagte Karl-Eberhard Hein, Leiter des Instituts für Medienrecht in Köln: Kleinere Gruppen würden  im Wechsel berücksichtigt.

Gesetzentwurf der FW: Landtag entsendet statt 12 nur noch 5 Mitglieder in den Rat

Die Opposition sieht sich durch die Experten darin bestätigt, dass eine grundlegende Reform nötig ist. Auch Menschen mit Behinderungen, Muslime, Verbraucherverbände oder Menschenrechtsorganisationen müssten im Gremium angemessen repräsentiert sein. Der Vorschlag, kleineren Gruppen über ein Ausschreibungsverfahren Zugang zu den Räten zu verschaffen, kam bei Martina Fehlner (SPD) und Verena Osgyan (Grüne) gut an. Und zur Sicherung von Vielfalt gehört für beide eine signifikante Erhöhung des Frauenanteils – „auf 50 Prozent“, so Osgyan. Aktuell liegt er bei etwa einem Viertel.

Das sieht auch der Freie Wähler Michael Piazolo, Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses, so. Seine Fraktion hat bereits einen Gesetzentwurf zur Reform der Aufsichtsgremien eingereicht. „Die Anhörung hat unsere Position in allen Punkten bestätigt“, sagte Piazolo. „Die Mitglieder müssen öfter durchwechseln, und Politiker müssen Platz machen für wichtige gesellschaftliche Gruppierungen.“ Ein zentraler Punkt im Entwurf: Die Zahl der von den Landtagsfraktionen entsendeten Mitglieder soll von 12 auf 5 gesenkt werden. Die Staatsregierung soll gar kein Mitglied mehr entsenden, bisher hat sie einen Sitz.

Das allerdings ist eine Forderung, die dem CSU-Mann Jörg viel zu weit geht. Er will die Fraktionsstärken im Landtag weiterhin im Rundfunkrat widergespiegelt sehen. Eine Unterschreitung der Drittelbegrenzung lehnt er deshalb ab. Dass es Reformen braucht, erkennt allerdings auch Jörg an. Doch er betonte: „Unsere Maxime ist, nur so viel zu ändern wie nötig.“ Schließlich funktioniere das System. Ein Gesetzentwurf soll jetzt erarbeitet werden – darin wohl enthalten: eine Regelung zur Erhöhung des Frauenanteils.

Dem Vorschlag der SPD-Abgeordneten Fehlner, in einer interfraktionellen Arbeitsgruppe „die beste Lösung“ zu finden, erteilte Jörg eine Absage. Zu weit lägen die Vorstellungen auseinander. Und so wird sich auch der Wunsch der Grünen Osgyan wohl nicht erfüllen: „Wir hoffen nun, dass sich die CSU-Mehrheit die Stellungnahmen der Experten zu Herzen nimmt“, sagte sie nach der Anhörung, „und es bei der gebotenen Reform nicht bei einer Minimallösung bleibt.“ (Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. Rainer am 23.06.2015
    Die LB Bayern lässt grüßen, in Bayern nennt man so etwas
    "Vetternwirtschaft"!
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