Landtag

Biomasse ist in Bayern der wichtigste erneuerbare Energieträger: 25 Prozent des Ökostroms resultieren aus Bioenergieträgern. (Foto: dpa)

04.08.2017

Umstrittene Öko-Abgabe

Die bayerische Wirtschaft will das Fördersystem für erneuerbare Energien abschaffen – die Grünen sehen dadurch die Energiewende gefährdet

Die Grünen im Landtag sind in großer Sorge. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) fordert, schnellstmöglich aus dem Fördersystem des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) auszusteigen. „Es hat sich zu einem gewaltigen Kostenungetüm entwickelt, das die deutschen Strompreise nach oben treibt“, kritisiert vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Die Staatsregierung hat im Juli dieses Jahres bereits ein Gutachten über alternative Fördermöglichkeiten in Auftrag gegeben (siehe Infokasten). Für den energiepolitischen Sprecher der Grünen, Martin Stümpfig, wäre der Ausstieg eine Katastrophe: „Damit wird das gigantische deutsche Erfolgskonzept bei der Energiewende aufs Spiel gesetzt“, sagte er beim Fachgespräch Die Kosten des EEG – Grund zur Sorge oder aufgebauschte Debatte im Landtag.

Das EEG-Gesetz soll den Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromversorgung schrittweise auf 80 Prozent bis zum Jahr 2050 erhöhen. Seit dem Jahr 2000 erhalten daher Ökostrom-Erzeuger 20 Jahre lang einen festen Abnahmepreis – unabhängig von Angebot und Nachfrage. Die sogenannte Einspeisevergütung wird aus der EEG-Umlage bezahlt, die unter anderem neben Vertriebskosten, Netzentgelt, Mehrwertsteuer und Konzessionsabgabe auf die Stromrechnung aufgeschlagen wird. Die Höhe ist abhängig von den Einnahmen der Anlagenbetreiber an der Strombörse: Wenn der Börsenpreis steigt, sinkt die EEG-Umlage – und umgekehrt.

Aktuell liegt die EEG-Umlage bei 6,88 Cent pro Kilowattstunde und damit fast doppelt so hoch wie noch 2011. Die Strompreise hätten sich dennoch nur leicht erhöht und seien seit Jahren konstant, versichert Stümpfig. Er sprich vom „Märchen von den steigenden Strompreisen“. Tatsächlich liegt der durchschnittliche Strompreis für einen Privathaushalt trotz der Inflation dieses Jahr nur zwei Cent über dem Wert von 2014. „Und auch das Jammern der Industrie ist auf keinen Fall gerechtfertigt“, klagt er. Erstens müssten sie im Gegensatz zu Privathaushalten keine Konzessionsabgabe oder Netzentgelte zahlen. Zweitens profitierten stromintensive Unternehmen von einer Ermäßigung oder Befreiung der EEG-Umlage.

"Die EEG-Kosten werden bald sinken"

Da die Anlagen nur 20 Jahre gefördert werden, werden die EEG-Kosten laut der Denkfabrik Agora Energiewende zukünftig sinken. Stümpfig vergleicht die aktuelle Situation mit einem Wanderer, der schon den Gipfel sieht. „Wir haben noch einen kleinen Peak zu bewältigen, dann werden die Zahlen in einen leichten Fall übergehen“, erläutert er. Scheitelpunkt seien acht Cent. Stümfpig bezweifelt aber, ob die EEG-Umlage im Herbst diesen Jahres überhaupt erhöht werden muss: Durch den gestiegenen Strompreis an der Börse sei das EEG-Konto so voll wie nie zuvor.

Die Landtags-Grünen sind daher gegen die vbw-Forderung nach einer Abschaffung des EEG-Systems. Ohne langfristige Planungssicherheit würden die Risiken auf die Investoren verlagert. „Dann können sich das nur noch die ganz Großen leisten“, befürchtet Stümpfig. Notfalls ist für seine Fraktion höchstens eine vorübergehende Deckelung auf beispielsweise sieben Cent pro Kilowattstunde vorstellbar. Die Kostenersparnis für Privathaushalte läge aber nur bei drei Euro pro Monat.
Stattdessen fordern die Grünen, nicht länger für Stromgroßverbraucher, sondern für Geringverdiener Ermäßigungen bei der EEG-Umlage einzuführen. Außerdem müsse das Ausschreibungsmodell reformiert werden, um insbesondere die Bürger-Energie am Leben zu halten. Stümpfig kennt in seiner Heimat Feuchtwangen viele Windbetreiber der ersten Stunde, die nach 20 Jahren aufhören wollen – obwohl die Anlage abgeschrieben ist. Grund sind laufende Kosten wie Versicherung, Wartung oder die TÜV-Erneuerung. „Für sie“, sagt der Abgeordnete, „brauchen wir mehr statt weniger neue Anreize, länger am Netz zu bleiben.“ (David Lohmann)

INFO: Gutachten der Staatsregierung über Fördermöglichkeiten
Das Wirtschaftsministerium hat beim Büro für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) ein Gutachten in Auftrag gegeben. Ziel war, die Ausgestaltung der künftigen Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbare-Energien-Anlagen analysieren zu lassen.

Baustein 1 „Umstellung des Marktprämienmodells auf Investitionskostenzuschüsse“: Der fixe Investitionskostenzuschuss soll die Planbarkeit der Refinanzierung erhöhen, stellt laut BET aber auch erhöhte Anforderungen an die Abschätzung der erzielbaren Stromerlöse am Markt.

Baustein 2 „Einspeisemanagement-Modell“: Das Instrument soll bewirken, dass in den nächsten Jahren Standorte ohne Netzengpassrisiken deutlich stärker gefördert werden als bisher. Dadurch sollen Kosten für Netzeingriffe gesenkt werden, solange der langfristige Netzausbau noch nicht umgesetzt ist.

Baustein 3 „Keine Entschädigung bei Abregelung“ unter das technisch mögliche Niveau: Dieser optionale Baustein sieht vor, regulatorische Hemmnisse wie Abgaben und Umlagen auf sonst abgeregelten Grünstrom aufzuheben. Außerdem muss die Kommunikation zwischen Netzbetreiber und Erneuerbare-Energien-Anlagenbetreiber verbessert werden, beispielsweise durch Smart-Markets-Plattformen.

Baustein 4 „Einführung eines EEG-Streckungsfonds“: Durch die zeitliche Streckung der Finanzierung des EEG-Kontos könnte dieses – nach Abbau bestehender Überkapazitäten – von sich mittelfristig stabilisierenden Strompreisen profitieren. (loh)

Kommentare (1)

  1. Lyphard am 04.08.2017
    Wie sollen sich denn die Strompreise an der Börse mittelfristig stabilisieren, wenn sich durch fortgesetzten Ausbau der Windkraft die Volatilität der Einspeisung immer weiter erhöht?
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