Landtag

Gemeinsames Mittagessen in einem Jugendheim: Die Ausgaben der Kommunen für die Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe sind stark gestiegen. (Foto: dapd)

28.09.2012

Webfehler im Ausgleichssystem

haushalts- und innenausschuss | Anhörung zum kommunalen Finanzausgleich: Spitzenverbände freuen sich über Rekordzahlungen, fordern aber mehr Planbarkeit

Ein Vierteljahr ist es nun her, dass sich die kommunalen Spitzenverbände darüber freuten, Finanzminister Markus Söder (CSU) für den kommunalen Finanzausgleich 2013 ein Rekordergebnis abgetrotzt zu haben. 7,7 Milliarden Euro, soviel hat der Freistaat noch nie für seine Kommunen ausgegeben. Schon damals merkte man aber den Malys, Brandls und Zellners an, dass Geld allein nicht glücklich macht. Der Verteilungsschlüssel wurde nicht von allen als gerecht empfunden, und an manchen Stellen wird das Geld trotzdem mehr als knapp werden. Weshalb Bayerns Kommunen und ihre Vertreter gerne eine Anhörung der Landtagsausschüsse für Haushalt und Inneres nutzten, um auf die Webfehler im Ausgleichssystem hinzuweisen.

Städtetags-Chef: Kommunalen Anteil an Steuereinahmen erhöhen


Ein allgemeines Anliegen war dabei, die jährlichen Zuweisungen längerfristig planbar zu machen. Die Steuerkraft der einzelnen Kommunen, einer der wichtigsten Parameter bei der Berechnung der Mittelverteilung, ist viel größeren Schwankungen unterworfen als die des Bundes oder der Länder. Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags, verlangte deshalb, den kommunalen Anteil an den allgemeinen Steuereinnahmen von 12,5 auf 15 Prozent zu erhöhen. Das mitunter heftige Auf und Ab bei den Schlüsselzuweisungen könne zudem dadurch eingedämmt werden, dass für die Berechnungen ein Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre zugrundegelegt werde.
Mehr Berücksichtigung bei den staatlichen Zuweisungen müssten zudem die zuletzt stark gestiegenen Ausgaben der Kommunen bei den Sozialleistungen für die Kinder- und Jugendhilfe und für Behinderte finden. Norbert Kraxenberger, Geschäftsführer beim Verband der bayerischen Bezirke, rechnete vor, dass zum Beispiel die Kosten für die Eingliederungshilfen für Behinderte seit 2005 um über 50 Prozent gestiegen seien, die dafür vom Freistaat gewährten Zuschüsse aber nur um 15 Prozent. Es sei „nicht zufriedenstellend“, so Kraxenberger, dass sich die Finanzzuweisungen  an die Kommunen in erster Linie an der Kassenlage und nicht an deren tatsächlicher Bedürftigkeit orientierten.
Buckenhofer forderte von der Staatsregierung auch mehr Engagement bei der Überwindung der Strukturschwäche in den Regionen Nord- und Ostbayerns. Zudem müsse die Entschuldung von Kommunen in prekärer Haushaltslage vorangetrieben werden. Beides sei durch eine Umschichtung der staatlichen Zuwendungen im kommunalen Finanzausgleich nicht zu schaffen, da die Mittel dann an anderer Stelle fehlten. Notwendig seien zusätzliche regional- und strukturpolitische Maßnahmen des Freistaats zur Stärkung der ländlichen Regionen, erklärte Buckenhofer. Beispiele seien Behördenverlagerungen oder Investitionen in die staatliche Infrastruktur.
Besonderes Augenmerk legten die Experten auf die Verschuldung vor allem finanzschwacher Städte und Gemeinden. Der Nürnberger Stadtkämmerer Harald Riedel forderte hier ein Entschuldungsprogramm für die Kommunen. Während der Freistaat seine Kredite bis 2030 komplett zurückzahlen wolle, seien viele Kommunen im Freistaat „weit davon entfernt, darüber auch nur zu reden“. Johann Keller vom Bayerischen Gemeindetag regte „eine Art Existenzminimum“ für Gemeinden an, das diesen unabhängig von ihrer Größe gewährt werden solle. Steuereinnahmen bis 500 000 Euro könnten nach diesem Vorschlag bei der Berechnung der Steuerkraft unberücksichtigt bleiben. Die Pro-Kopf-Verschuldung der kreisangehörigen Kommunen ist in Bayern stark unterschiedlich, der Durchschnitt liegt bei 706 Euro. Während im Landkreis Landshut die Verschuldung nur 248 Euro je Einwohner beträgt (Stand 31.12.2010), liegt sie im Landkreis Wunsiedel bei 2685 Euro. Trotz dieser Zahlen bezeichnete der Erlanger Finanzwissenschaftler Thiess Büttner die Verschuldungslage der Kommunen als „nicht alarmierend“.
Seitens der Staatsregierung sah man wenig Anlass, am System des Finanzausgleichs etwas zu ändern. Isolde Nath, leitende Ministerialrätin im Hause Söder, bezeichnete das Verteilungsverfahren „planungssicher und transparent“, die Zuweisungen seien „bedarfsgerecht“ und berücksichtigten, zum Beispiel durch die Einführung der Stabilisierungshilfen für besonders finanzschwache Gemeinden, die finanziellen und strukturellen Unterschiede zwischen den Kommunen. Man sei aber dennoch bereit, das System einem „Gerechtigkeitstest“ zu unterziehen.


Entschuldungspakt für Kommunen gefordert


Der SPD-Fraktion war das zu wenig. Nötig sei ein „Entschuldungspakt“ für Kommunen, die ohne eigenes Verschulden in finanzielle Not geraten seien. Nur so könnten sie wieder aus eigener Kraft für ihre Bevölkerung wichtige Investitionen tätigen, erklärte SPD-Haushaltssprecher Volkmar Halbleib. Manfred Pointner (Freie Wähler) rief nach einer deutlich verbesserten Datenlage zur Berechnung der Ausgleichszahlungen. Dabei müsse zwischen „rentierlichen Schulden“ für Investitionen und „unrentierlichen“ zur Bedienung laufender Ausgaben unterschieden werden. Die Grüne Christine Kamm folgerte aus der Anhörung, dass die „Transparenz des Finanzausgleichs stark optimierungsbedürftig“ sei. Das gegenwärtige Ausgleichssystem sei „kompliziert und aufwändig“, für die Kommunen müsse es transparenter und berechenbarer werden, sagte auch FDP-Haushälter Karsten Klein. Als Lösungsvorschlag brachte er eine fixe Quote von 20 bis 23 Prozent der Steuereinnahmen des Freistaats ins Spiel, die künftig automatisch in den kommunalen Finanzausgleich fließen sollen. (Jürgen Umlauft)

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