Landtag

Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel vergleicht in den Berliner Räumen des Taskforce-Büros Kopien der Varianten des Bildes „Reiter am Strand“ von Max Liebermann. (Foto: dpa)

27.11.2015

Wenig berückende Bilanz

Kulturausschuss: Die Taskforce Schwabinger Kunstfund stellt ihre Arbeit ein und berichtet über Erfolge

Die Taskforce Schwabinger Kunstfund stellt zum Jahresende ihre Arbeit ein. Zwei Jahre lang war die fünfzehnköpfige Arbeitsgruppe damit befasst, etwa 500 als Raubkunst verdächtigte Kunstwerke aus dem Nachlass von Cornelius Gurlitt zu überprüfen. Die Bilanz ist nicht berückend.

Bei vier Bildern konnte die Taskforce den Raubkunst-Verdacht bestätigen, ganze zwei wurden den Erben der einstigen Besitzer zurückgegeben. Ingeborg Berggreen-Merkel, die Vorsitzende der Taskforce, erstattete dem Kunstausschuss am Mittwoch zum vorletzten Mal Bericht – bevor im Januar der Abschlussbericht ergeht. Sie musste sich zu diversen Vorwürfen äußern.

Denn die Süddeutsche Zeitung hat pünktlich zu Bergreen-Merkels Auftritt im Kunstausschuss namentlich nicht genannte Mitglieder der Taskforce zitiert. Danach gibt es Unstimmigkeiten innerhalb der „Einsatzgruppe“ (so die wörtliche Übersetzung von „Taskforce“) und Zweifel an der Leitung. Berggreen-Merkel wies im Landtag die Vorwürfe zurück und sprach von überzogenen Erwartungen der Medien.

Vor zwei Jahren, als der Schwabinger Kunstschatz bekannt wurde (eineinhalb Jahre lang wurde er von den bayerischen Behörden verheimlicht), sei von 1400 Kunstwerken im Wert von einer Milliarde die Rede gewesen, wobei suggeriert worden sei, es handle sich überwiegend um NS-Raubkunst. In Wirklichkeit bestehe der Schwabinger Kunstschatz aus 1258 Werken, von denen 60 Prozent Papierarbeiten seien, also keine millionenschweren Ölgemälde. Bei vielen dieser Blätter sei die „Werkidentität schwer zu klären“, das heißt: Die genaue Feststellung von Künstler, Titel und vor allem Seriennummer (etwa einer Druckgraphik) ist nicht immer möglich. Generell verwahrte sich Berggreen-Merkel gegen den Vorwurf der Erfolglosigkeit der Taskforce: „Wir sind nicht dazu da, möglichst viel Raubkunst zu finden, sondern die Herkunft der Kunstwerke zu klären.“ Da helfe nur eine wissenschaftliche Vorgehensweise mit offenem Ergebnis: „Das ist nun mal das Wesen der Forschung: Man kann noch so viel Arbeit reinstecken, man weiß nicht, was dabei herauskommt.“ Die geringe Zahl von vier als Raubkunst identifizierten Werken sage also nichts aus über die Qualität der Taskforce. Abgesehen davon arbeite man nach der Maxime: „Sorgfältigkeit geht vor Schnelligkeit.“ Im Übrigen: „Es geht viel mehr voran, als gemeinhin behauptet wird.“ So habe man für alle in der Schwabinger Wohnung Gurlitts beschlagnahmten Werke „Datenblätter“ erstellt, auf denen alle unternommenen Rechercheschritte festgehalten seien.

Bayern ist ab Januar aus der Verantwortung entlassen

Und die Arbeit werde auch nach dem 31.12.2015 fortgesetzt: beim neugegründeten Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg. Sprich: Bayern ist ab Januar aus der Verantwortung entlassen, der Bund übernimmt den Fall Gurlitt allein. Die CSU-Abgeordneten im Kunstausschuss, die sich zum Thema Gurlitt in der Vergangenheit kaum äußerten, dürften nicht allzu bekümmert sein. Jedenfalls erfolgte im Ausschuss keine einzige Wortmeldung der CSU zum Thema. Auch die Freien Wähler interessierten sich allein in Gestalt des Ausschussvorsitzenden Michael Piazolo für den Fall.

Bleiben nur noch SPD und Grüne, die Berggreen-Merkel überhaupt mit einer Reaktion würdigen – einer sehr unterschiedlichen. Das zeigt sich an der Person des am 6. Mai 2014 gestorbenen Cornelius Gurlitt. Während sich Sepp Dürr (Grüne) darüber aufregte, „wie man mit diesem hilflosen alten Mann umgegangen ist“, bescheinigte Georg Rosenthal (SPD) Gurlitt „ein Stück weit kriminelle Energie“ (sagt aber nicht, worin die bestanden habe). „Mitleid“ mit Gurlitt ist nach Rosenthals Meinung „nicht angebracht“.

Mehr Übereinstimmung besteht bei Rot-Grün, was die Rolle der Landesregierung betrifft. Rosenthal: „Meint Bayern es wirklich ernst? Der Vertrag Bayerns mit dem Kunstmuseum Bern erweckt bei mir Zweifel.“ Das sehe ihm nach dem „Versuch“ aus, „alles nach Bern zu verschieben“. Das Kunstmuseum Bern ist von Gurlitt als Erbe seines Kunstschatzes eingesetzt worden. Allerdings hat eine Cousine von Gurlitt dieses Testament angefochten. Als Sepp Dürr die Arbeit der Taskforce als „Dienst nach Vorschrift“ bezeichnet, sagt Ingeborg Berggreen-Merkel: „Das tut weh!“ Daraufhin stellt Dürr klar, seine Kritik ziele auf die Provenienzforschung insgesamt, nicht auf die Taskforce im Besonderen. Seit der Washingtoner Erklärung, mit der sich die staatlichen Museen Ende 1999 zur Erforschung ihrer eigenen Bestände und gegebenenfalls zur Rückgabe verpflichteten, seien in Bayern ganze zwölf Kunstwerke an die Erben der beraubten Eigentümer zurückgegeben worden. Dürr: „Nicht mal ein Bild pro Jahr!“ (Florian Sendtner)

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