Landtag

Laut Justizministerium sind 900 der insgesamt 11 500 Gefängnisinsassen im Freistaat weiblich – Tendenz steigend. (Foto: DPA)

06.12.2013

„Wir haben unsere Belastungsgrenze erreicht“

Öffentlicher-Dienst-Ausschuss: Personalsituation im Justizvollzug

Wie wichtig ausreichend Personal in Justizvollzugsanstalten (JVA) ist, wurde zuletzt 2009 besonders deutlich. Damals hatte ein Häftling in der JVA Straubing eine Psychologin gefangen genommen und vergewaltigt. „Eine solche Geiselnahme muss man sofort in den Griff bekommen“, betont die Ausschusschefin Ingrid Heckner (CSU) während der Sitzung des Öffentlichen Diensts. „So etwas darf nicht an Personalknappheit scheitern.“

Wie es aktuell um die Personalsituation im Justizvollzug bestellt ist, berichtete den Ausschussmitgliedern der Personalratsvorsitzende des Justizministeriums, Stefan Lenzenhuber. Demnach ist die Zahl der Angestellten in bayerischen JVAs in den letzten 24 Jahren um 30 Prozent auf 5400 Stellen gestiegen. Ein Schwerpunkt sei dabei insbesondere die Betreuung, weshalb sich die Zahl der Sozialarbeiter seit 1990 auf 164 verdoppelt und die Zahl der Psychologen auf 104 sogar verdreifacht habe.

Die Aufstockung war laut Lenzenhuber auch notwendig, weil die Insassen zunehmend gewaltbereiter werden, durch die Sozialtherapie neue Aufgaben hinzugekommen sind und die Zahl der Gefangenen gestiegen ist. Während es 1990 unter 10 000 Häftlinge gegeben habe, seien es 2005 über 13 000 und dieses Jahr immerhin noch  rund 11 500 gewesen. „Besonders die Belegung bei den Frauen bereitet uns Sorgen“, erzählt der Personalratsvorsitzende. Mittlerweile seien schon 900 Häftlinge weiblich – Tendenz steigend.

Um in Zukunft das Gesundheitsmanagement in den JVAs weiter auszubauen und den Sozialdienst für eine bessere Resozialisierung zu verbessern, fordert Lenzenhuber, die von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versprochenen Finanzmittel für 200 zusätzliche Stellen möglich schnell freizugeben. „Wir haben unsere Belastungsgrenze erreicht“, betont er. Zum Beweis zieht er die Überstundenliste hervor. Demnach hätten Bedienstete 2005 „nur“ sechs Tage Überstunden aufgebaut – 2013 seien es bereits 14 Tage gewesen. Besonders ärgerlich: Personal wird immer nur zum 1. Oktober eines jeden Jahres eingestellt. Scheidet danach ein Angestellter wegen Alter, Krankheit oder Elternzeit aus, können bis zum nächsten Oktober höchstens befristet beschäftigte Bedienstete angestellt werden.

„Es besteht ein Engpass, das muss man ganz offen sagen“, räumt anschließend auch Heinrich Rudrof von der CSU ein. „Das Personal wurde zwar aufgestockt, aber die Klagen sind berechtigt“, so der Abgeordnete und Vorsitzende des Anstaltsbeirats der JVA Bamberg und Ebrach. Zukünftig müsse der Fokus stärker auf den Justizvollzug gelegt werden, weil dieser ein wichtiges Glied in unserer Sicherheitskette sei.

Stefan Schuster (SPD) begrüßt die Wandlung der JVAs weg von reinen Verwahranstalten hin zu Orten der sozialen Verantwortung. Angesichts der gestiegenen Gefangenenzahlen kämen die 200 Stellen aber viel zu spät. „Im Hinblick auf die Überstunden sind diese längst überfällig“, schimpft er.

Peter Meyer (Freie Wähler) glaubt hingegen nicht an die versprochene Personalerhöhung. „Ministerpräsident Seehofer hat erklärt, wer neue Stellen schafft, muss andere Stellen abbauen“, so der Abgeordnete. Um die rückläufige Bewerberzahl zu stoppen, fordert er zudem, Berufsanfänger nicht länger zu einem „Zwangsaufenthalt“ in München zu verpflichten. Außerdem habe er Signale bekommen, dass dem Sozialdienst die Zeit für Zuspruch und Gespräche bei familiären Problemen der Gefangenen fehle.

Markus Ganserer (Grüne) kritisiert vor allem den gestiegenen Krankenstand: „Es gibt einige JVAs, in denen das Personal an der Marke von 20 Krankheitstagen kratzt“. Daher müssten zukünftig auch die psychischen Erkrankungen der Angestellten im Blick behalten werden. Die durchschnittliche Fehlzeit bei Beamten liegt normalerweise bei zwölf Tagen. (David Lohmann)
INFO: 
Strafvollzug in Bayern

Das erste Strafvollzugsgesetz in Bayern trat 1977 in Kraft. Anschließend gab es Verbesserungen bei Gesundheitsfürsorge, Datenschutz und Arbeitsentgelt. Eine grundlegende Überarbeitung hinsichtlich des so genannten Behandlungsauftrags erfolgte allerdings erst 2008. Seitdem dient die Freiheitsstrafe zwar immer noch vorrangig dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. Gleichzeitig sollten ab diesem Zeitpunkt Gefangene aber auch befähigt werden, ein Leben in sozialer Verantwortung ohne weitere Verbrechen zu führen.

Die Vollzugsleitung unterliegt dabei dem Justizministerium. Dort kümmern sich 25 Mitarbeiter um Organisation, Personalangelegenheiten, Haushaltsaufstellung, Bauangelegenheiten, Gesetzgebung sowie die Beschäftigung der Gefangenen und die Bearbeitung von Beschwerden. Für die Ausführung sind im Freistaat 36 Justizvollzugsanstalten und sechs Jugendarrestanstalten zuständig. Die Aus- und Fortbildung der Bediensteten wird in der Justizvollzugsschule in Straubing sichergestellt.

Die insgesamt 5400 Mitarbeiter vor Ort verteilen sich in erster Linie auf den allgemeinen Vollzugs-, Werks- und Verwaltungsdienst. Danach folgen Sozialarbeiter, Psychologen, Lehrer, Ärzte und Seelsorger. Außerdem helfen aktuell rund 1500 ehrenamtliche Mitarbeiter bei der Betreuung von Gefangenen. Sie leiten Freizeitgruppen, beraten in Konfliktsituationen oder helfen Wohnungen und Arbeitsstellen zu vermitteln. Für das Amt bewerben kann sich jeder Bürger über 21 Jahre. (Loh)

Kommentare (2)

  1. Weiiiiidddder am 21.11.2015
    Ahja alex, musste weider schaffe
  2. Alexander am 09.12.2013
    Die Personalknappheit in Bayern hat Herrr Dr. Stoiber und die CSU, u.a. durch jahrelangen
    Stellenabau im öffentlichen Dienst zu vertreten.
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