Landtag

79 Millionen Euro Hilfsmittel vom Bund sind schon auf die Konten der Staatsregierung überwiesen worden. Die Kommunen im Freistaat haben davon aber noch keinen Cent gesehen. (Foto: dpa/Bernd Settnik)

17.03.2023

Zahlenwirrwarr sorgt für Verdruss

Kommunen benötigen dringend Unterstützung, aber die Staatsregierung zahlt im Gegensatz zu anderen Bundesländern die Hilfsgelder der Bundesregierung nicht aus

Die Poststelle des Bundeskanzleramts dürfte gerade viel zu tun haben. Kein Tag vergeht, an dem nicht Kommunalpolitiker*innen Brandbriefe an Kanzler Olaf Scholz (SPD) schicken – zuletzt Miltenbergs Landrat Jens Marco Scherf (Grüne) und Tübingens OB Boris Palmer. Der Tenor ist immer derselbe: Bei der Unterbringung von Geflüchteten sei das Ende der Leistungsfähigkeit erreicht. 

Kritik kommt auch von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Die Ampel darf die Kommunen beim Thema Migration nicht alleinlassen“, twitterte er kürzlich. Doch statt endlich konkrete Schritte zur Entlastung der Kommunen einzuleiten, gebe es bislang nur vage Hilfsversprechen.

Die Grünen-Landtagsfraktion konnte das nicht glauben und hat beim Bund nachgefragt. Dabei erfuhr sie: Berlin hat den Ländern für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine im Rahmen des Entlastungspakets bereits 2 Milliarden Euro zugesagt, davon allein 610 Millionen Euro für Bayern. Tatsächlich sind sogar schon 79 Millionen Euro auf die Konten der Staatsregierung überwiesen worden. Die Kommunen im Freistaat haben davon aber noch keinen Cent gesehen.

Entsprechend sauer ist die sozialpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Kerstin Celina. „Seit Wochen betreiben CSU und Freie Wähler Ampel-Bashing, weil Kommunen finanziell nicht ausreichend unterstützt werden“, kritisiert die Abgeordnete. Dabei werde die Weiterleitung der Bundesmittel durch die Staatsregierung einfach nur „massiv verschleppt“. „Das finde ich schäbig.“ Andere Bundesländer hätten das Geld längst ausgezahlt.

Die Staatsregierung versichert, das Geld werde „vollumfänglich an die Kommunen weitergeleitet“. Dafür brauche es aber erst eine Änderung des bayerischen Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze, da bisher keine Regelung zur Überweisung des Geldes an kreisfreie Gemeinden und Landkreise vorhanden sei. „Wenn andere Bundesländer andere Wege gehen, verzichten sie dabei auf Verteilungsgerechtigkeit und einen echten Lastenausgleich aufseiten der Kommunen“, heißt es aus dem Sozialministerium.

Celina versteht nicht, warum es eine Gesetzesreform braucht: „Bisher wurden die Bundesmittel doch immer problemlos an die Kommunen weitergegeben.“ Sie vermutet hinter der Aktion eine Verzögerungstaktik, um im Wahlkampf „gezielt Stimmung zu machen“. Selbst wenn eine Gesetzesänderung nötig wäre, hätte diese schon längst beschlossen werden können. Das Thema sei immerhin bereits im Dezember auf der Tagesordnung des Plenums gestanden. 

Das Haus von Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) begründet die Wartezeit mit noch nicht vorliegenden Zahlen der Bundeagentur für Arbeit (BA). Aus diesen ginge hervor, wie viele Menschen aus der Ukraine einen Anspruch auf Sozialleistungen haben, also wie viel Geld die Kommunen pro Person jeweils vom Freistaat erstattet bekommt. Celinas Forderung, diese Zahlen per Eilanfrage anzufordern, nennt das Ministerium eine „Geisterdebatte“: Die Sonderauswertung sei nun mal erst im April abgeschlossen. „Der Statistik-Service kann nur Zahlen liefern, die dort selbst bereits vorliegen.“

Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Die 79 Millionen Euro werden den Kommunen wohl frühestens nach Ostern ausgezahlt. Das kritisiert auch die Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag, Doris Rauscher (SPD). Sie hält zwar für die zielgenaue Auszahlung der Gelder an kreisfreie Gemeinden und Landkreise ebenso wie die Staatsregierung eine Gesetzesänderung für notwendig. Aber aufgrund des hohen Finanzbedarfs der Kommunen zur Flüchtlingsunterbringung hätten CSU und Freie Wähler dafür eine verkürzte Beratungszeit beantragen können und müssen.

Andere Bundesländer haben das Geld längst ausgezahlt

Die sozialpolitische Sprecherin der FDP, Julika Sandt, nennt die Verzögerungen bei der Auszahlung „skandalös“. „Bis das Geld fließt, ist es viel zu spät.“ Grund: Aktuell finden in den Kommunen die Haushaltsberatungen statt. Da laut Opposition viele nichts von der finanziellen Unterstützung der Bundesregierung wissen, würden daher beispielsweise unnötig Schwimmbäder geschlossen, um Geld für die Flüchtlingsunterbringung vorzuhalten. 

„Neben zusätzlicher Unterstützung des Bundes zu den Kosten der Unterkunft haben wir bisher keine weiteren Zuschüsse eingeplant“, sagt ein Sprecher des Landkreises Regen. Die Staatsregierung betont, die kommunalen Spitzenverbände sowohl über das bereits vom Bund ausgezahlte Geld als auch über die beabsichtigte Weitergabe informiert zu haben.

Außerdem gehe es bei der Kritik an der Ampel nicht nur ums Finanzielle, sagt der CSU-Abgeordnete Matthias Enghuber. „Sondern auch um die Masse der geflüchteten Menschen.“ Tatsächlich haben im Jahr 2022 zusätzlich zu den Ukraine-Flüchtlingen 28 Prozent mehr Menschen einen Asylantrag gestellt als im Vorjahr. (David Lohmann)
 

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