Landtag

In der neuen Projektwoche sollen Schüler Alltagskompetenzen erlernen – zum Beispiel auf einem Bauernhof. (Foto: dpa/Bernd Wüstneck)

24.01.2020

Zu Gast am Bauernhof und im Betrieb

Kultusminister Michael Piazolo (FW) berichtet über das Konzept „Schule fürs Leben“, das Alltagskompetenzen vermitteln will

Bayerns Schüler sollen besser auf ein eigenverantwortliches Leben vorbereitet werden. Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) stellte im Bildungsausschuss das vom Ministerrat verabschiedete Konzept „Schule fürs Leben“ vor, mit dem den Schülern ab dem kommenden Schuljahr verpflichtend zusätzliche Alltagskompetenzen und Praxiswissen im Bereich „Lebensökonomie“ vermittelt werden sollen.

Geschehen soll dies in zwei fünftägigen Projektwochen. Die erste werden die Schüler während ihrer Grundschulzeit durchlaufen, die zweite an allen weiterführenden Schulen zwischen der 5. und der 9. Klasse. Ein eigenes Schulfach „Alltagskompetenz“ wird es nicht geben. Die Idee zur Stärkung der Alltagskompetenzen war am runden Tisch zum Artenschutz entwickelt worden, um bei Schülern das Wissen über die Landwirtschaft sowie ökologische Zusammenhänge zu verbessern.

Piazolo betonte, man wolle den „Lebenswelt- und Praxisbezug“ in der Schule stärken und baue dabei auf bereits fächerübergreifend in den Lehrplänen verankerten Inhalten auf. Konkret gehe es um die fünf Handlungsfelder Landwirtschaft und Ernährung, Gesundheit, selbstbestimmtes Verbraucherverhalten, Umweltverhalten und Haushaltsführung. Zur Vertiefung würden nun die beiden Projektwochen eingeführt, die jeweils im Block durchgezogen werden sollen. Es stehe den Schulen frei, die Vermittlung von Alltagskompetenzen durch Wahlfächer zu ergänzen. Auch ohne diese erreiche die Alltagskompetenz nun einen Stundenumfang, der über den so manchen klassischen Schulfachs hinausgehe, betonte Piazolo.

Harsche Oppositionskritik

Als mögliche Projekte nannte der Minister den Besuch von Bauernhöfen, um Kinder über die Herkunft und Zubereitung von Nahrungsmitteln aufzuklären, aber auch Exkursionen zur Umweltbildung und Betriebsbesichtigungen. Vor allem an den weiterführenden Schulen lasse sich die Projektwoche gut mit den Lehrplanmodulen zur Berufsvorbereitung verbinden. Die Schüler bekämen so die Möglichkeit, „Berufe live zu erleben“, erklärte Piazolo. Als besonders wichtig hob er den pädagogischen Ansatz hervor. So sollte die Projektwoche nicht nur in der Schule stattfinden. Auch werde der klassische Rhythmus von Unterrichtsstunden aufgebrochen und somit nachhaltigeres Lernen ermöglicht. Nach ihrer Teilnahme an den Modulen erhielten die Schülerinnen und Schüler ein Zertifikat.

Für die Lehrkräfte bedeute die Projektwoche in der Vorbereitung eine gewisse Mehrarbeit, eine Mehrbelastung sei damit aber nicht verbunden, so Piazolo. So wirke das Hinzuziehen externer Experten entlastend, zudem werde das Ministerium Projektvorschläge, Arbeitsmaterialien und Organisationshilfen zur Verfügung stellen. Es seien auch bedarfsgerechte Fortbildungsangebote geplant. Im Nachtragshaushalt 2020 seien knapp fünf Millionen Euro für die Projektwochen vorgesehen. „Ich halte die Konzeption für ein sehr attraktives Angebot“, sagte Piazolo. Es werde eine „teamorientierte, multiprofessionelle und fächerübergreifende“ Unterrichtsform eingeführt. Nach den Erfahrungen aus der Umsetzung werde der weitere Ausbau geprüft und nötigenfalls mit zusätzlichen Mitteln hinterlegt.

Dass den Schülern aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen mehr Alltagskompetenzen vermittelt werden müssten, war im Ausschuss unstrittig. Die Opposition übte aber zum Teil harsche Kritik an Piazolos konkreten Plänen. Gabriele Triebel (Grüne) warf dem Minister eine „volle Themaverfehlung“ vor. An den Schulen „brennt die Hütte“, die Lehrerkollegien an Grund- und Mittelschulen stünden wegen des mit Mehrarbeit verbundenen Notprogramms zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung Kopf, und nun bürde Piazolo den Schulen noch zusätzliche Projektwochen auf. Nötig sei zunächst eine Entlastung der Lehrkräfte, um dann die Alltagskompetenzen besser in das Unterrichtsgefüge einbinden zu können. Triebel bezeichnete die über die Schullaufbahn verteilten beiden Projektwochen als zu wenig. Besser und nachhaltiger wäre aus ihrer Sicht ein Projekttag in jeder Jahrgangsstufe.

Auch Simone Strohmayr (SPD) bezweifelte, ob die Ziele mit zwei Projektwochen in neun Schuljahren zu erreichen seien. Schulen und Lehrkräfte bräuchten eine dauerhaft bessere Unterstützung, die kurzzeitige Einbindung von externen Fachleuten sei vor diesem Hintergrund „lächerlich“. Matthias Fischbach (FDP) erklärte, es sei ihm schleierhaft, wie die Schulen die Vorgaben Piazolos umsetzen sollen, „wo das Personal an allen Ecken und Enden fehlt“. Gerade an kleinen Grundschulen seien die personellen Ressourcen nicht ausreichend. Wenig Neues erkannte Markus Bayerbach (AfD) in dem Konzept. Besuche auf Bauernhöfen, Schulgartenprojekte oder Betriebsbesichtigungen seien schon seit Jahrzehnten Praxis an den Schulen.

Gesunde Ernährung lernen

Nikolaus Kraus (Freie Wähler) verteidigte die Pläne als „für einen Einstieg richtig“. Damit werde ein „politisches Pflänzchen angewurzelt“. Praktische Einblicke in die Land- und Hauswirtschaft seien zum Erlernen von ökologischen und ökonomischen Zusammenhängen wichtig, zudem könnten dabei Kenntnisse für eine gesunde Ernährung vermittelt werden. In zusätzlichen Betriebsbesuchen in der Phase der Berufsorientierung von Schülern sah Kraus eine Chance für das Handwerk, auch in bislang weniger bekannten Berufsfeldern Nachwuchs zu gewinnen.

Die CSU-Abgeordnete Gudrun Brendel-Fischer sah in den Projektwochen die Chance, den Schülern in einer immer theorielastigeren Schule mehr Alltags- und Handlungsbezug auf den Weg zu geben. Ergänzend forderte sie, die bisher zu isoliert aufgeführten, die Alltagskompetenz fördernden Inhalte in den Lehrplänen logischer zusammenzuführen. Um die Projektwochen bayernweit auf ein hohes Niveau zu bringen, regte Brendel-Fischer einen Wettbewerb unter den Schulen an, um Best-Practice-Beispiele zu verbreiten. (Jürgen Umlauft)

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