Landtag

Bayerische Brauer erwarten beim Export nach Übersee hohe Hürden – diese sollen durch das Freihandelsabkommen abgebaut werden. (Foto: dpa)

13.02.2015

"Zustimmung zum TTIP wird erkauft"

Europaausschuss: Das Bundeswirtschaftsministerium informiert über Fortschritte und Hürden bei den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen

Die Landtagsfraktionen fürchten Schiedsgerichte, Einschnitte in die Sozialstandards und dass Gesetze künftig von den Amerikanern diktiert werden. Der Ministerialrat des Bundeswirtschaftsministeriums bezeichnet die Diskussion hingegen als „Glaubenskrieg“. Er verspricht durch den Vertrag Zollsenkungen, einheitliche Zulassungsvorschriften und einen vereinfachten Export. In der Frage um das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP mit den USA sind die Bürger der Europäischen Union gespalten. 58 Prozent begrüßen den Vertrag, jeder Vierte ist dagegen. Die Gegner kommen vor allem aus Luxemburg, Österreich und Deutschland. „Vielleicht ist es manchmal schwieriger in Deutschland, weil wir ein Land sind, das reich und hysterisch ist”, entfuhr es Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) entnervt beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Schuld daran sind aus Sicht seines Ministerialrats Bernd Diekmann vor allem die Nichtregierungsorganisationen Attac und Campact. „Wir befinden uns in einem Glaubenskrieg“, erklärt er im Europaausschuss des Landtags. Als Leiter des Referats USA, Kanada und Mexiko im Bundesministerium wolle er daher „langweilig-nüchtern“ informieren, um der bisherigen Debattenkultur entgegenzuwirken.

Für Diekmann ist das Abkommen von entscheidender Bedeutung: Ein Drittel des Welthandels finde zwischen der EU und den USA statt. Gerade für die Bundesrepublik würde das Land zu einem immer wichtigeren Kunden – insbesondere im Bereich Kraftfahrzeuge und Maschinen. Das Problem: Wenn beispielsweise ein bayerischer Brauer Bier nach Übersee exportieren möchte, erwarten ihn Zölle von über 40 Prozent und hohe Hürden bei den Zulassungs- sowie Importvorschriften. Dies alles soll durch das TTIP vereinfacht werden. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Bisher existieren laut Diekmann zwar schon in vielen Bereichen Textpassagen, auf die sich beide Seiten einigen konnten – allerdings mit vielen eckigen Klammern. Fortschritte gebe es bei der Verbesserung des Marktzugangs, der Anerkennung von Berufsqualifikationen und beim Konzept der Ursprungsregeln. Diesem zufolge sollen Produkte aus den Vertragsländern bevorzugt behandelt werden. Außerdem gebe es Erfolge beim Abbau der Buy-American-Klausel, nach der bei staatlichen Investitionen nur amerikanische Produkte verwendet werden dürfen.

Besonders problematisch sind nach Auskunft des Ministerialrats die Bereiche Sicherheitsstandards, geistiges Eigentum, Herkunftsbezeichnung, Wettbewerbspolitik von Unternehmen wie Google oder Umgang mit Staatsunternehmen wie in China. Als größte Hürden bezeichnet Diekmann den Datenschutz, die Daseinsvorsorge, die audiovisuellen Dienstleistungen, die Landwirtschaft und den Investitionsschutz mit seinen Schiedsgerichtsverfahren. Diese seien gerade in südosteuropäischen Ländern wichtig.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Die USA bezeichnen das EU-System als zu schwerfällig und innovationsfeindlich, die EU hingegen das US-System als willkürlich und wegen der vielen Regelungen in den einzelnen Bundesstaaten als Flickenteppich. Um die Öffentlichkeit bei den zukünftigen Verhandlungen besser mit einzubeziehen, gibt es jetzt in Brüssel einen Leseraum für bereits abgestimmte Texte. „Außerdem steht viel im Internet“, versichert Diekmann. Auch in den US-Botschaften der EU-Hauptstädte sollen bald Texte einsehbar sein. Kopieren ist allerdings verboten: Die entsprechenden Räume dürfen nur mit Papier und Bleistift betreten werden.

Überzeugt sind die Abgeordneten im Maximilianeum nach den Ausführungen nicht. „Der Landtag ist zwar an den Konsultationen beteiligt“, erklärt Ausschusschef Franz Rieger (CSU). Er habe aber insbesondere mit der Schiedsgerichtsklausel noch seine Probleme. Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) befürchtet durch ein „so mächtiges Handelsabkommen“ eine Beeinflussung des demokratischen Gesetzgebungsverfahrens und der in der Verfassung verankerten Streitschlichtungsmechanismen. Außerdem habe er in der ganzen Debatte nichts über Sozialstandards wie Rente oder Mindestlohn gehört. „Und was ist eigentlich mit Fairtrade?“, fragt Pfaffmann.

„Zukünftig werden die Amerikaner unsere Gesetzesentwürfe vorab prüfen und sie bei Nichtgefallen in den Papierkorb werfen – noch bevor ein Politiker sie gesehen hat.“

Die im Bund nicht an der Regierung beteiligten Fraktionen gehen mit TTIP deutlich härter ins Gericht. „Zukünftig werden die Amerikaner unsere Gesetzesentwürfe vorab prüfen und sie bei Nichtgefallen in den Papierkorb werfen – noch bevor ein Politiker sie gesehen hat“, schimpft Hans Jürgen Fahn (Freie Wähler). Zudem betrage das Wachstum durch den Vertrag in zehn Jahren lediglich 0,5 Prozent – also im Durchschnitt nur 0,05 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig besagt eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung, dass besonders afrikanische Entwicklungsländer durch das Abkommen deutliche Marktanteile verlieren und an den Rand gedrängt würden.

Rosi Steinberger (Grüne) findet es „bedenklich“, wenn Staaten, die TTIP nicht zustimmen wollen, mit wirtschaftlichen Anreizen auf Kurs gebracht werden sollen. „Das klingt für mich, als ob sich die Zustimmung der kleineren Länder erkauft werden soll“, geißelt die Abgeordnete. Statt wegen der südosteuropäischen Länder Schiedsgerichte einzuführen, sollte lieber ganz ohne Vertrag die dortige Gerichtsbarkeit verbessert werden.

Aufgrund der US-Präsidentschaftswahl im November 2016 soll das Abkommen bis spätestens Sommer kommenden Jahres ratifiziert sein. Die Opposition hält den Zeitplan jedoch für unrealistisch. (David Lohmann)

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