Leben in Bayern

Stammgast bei der "Fastnacht in Franken": Das Kabarettisten-Duo Volker Heißmann (links) und Martin Rassau alias "Waltraud & Mariechen". (Foto: dpa/David Ebener)

12.01.2021

"A schens Gschmarri"

Tanzmariechen und Gardetänzer fühlen sich ausgebremst: Auftritte vor großem Publikum wird es in dieser Faschingssaison nicht geben. Frechheiten von Wortakrobaten gegen Politiker hingegen schon - zu Corona-Zeiten vielleicht mehr denn je

"Bunte Maske über Nase und Mund - und dann geht's rund!" Der Titelsong für die diesjährige Fastnacht strotzt voll Zuversicht. "Das wird die längste Polonäse auf der Welt, weil jeder 1,50 Meter Abstand hält", singt Kabarettist Michl Müller darin. Doch die fünfte Jahreszeit sieht in der Realität trüb aus: keine Prunksitzungen, kein Publikum, keine Polonäse.

"Für alle, die ehrenamtlich in Vereinen tätig sind - ob das Trainer, Betreuer, Tänzer, Kinder sind - ist das extrem belastend", sagte Marco Anderlik, Präsident des Fastnacht-Verbands Franken (FVF), zu Beginn des Teil-Lockdowns im November. Sowohl das Vereinsleben als auch Existenzen seien gefährdet. Dabei bedarf es gerade in der Krise: Spaß, Unterhaltung und Ablenkung.

Auch für die bekannten Kabarettisten Martin Rassau und Volker Heißmann - alias "Waltraud & Mariechen" - sei es ein großer Einschnitt, nicht vor Publikum auftreten zu können. "Wir vermissen unsere Bühne, und aus den Reaktionen der Menschen wissen wir, dass unsere Gäste auch ihre Comödie Fürth vermissen." Durch die Corona-Pandemie mussten viele Veranstaltungen in der Comödie in Fürth - ihrem Lebensprojekt - abgesagt werden.

Normalerweise finden in dem Theater etwa 300 Vorstellungen im Jahr mit rund 120 000 Gästen statt. "Beim ersten Mal haben wir noch versucht, unser Publikum mit Online-Angeboten zu erreichen, aber auch das kann nie eine Alternative für Live-Vorstellungen sein", erzählt das Duo.

"Waltraud & Mariechen": 70 000 Euro mit Crowdfunding erzielt

Nach dem ersten Corona-Lockdown starteten die beiden Komödianten eine Crowdfunding-Aktion, um keine Mitarbeiter entlassen zu müssen und ein Zeichen für die freie Kulturszene und deren Situation während der Corona-Krise zu setzen. Fast 70 000 Euro kamen dabei zusammen. Für die Branche sei die Lage aber "entsetzlich". "Für viele Betriebe ist der zweite monatelange Stillstand existenziell bedrohlich und wird die Kultur in Deutschland nachhaltig verändern."

Um die Narren bei Laune zu halten, lassen sich Vereine kreative Ideen in sozialen Medien einfallen. Das Prinzenpaar der Landeshauptstadt München wurde in diesem Jahr am 11.1. um 11:11 Uhr beispielsweise digital gekrönt - üblicherweise findet die traditionelle "Volkstümliche Inthronisation" am Münchner Marienplatz im Beisein zahlreicher Fanschingsfans statt.

Da dem Paar wegen Corona keine Besuche in sozialen Einrichtungen wie Alten- und Pflegeheimen erlaubt sind, verteilt die Münchner Gesellschaft Narrhalla "Fasching aus der Schachtel" - darin ist unter anderem eine DVD mit Highlights aus den letzten sieben Jahren der Faschingsgesellschaft.

Auch Volker Heißmann alias "Mariechen" hat mit der Band "Die Dorfrocker" aus Kirchaich (Landkreis Haßberge) Faschings-Freunde aufgerufen, ein Video zu Hause zum Kulthit "Franken Helau" zu drehen. "Wir sind überwältigt vom Rücklauf der Videos", sagt Markus Thomann von den Dorfrockern. Die einzelnen Sequenzen werden derzeit zu einer Version zusammengeschnitten - Ende Januar soll das Gemeinschaftsvideo veröffentlicht werden.

"Franknacht in Franken" ohne Politiker und Publikum

Auch die bekannte Fernseh-Prunksitzung "Fastnacht in Franken" - der Abend im Jahr, an dem allerlei Frechheiten gegen die Polit-Prominenz ausdrücklich erwünscht sind - wird stattfinden. Allerdings bleiben die Sitze in den Mainfrankensälen von Veitshöchheim leer. Das einzige Gegenüber der Kabarettisten und Komödianten wird eine Kamera sein. Kein Publikum und keine Politiker, die dem ein oder anderen Seitenhieb nur mit einem annehmlichen Lachen entgegenstehen können. Kein Markus Söder (CSU) kostümiert als Homer Simpson, Marilyn Monroe, Shrek oder Ministerpräsident mit bunter Fliege.

Heißmann und Rassau hoffen, dass die diesjährige Ausgabe der Fastnacht eine "Notlösung" bleibe und es eine solche Show, ohne Publikum und Politiker, nur ein einziges Mal geben wird. "Allein die Blicke vieler Protagonisten, die unter ihren Masken schwitzen und Angst haben vor dem nächsten Gag, sind nicht zu ersetzen."

Seit der Erstausstrahlung 1987 lief die "Fastnacht in Franken" live und wurde zum Quotenhit des BR - letztes Jahr mit knapp 50 Prozent Einschaltquote in Bayern. Bundesweit schauten 3,81 Millionen Menschen das TV-Event. Die Aufzeichnung findet Ende Januar statt. "So wird versucht, die Beiträge der Künstler auch in diesem Jahr so aktuell wie möglich zu halten", sagte eine BR-Sprecherin.

Als Vorgeschmack auf die Faschingszeit strahlt der Sender am 15. Januar "Die Närrische Weinprobe" aus. Im Ambiente des Staatlichen Hofkellers der Würzburger Residenz blicken die Komödianten in einer Mischung aus Wortwitz, Musik und Wein auf die fast 20-jährige Geschichte der Sendung zurück. 

Auch die Auftritte in der "Fastnacht in Franken" seien in diesem Jahr "anders", sagte Heißmann in der BR-Abendschau. Die Leute werden die "alten Gesichter wiedersehen und sagen: "Naja, war zwar net so wie sonst, aber war trotzdem a schens Gschmarri."" Kollege Rassau ergänzte: "Diese Abstandregel ist für uns Franken schon schlimm. Anderthalb Meter ist nix für uns Franken. Wir wollen zurück zu unseren fünf Metern, wie's der Franke braucht."
(Carolin Gißibl, dpa)

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