Leben in Bayern

An Weihnachten kann Einsamkeit besonders quälend sein. (Foto:dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

22.12.2020

Allein am Familienfest

Aus der Wohnung gegenüber leuchten die Kerzen des Weihnachtsbaums, untendrunter hört man besinnliche Musik und obendrüber die Nachbarskinder über Geschenke jubeln: Weihnachten kann kaum jemand entfliehen. Umso schlimmer für die, die an Heilig Abend einsam sind

Weihnachten ist für viele das innig herbeigesehnte Fest der Familie - für andere hingegen der schlimmste Tag im Jahr, an dem sie sich endlos einsam fühlen. Vor allem ältere Menschen, aber auch jüngere Alleinstehende leiden oft immens, wenn sie an Heilig Abend allein in der Wohnung sitzen. In diesem Jahr können wegen der Corona-Krise noch viel mehr Menschen als sonst Weihnachten nicht im Kreise anderer feiern - und das hat Folgen.

"Weihnachten ist in den Familientraditionen verankert als Highlight des Jahres", erläutert Winfried Pollmann von der Landesgruppe Bayern des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Durch die Kontaktbeschränkungen entstehe heuer jedoch eine völlig neue Situation, was eine große Unsicherheit und Belastung bewirke. Außerdem komme der ökonomische Aspekt dazu. "Viele Familien und Einzelpersonen sind existenziell in ihrem Lebenserwerb beeinträchtigt."

Letztlich aber sei die gesamte Gesellschaft betroffen: "Die Risikogruppen - das sind die Älteren und Vorerkrankten - können gerade jetzt die Gemeinschaft nicht wahrnehmen. Aber auch für die Familienangehörigen, die ständig überlegen müssen, ob sie geliebte Menschen infizieren und damit deren Leben gefährden könnten, ist die Situation eine Belastung." Zwischen Solidarität und Nähe auf der einen und Risiko und Schutz auf der anderen Seite abwägen zu müssen, verursache enormen Stress.

Stress, Schlafstörungen, Depressionen

Den haben auch jene, die wegen der Ansteckungsgefahr nun nicht mehr besucht werden (dürfen). "Menschen sind soziale und bedürftige Wesen. Wenn ihnen in der aktuellen Corona-Pandemie die soziale und körperliche Zuwendung entzogen wird, stellt dies für die menschliche Psyche eine enorme Herausforderung oder Erschütterung dar", erläutert die Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Claudia Ritter-Rupp.

Nicht jeder, der allein ist, ist auch einsam. Das Gefühl der Einsamkeit beinhaltet, sich isoliert oder nirgendwo zugehörig zu fühlen. "Je länger die Krise dauert, desto eher sind die Selbstheilungskräfte überfordert, was dann oftmals zu einer Zunahme von psychischen Symptomen oder Erkrankungen führt", erläutert Ritter-Rupp. "Stresserscheinungen, Schlafstörungen, Depressionen und ganz besonders Ängste nehmen durch die Alltagsbeschränkungen und finanziellen Auswirkungen zu."

Im vergangenen Jahr lebte in rund 42 Prozent aller Haushalte in Bayern nur eine einzige Person. In den Städten waren es sogar 53 Prozent, also mehr als jeder zweite. 40 Prozent der Alleinlebenden waren laut Statistischem Landesamt älter als 60. Knapp 27 Prozent waren unter 35 Jahren alt - und gehörten somit einer Personengruppe an, die Studien zufolge ebenso wie Familien mit kleinen Kindern im ersten Lockdown im Frühling besonders unter Einsamkeit gelitten hat.

Bewusst genussvoll Dinge tun

Um dies zu verhindern, empfehlen die Fachleute, die möglichen und erlaubten Alternativen voll auszuschöpfen: Telefonate, Videoschalten, Briefe, Besuche am Gartenzaun. Aber auch bewusst und genussvoll Dinge zu tun, für die man sonst keine Zeit findet.

Man kann auch gezielt Anschluss suchen: Im Internet werden unter dem Schlagwort #keinerbleibtallein an Weihnachten und Silvester Besuche bei offenherzigen Gastgebern vermittelt. Für Senioren gibt es zudem das "Silbernetz". Neben einer Telefonhotline unter 0800 4 70 80 90 zum spontanen Austausch können sich über 60-Jährige dort auch wöchentlich anrufende Telefonfreunde vermitteln lassen.

Wenn alle Tipps und Angebote nicht helfen und sich die Einsamkeit zuspitzt, sollte auf jeden Fall gehandelt werden, wie Pollmann betont. "In dem Moment, wo Sie in Ihrem Wohlbefinden so eingeschänkt sind, dass Sie das Gefühl haben, Sie kommen selbst nicht mehr aus diesem selbst wahrgenommenen Käfig der Einsamkeit heraus, ist es mit Sicherheit angezeigt, dass Sie sich möglichst frühzeitig professionelle Hilfe suchen." Sonst bestehe die Gefahr, in eine Depression abzugleiten, die bis hin zu einem Suizid führen könne.

Doch so weit muss es nicht kommen. "Ein großer Teil der Bevölkerung - etwa 80 Prozent werden vermutet - kommt gut mit der Corona-Sitution klar und erlebt keine extreme Einschränkung seiner Lebensqualität", berichtet Pollmann. "Natürlich wollen wir grundlegend an Bewährtem festhalten, weil jede Änderung einer Gewohnheit mit viel Lernaufwand verbunden ist. Aber letztlich sind wir Menschen grundsätzlich in der Lage, uns an außergewöhnliche Situationen auch anzupassen."

Zumal die Hoffnung besteht, nächstes Jahr wieder ein normales Weihnachten zu erleben.
(dpa)

Was an Corona-Weihnachten noch erlaubt ist
Die Weihnachtsfeiertage nahen, es soll auch in diesen Corona-Zeiten so besinnlich wie möglich werden. Ärger mit der Polizei wünschen sich wohl die wenigsten. Doch was ist nun eigentlich erlaubt und was nicht? Ein Überblick:

AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN AM TAG:
Damit die Menschen möglichst wenig andere treffen, gelten tagsüber Ausgangsbeschränkungen. Nur mit triftigen Gründen darf die eigene Wohnung verlassen werden. Dazu zählen neben Wegen zur Arbeit oder zum Arzt auch Einkäufe und die weiterhin erlaubten Treffen mit einem weiteren befreundeten Hausstand - insgesamt dürfen das aber maximal fünf Personen sein, Kinder unter 14 Jahren nicht mit eingerechnet.

AUSGANGSSPERREN ABENDS UND NACHTS:
Wer zwischen 21.00 Uhr und 05.00 Uhr noch im Freien unterwegs ist, braucht einen wirklich triftigen Grund. Joggen ist verboten, Gassigehen nicht. Bei einem medizinischen Notfall dürfen Bayerns Bürger raus, für einen spätabendlichen Besuch bei Freunden nicht - es sei denn, man kommt kurz vor 21.00 Uhr an und übernachtet.

Der Weg zur Arbeit, die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts, die Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen und die Begleitung Sterbender sind erlaubt. Keine Ausnahmen gibt es für Gläubige. Gottesdienste sind zwar möglich, allerdings müssen deren Besucher um 21.00 Uhr zu Hause sein. Auf die traditionellen Christmetten spät am Abend oder Mitternachtsmessen muss verzichtet werden. Mindestens 500 Euro Bußgeld sind bei Verstoß gegen die Vorgaben möglich.

KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN:
Grundsätzlich, auch an Weihnachten, gilt die Regel: maximal ein weiterer Hausstand, insgesamt fünf Personen, Kinder unter 14 nicht mit eingerechnet. Das gilt für den Freundeskreis auch an Weihnachten.
Lediglich im engsten Familienkreis kann die Runde vom 24. bis 26. Dezember etwas größer ausfallen: Dann dürfen zum eigenen Hausstand vier weitere Erwachsene (zuzüglich deren Kinder unter 14) hinzukommen, gleichgültig aus wie vielen Hausständen diese vier Personen kommen. Zum engsten Familienkreis zählen dabei Ehegatten, Lebenspartner und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige.

Politiker appellieren aber seit Tagen, dass man am besten gar keine Verwandten trifft - selbst wenn es erlaubt ist. Denn das heimelige Zusammensitzen im Familienkreis könnte die Infektionsraten besonders nach oben treiben. (dpa)

Kommentare (2)

  1. Alexander am 23.12.2020
    Was machen dann die 15 und 16 jährigen Kinder?
    Zu Hause bleiben?
  2. Alexander am 23.12.2020
    Derzeit findet keinerlei Leben in Bayern statt.
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