Leben in Bayern

Peter Sauer hält in der Produktion seiner Feuerwerksfabrik neben seiner Angestellten Marion Nagy Kanonenschläge in seinen Händen. In seiner Firma werden die Feuerwerkskörper noch von Hand gefertigt. (Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand)

29.12.2020

Bayerns letzte Pyro-Hersteller kämpfen ums Überleben

Zwei Weltkriege, China-Konkurrenz oder Feinstaub-Debatten: All das konnte die Familie Sauer nicht davon abhalten, Feuerwerk in Bayern herzustellen. Doch die Corona-Maßnahmen stellen die letzten Pyro-Produzenten im Freistaat vor ungeahnte Probleme

"Jetzt lassen wir's krachen", sagt Peter Sauer. "Wir müssen aber acht Meter Abstand halten, so weit dürfen die Trümmerteile nämlich fliegen." Mit den drei roten Kanonenschlägen in seiner Hand kennt sich Sauer aus. In der Firma des 58-Jährigen werden Feuerwerkskörper noch von Hand gefertigt - mit Unterbrechungen seit 1863. Jetzt fragt er sich, wie lange noch.

"Ich bin ein gnadenloser Optimist", sagt Peter Sauer. "Aber Corona macht uns - der ganzen Branche - den Gar aus." In den vergangenen Jahren bereitete seine Firma Feuerwerke für 120 Volksfeste, Hochzeiten und Firmenfeiern vor. Im Pandemie-Jahr 2020 waren es acht. "Dass wir das bis jetzt überstanden haben, liegt an staatlichen Hilfen und Kurzarbeit", sagt Sauer. "Wären wir alleingelassen worden, gäbe es uns jetzt nicht mehr."

Dabei hat das Familien-Unternehmen in seiner mehr als 150-jährigen Geschichte vieles überdauert: zwei Weltkriege, mehrere Umzüge, Konkurrenz aus Asien und Feinstaub-Debatten. "Aber jetzt ist alles total zusammengebrochen", sagt Sauer. Von sechseinhalb Stellen in seiner Firma sind noch dreieinhalb übrig.

Sauers Unternehmen ist mit diesen Problemen nicht allein. "Nächstes Jahr könnte eine Pleitewelle kommen", sagt der Geschäftsführer des Verbands der pyrotechnischen Industrie (VPI), Klaus Gotzen. "Das hängt jetzt auch davon ab, ob es staatliche Hilfen gibt oder nicht." Das Verkaufsverbot zum Jahreswechsel treffe die Branche "härter als jede Umweltdiskussion". In dieser Zeit würden normalerweise 95 Prozent des Jahresumsatzes gemacht.

Auch Thomas Wagner hat derzeit wirtschaftlich zu kämpfen. Seine Firma in Bergen am Chiemsee ist neben Sauers Betrieb nach Kenntnis des VPI die einzige, die in Bayern noch selbst Feuerwerkskörper herstellt. Wagner hat dazu vor zehn Jahren eine eigene Produktion hochgezogen - aber nur für Bühnenfeuerwerk und technische Geräte.

"Wir waren hier mal zu viert, jetzt habe ich noch einen Mitarbeiter", sagt Wagner. Die dünne Auftragslage während der Corona-Pandemie habe er zur Entwicklung neuer Produkte genutzt. "Aber das wird sich noch eine Zeit ziehen", sagt Wagner. "Großveranstaltungen waren das erste, das aufhörte, und sind das Letzte, was wiederkommt."

In Peter Sauers Feuerwerksfabrik sind deshalb Viktor Zimmermann und Marion Nagy an einem kalten Dezembermorgen als einzige bei der Arbeit. In verschiedenen Bungalows fertigen sie Signalfackeln, die zum Beispiel von der Polizei genutzt werden. Handarbeit sei dabei wichtig, betont Nagy: "Bei uns kommt es nicht auf Schnelligkeit an, sondern auf Genauigkeit."

Zum Jahreswechsel werden normalerweise 95 Prozent des Jahresumsatzes gemacht

Mit solchen Geräten könne er sich über Wasser halten, sagt Peter Sauer. Er lasse auch Hagelabwehrfackeln fertigen, die an Flugzeugen befestigt sicherstellen sollen, dass Niederschlag als Regen auf die Erde trifft. Hergestellt werden sie per Hand und mit Holzstößeln. Die eigene Produktion aufzugeben, sei für ihn nie in Frage gekommen, sagt Sauer. "Wenn man nur noch ein Handelsbetrieb ist, verliert man viele Fähigkeiten."

Doch Sauers Mitarbeiter fertigen in ihren Bungalows auch immer noch Kanonenschläge. "Dabei mag ich es bis heute eigentlich nicht, wenn es knallt", sagt Geschäftsleiter Sauer. In seiner Wohnung auf dem Firmengelände könne er aber gut schlafen - dank seiner Mitarbeiter: "Ich habe gute Leute."
Und wenn es darum geht, die Besonderheiten seiner handgefertigten Böller zu erklären, steckt Sauer selbst die Zündschnüre an. Vorher erklärt er noch, die Kanonenschläge hätten eine Sollbruchstelle, um verlässlich in der Mitte aufzuplatzen. Und er verwende Pappmaché statt Tonerde, das sei weniger gefährlich und dreckig.

Nach den drei Explosionen wird es ruhig auf dem Firmenareal in Gersthofen. Er sei ja ein gnadenloser Optimist, sagt Sauer wieder. Dennoch werde er im neuen Jahr Heizung und Licht in der Firma ausschalten, um Kosten zu sparen. "Und dann hoffe ich, dass es nächstes Jahr im Sommer wieder leichter wird." Nach einer kurzen Pause fügt er an: "Aber so richtig glaube ich nicht dran." (  (Frederick Mersi, dpa)

INFO: Böllerverbot in Bayern
Draußen angestoßen werden darf um Mitternacht grundsätzlich nur auf einem privaten Grundstück, etwa im eigenen Garten oder auf dem Balkon. Das Abbrennen oder Mitführen von Pyrotechnik ist in der Silvesternacht auf "publikumsträchtigen Plätzen" untersagt - welche damit gemeint sind, müssen die Kommunen jeweils festlegen. Doch manchen bayerischen Städten geht das nicht weit genug, sie wollen auch das Böllern auf privaten Grundstücken untersagen. Ein Überblick über die Beschränkungen und die Maßnahmen in einigen großen Städten:

MÜNCHEN: Die Landeshauptstadt weist darauf hin, dass das Abbrennen von Feuerwerk nach der Corona-Verordnung "kein triftiger Grund" sei, um die eigene Wohnung zu verlassen. Wer in München innerhalb des Mittleren Rings wohnt, muss zusätzlich auf laute Böller verzichten. Klassische Kracher ohne Lichteffekte dürften in diesem Gebiet im Zentrum der Millionenstadt auch auf Privatgrundstücken nicht gezündet werden, erklärte ein Sprecher der Stadt. Das Münchner Polizeipräsidium will in Stadt und Landkreis München mindestens 300 zusätzliche Beamte einsetzen, um die strengen Vorschriften rund um den Jahreswechsel zu kontrollieren.

NÜRNBERG: In Nürnberg soll es an Silvester ein Feuerwerksverbot im gesamten Stadtgebiet inklusive der Privatflächen geben. Das Böllerverbot soll in einer entsprechenden Allgemeinverfügung festgeschrieben werden - dann dürfen die Bürger auch nicht in ihrem Garten oder auf dem Balkon Pyrotechnik zünden. Die Stadt begründet dies einerseits mit den hohen Corona-Infektionszahlen und der damit verbundenen kritischen Lage in den Kliniken, andererseits mit dem hohen Verletzungs- und Brandrisiko durch das Feuerwerk. Im vergangenen Jahr habe es an Silvester binnen zwölf Stunden im Vergleich zu anderen Tagen zusätzlich 186 Notfalleinsätze und 90 Einsätze mehr für die Feuerwehr gegeben. Erlaubt bleibt in der Frankenmetropole nur noch Kinderfeuerwerk wie Wunderkerzen oder Knallerbsen. Nach Angaben des Verwaltungsgerichts in Ansbach gab es bereits zwei Eilanträge gegen die Verfügung - allerdings waren diese eingegangen, bevor die Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt worden war. Das Gericht lehnte daher die Anträge ab, wie ein Sprecher am Montag mitteilte. Ob nach der erlassenen Allgemeinverfügung erneut Anträge eingehen, ist abzuwarten.

AUGSBURG: In Augsburg hatte das Verwaltungsgericht letzte Woche ein solches von der Stadt ausgesprochenes flächendeckendes Feuerwerksverbot gekippt. Doch die Stadtverwaltung legte am Montag Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Die Stadt will es untersagen, pyrotechnische Gegenstände mit sich zu führen oder irgendwo in der 300 000-Einwohner-Stadt abzubrennen - auch auf privaten Flächen. "Aufgrund der hohen Kapazitätsbelastung im Uniklinikum und der Auslastung der Rettungsdienste ist dies erforderlich", sagt Ordnungsreferent Frank Pintsch.

REGENSBURG: Die Oberpfälzer Stadt belässt es bei einem Feuerwerksverbot auf öffentlichen Flächen im Zentrum. Bereits Mitte November hatte die Kommune ein umfassendes Böllerverbot für die zum Weltkulturerbe ernannte Altstadt festgelegt. Während damals das Regensburger Böllerverbot über die Vorgaben anderer Städte hinausging, orientiert sich die Kommune nun an den Vorgaben der Staatsregierung in München von Mitte Dezember. Um dies durchzusetzen, würden Kontrollen durch die Polizei und den "Kommunalen Ordnungsservice" der Stadt durchgeführt, erklärt eine Sprecherin.

INGOLSTADT: In der oberbayerischen Großstadt gibt es über die staatlichen Vorschriften hinaus wie im Vorjahr aus Brandschutzgründen ein Feuerwerksverbot in der Altstadt. Um die Vorschriften zu kontrollieren, werden auch jetzt wieder kommunale Mitarbeiter neben der Polizei unterwegs sein. "Im Vorjahr lag der Schwerpunkt auf einer Kontrolle des Feuerwerk-Abbrennverbotes in der Altstadt, heuer wird es die Kontrolle der Ausgangssperre sein", sagt Stadtsprecher Michael Klarner.

BAMBERG: Die oberfränkische Stadt hatte bereits in der Vergangenheit auf dem Domplatz und an weiteren Orten ein Feuerwerksverbot. Wie ein Sprecher erklärt, sind nun die Lockdown-Regelungen des Freistaats deutlich strenger als jede bisherige kommunale Regelung. Insofern seien zusätzliche Vorschriften der Stadt nicht nötig.

POLIZEI: Polizeipräsidien verweisen darauf, dass sie nicht ohne Anlass in den Wohngebieten nach großen, verbotenen Silvesterpartys suchen werden. Der Sprecher des Kemptener Präsidiums, Dominic Geißler, sagt aber, dass eine Streife losgeschickt werden müsse, wenn Bürger die Polizei riefen, weil in der Nachbarschaft zu groß gefeiert werde. "Anlasslose Kontrollen von Wohnungen sind nicht zulässig", betont auch Michael Siefener vom Innenministerium in München. Wenn es Hinweise auf Ordnungswidrigkeiten gebe, müssten die Beamten vor Ort abwägen, ob sie in das Haus gehen dürfen. "Zum Betreten einer Wohnung bedarf es einer dringenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut wie die Gesundheit", erläutert der Ministeriumssprecher. Es komme bei solchen Einsätzen immer auch auf die Verhältnismäßigkeit an. (dpa)

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