Leben in Bayern

"Viele Tierhalter befürchten finanzielle Einbußen", sagt Bernd Keller, Vorsitzender des Odenwälder Schäfervereins. (Foto: dpa)

11.12.2017

Besorgte Schäfer

Die Rückkehr des Wolfes in viele Wälder in Süddeutschland löst keine ungeteilte Freude aus. Mehrere Schafe wurden gerissen. Mancher Schäfer möchte gar aufgeben

Der Wind pfeift an diesem kalten Dezembertag über den Sportplatz im hessischen Kailbach - nur wenige Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt. Die Weide, auf der ein Wolf vor wenigen Tagen acht Schafe gerissen hat, liegt nur einen Steinwurf davon entfernt. Wohnhäuser stehen direkt am Rand der großen Wiese. 150 Jahre galt der Wolf im Odenwald, der sich über Teile von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern erstreckt, als ausgerottet. Dass ein solches Tier in dem kleinen Ortsteil der Gemeinde Hesseneck Schafe gerissen hat, gibt einer Anwohnerin zu denken. Zwar habe der "graue Jäger" seine Daseinsberechtigung, sagt die 53 Jahre alte Frau. Problematisch werde es aber, wenn ein solches Raubtier die Scheu vor dem Menschen verliert, gibt sie zu bedenken. "Ich habe ein mulmiges Gefühl, vor allem wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe", fügt die Frau fröstelnd hinzu.

Seit wenigen Tagen ist es Gewissheit, dass mindestens ein Wolf durch die Wälder zwischen Hessen, Bayern und Baden-Württemberg streift. Nach dem Fund toter Schafe und einer verendeten Ziege an drei Stellen bestätigten genetische Untersuchungen des Senckenberg Instituts Ende November den Verdacht. Unklar ist, ob an den Orten ein einziger Wolf zugeschlagen hat oder ob es sogar mehrere der Beutegreifer waren.

Unruhe bei Landwirt Kübler: Ein Wolf hat sich
eine seiner Ziegen und ein Schaf geschnappt

Unter den Schäfern macht sich nun Unruhe breit. Einige sagen, ein "Problemwolf" treibe sein Unwesen und müsse gejagt werden. Dazu gehört auch Dietrich Kübler aus Mossautal. Der 67 Jahre alte Landwirt und Jäger konnte vor wenigen Wochen gemeinsam mit seiner Frau beobachten, wie sich ein Wolf eine seiner Ziegen und ein Schaf geschnappt hat. "Dass ein Wolf sich so dicht an menschliche Behausungen wagt, spricht für ein problematisches Verhalten."

Das sei gefährlich und verunsichere die Menschen, sagt der Odenwälder, der unter anderem Ferienwohnungen und einen Zeltplatz betreibt. Das bedeute nicht, dass er das Existenzrecht des Wolfes in Deutschland grundsätzlich infrage stellen wolle, betont er. Das Raubtier dürfe sich nur nicht unkontrolliert vermehren.

Das sähen viele Schäfer so, sagt Bernd Keller. Der 59-Jährige ist Erster Vorsitzender des Odenwälder Schäfervereins und kennt die Sorgen der 120 Mitglieder: "Viele Tierhalter fürchten finanzielle Einbußen." Der nötige Mehraufwand, um Schafe vor dem Wolf zu schützen, sprenge den finanziellen Rahmen. Herdenschutzhunde seien teuer, Zäune lerne der Wolf mit der Zeit zu überwinden. Und für die aus seiner Sicht zu geringe finanzielle Förderung durch das Land Hessen sei ein unverhältnismäßig großer bürokratischer Aufwand nötig.

Verband der Schafhalter:
"Eine friedliche Koexistenz wird es nicht geben"

Ähnlich argumentiert der Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Schafhalter, René Gomringer. Er hält 20 Mutterschafe. "Als Weidetierhalter muss man dagegen sein, denn eine friedliche Koexistenz wird es nicht geben", sagt er. Der Wolf sei ein "gigantischer Gegner, der sehr schnell lernt und sich anpasst, und wir haben eigentlich nichts dagegenzusetzen". Dass ein Abschuss der Tiere nicht möglich ist, weiß der 64-Jährige. Dennoch: "Man müsste ab und zu einen schießen dürfen, damit er wieder Respekt kriegt."

Aus Sicht des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie aber auch für die Umweltverbände Nabu und BUND gibt es jedoch überhaupt kein Anzeichen dafür, dass ein "Problemwolf" oder gar mehrere von ihnen im Odenwald unterwegs sind. So sei es für das schlaue Tier ganz üblich, dort zuzuschlagen, wo es den geringsten Aufwand fürchten muss, sagt ein Sprecher des BUND.

Die hessische Wolfsbeauftragte und Diplom-Biologin Susanne Jokisch vom Hessischen Landesamt weist darauf hin, dass die Koppeln im Odenwald in zwei von drei Fällen nur an drei Seiten geschlossen gewesen seien. In einem weiteren Fall sei eine Weide nicht sachgerecht - also durch einen Elektrozaun - geschützt gewesen.

FW-Chef Aiwanger: "Es ist eine Frechheit, Tierhaltern
nach jedem Wolfsübergriff eine Mitschuld anzuhängen."

Bei den Vorfällen könne man auch nicht von einer Distanzlosigkeit des Wolfs gegenüber den Menschen sprechen, heißt es aus dem Landesamt. Wäre es aber so, dass ein Tier sich wiederholt den Menschen auf kurze Distanz - also weniger als 30 Meter - nähere, müsse man prüfen, was zu tun ist. Aktuelle Forderungen nach einer Bejagung seien aber "ungerechtfertigt und unangemessen". Die Experten erinnern daran, dass Wölfe streng geschützte Tiere sind, die unter das nationale und internationale Artenschutzrecht fallen.

Von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger kam indes Schützenhilfe für die Schäfer. "In Deutschland gibt es mittlerweile rund 1000 Wölfe, Zehntausende europaweit", erklärte er. Damit sei der Wolfsbestand nicht mehr gefährdet und der strenge Schutzstatus nicht mehr gerechtfertigt, "sondern eine Schikane für die Tierhalter". Aiwanger weiter: "Es ist eine Frechheit, Tierhaltern nach jedem Wolfsübergriff eine Mitschuld anzuhängen, weil sie angeblich ihre Herde nicht ausreichend geschützt hätten." Die Schuld liegt bei den Versäumnissen der Politik. "Wölfe, die Haustiere angreifen, müssen erlegt werden dürfen – nicht erst, wenn sie Menschen angreifen." (Stephen Wolf, dpa) Foto (BSZ): Hubert Aiwanger, Vorsitzender der Freien Wähler.

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