Leben in Bayern

Die 62-jährige Helga Bauermann mag ihren Job in der Straubinger Disco "Stars". (Foto: Armin Weigel/dpa)

21.08.2019

Beziehungstipps auf dem stillen Örtchen

Helga Bauermann wird in der Straubinger Diskothek zwei Nächte pro Woche als Toilettenfrau bezahlt. Unbezahlt arbeitet sie dabei auch noch als Kummerkasten, Modeberaterin und Erzieherin

Ihre Putzhandschuhe streift Helga Bauermann pro Nachtschicht zwei- bis dreimal außerplanmäßig ab - und zwar nicht für eine Pause, sondern um mit bloßen Händen tröstend über einen Teenanger-Rücken zu streicheln. "Besonders die Mädels sind teilweise sehr anhänglich und schütten mir weinend ihr Herz aus", sagt Bauermann.

Die 62-Jährige arbeitet seit acht Jahren jeden Freitag und Samstag nachts in der Straubinger Diskothek Stars - bezahlt wird sie als Toilettenfrau. Unbezahlt arbeitet sie dann auch als Kummerkasten, Beziehungsratgeberin, Modeberaterin und ab und an als Erzieherin.

Angenommen hat sie den Job damals wegen der guten Bezahlung. Dabei bleibt sie vor allem wegen der Kollegen und des Kontakts zu den Feiernden. "Ich verdiene an zwei Abenden das, wofür manche eine ganze Woche arbeiten müssen. Und mir macht es viel Spaß mit den jungen Leuten", sagt sie.

Die dreifache Mutter und zehnfache Oma ist gelernte Kinderpflegerin. Auch wenn ihre Ausbildung mit viel jüngeren Semestern zu hat, ihre Erfahrung mit Kindern kann sie in den Disco-Nächten gut gebrauchen. Denn neben den zwölf Kabinen und zehn Pissoirs in den Toiletten, den Handtüchern, den Spiegeln und den Waschbecken, kümmert sich Bauermann auch um den Herz-Schmerz der Gäste. "Die meisten kennen mich schon. Am häufigsten klagen die Mädchen, dass der angehimmelte Bub mit einer anderen tanzt", sagt die 62-Jährige. "Ich nehme sie dann in den Arm und sag: Wisch dir mal die Augen aus - am meisten kannst du ihn ärgern, wenn du so tust, als wäre nix."

Dass Putzen in Feier-Locations zur Partyzeit die eigentliche Jobbeschreibung deutlich erweitert, weiß auch Simon Plechinger. Der Gäudereinigermeister ist Geschäftsführer der Bamberger Glas- und Gebäudereinigungsfirma H. Hoffmann und Mitglied im Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks. "Nicht selten geht die Tätigkeit der Servicekraft weit über die eigentlichen Aufgaben hinaus. Seelsorger, Eheberatung, Auskunft, Styleguide und das mit Kunden, die sich zu den unmöglichsten Uhrzeiten in den unterschiedlichsten körperlichen und geistigen Verfassungen befinden. Das erfordert ein ganz besonderes Feingefühl", sagt Plechinger. "Ich glaube, manchmal halten gerade diese Kolleginnen und Kollegen den halben Laden zusammen - ohne dass es einem wirklich bewusst ist."

Wer daneben speibt, muss zahlen

Bauermanns Multi-Einsatz an mehreren Fronten beginnt freitags und samstags um 22.30 Uhr. Nach einem ersten Check, Spiegelabwischen, Toilettenpapier- und Seifenauffüllen geht sie erstmal an die Bar - für ein Begrüßungsgetränk mit den Kolleginnen dort. Ab dann wird regelmäßig nachgewischt und nachgefüllt.'

Richtig rund geht es dann so ab 1.00 Uhr. "Viele haben schon vorgeglüht, dann drückt das erste Mal die Blase", sagt Bauermann. Hinter den Gästen herzuwischen, macht ihr nichts aus. "Ich trage ja Handschuhe." Ohnehin hat sich die 62-Jährige die Arbeit schlimmer vorgestellt. "Man darf halt nur nicht auf den Mund gefallen sein. Die Jugend kann man teilweise noch erziehen." Beispielsweise, wenn sich jemand übergeben muss: "Sehe ich einen Burschen, der speiben will, dann sag ich ihm: Entweder du triffst die Schüssel oder zahlst mir 20 Euro." Die Allermeisten würden dann treffen.
Weniger treffsicher ist die Jugend laut Bauermann mittlerweile bei der Kleiderauswahl. "Die Röcke werden kürzer, die Klamotten enger - auch bei denen, wo es nicht schön aussieht", sagt sie. Ab und an, könne sie sich dann einen Kommentar nicht verkneifen. "Die allermeisten waren über den Tipp dankbar", sagt sie.

Besonders wild gehe es bei den Ü30-Parties zu. Dann kommen auch Paare an, die in den Kabinen ein Schäferstündchen abhalten wollen. "Macht's des draußen", sagt Bauermann dann. "Wir sind ja schließlich kein Puff." Über alle diese Erlebnisse hat Bauermann kürzlich ein Buch mit dem Titel "Lassen sich mich durch - Ich bin Klofrau" geschrieben.

Beendet ist ihre Schicht um 6.00 Uhr morgens. Dann fährt Bauermann heim ins benachbarte Feldkirchen und schläft bis etwa 11.30 Uhr. "Bevor ich abends ran muss, lege ich mich dann am Nachmittag nochmal hin", sagt sie. Probleme, die Nachtschicht durchzustehen hat sie nicht. "Meist habe ich um zwei - wie auch die allermeisten Kollegen - mal ein Tief", sagt sie. "Dann wird eben schnell an der Bar eine Cola getrunken und weiter geht's."
(Elena Koene, dpa)

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