Leben in Bayern

Anita Bartsch mit Kunsthandwerk aus Sambia – 2019 hat ihr Verein 50.000 Euro in Projekte investiert. (Foto: Pat Christ)

19.06.2020

Corona-Hilfe für die Ärmsten

Die Ruheständlerin Anita Bartsch aus der Nähe von Würzburg hilft mit ihrem Verein Aids-Waisenkindern in Sambia – dort fehlt es sogar an Seife

Aids – und jetzt auch noch Corona. In den Townships von Sambia sind viele Menschen mit dem HI-Virus infiziert und unterernährt. Anita Bartsch startete deshalb eine Spendenaktion für Präventionsmittel für die regionalen Kliniken. Vor acht Jahren bereits gründete die Fränkin einen Verein, um Aids-Waisen eine Schul- und Ausbildung zu ermöglichen. Um sie macht sie sich große Sorgen.

Der einfachste und zugleich nützlichste Tipp während der Corona-Pandemie lautet: oft und gründlich Hände waschen. Mit reichlich Wasser und Seife. Das gilt bei uns wie in allen anderen Ländern. „Doch wie sollen das die Menschen im Busch und in den Townships von Luanshya in Sambia machen?“, fragt Anita Bartsch vom Förderverein S.A.m.b.i.A. In Townships gibt es kein fließendes Wasser. Und niemand käme auf die Idee, das wenige Geld, das er hat, in Seife zu investieren. Wo es doch gilt, den Hunger zu stillen.

Überall dort, wo die Existenz extrem prekär ist, hat Hygiene nur sekundäre Bedeutung. Die Menschen in den Townships Sambias kämpfen jeden Tag ums Überleben. Derzeit ist dieser Kampf besonders hart, weiß Bartsch. Die engagierte Ruheständlerin aus Neubrunn bei Würzburg ist dem Land Sambia durch ihr sambisches Patenkind Charles Mwila seit 20 Jahren verbunden. Vor knapp acht Jahren gründete sie den Verein S.A.m.b.i.A. („Schulische Ausbildung mit beruflich individueller Ausprägung“) für Aids-Waisen in Sambia.

Zu verhindern, dass sich das Coronavirus ausbreitet, ist in Townships ungemein schwierig. „Auch in Sambia heißt es, dass die Menschen zu Hause bleiben sollen, doch das ist in Bezug auf die Townships ein Hohn, denn es würde bedeuten, dass etliche Menschen auf wenigen Quadratmetern zusammenhocken“, sagt die Neubrunnerin. Hinzu kommt, dass fast niemand, der in den Townships lebt, gesund ist. Viele haben Aids. Sehr viele sind unterernährt. Einige hatten Malaria. „Sollte sich das Virus in diesen armen Vierteln verbreiten, werden die Menschen wegsterben wie die Fliegen.“ Und niemand werde es merken. Denn die Bewohner*innen der Townships sind nicht registriert.

Das öffentliche Leben in Sambia wurde ähnlich streng reglementiert wie hierzulande. Wobei die offiziellen Corona-Zahlen noch niedrig sind. Aktuell gelten gut 1300 Menschen als infiziert, elf starben. „Für unsere Aids-Patenkinder in den Primary und Secondary Schools in St. Kalemba, Kitwe und Ibenga bedeuten die Reglementierungen, dass sie bis auf Weiteres nicht mehr zur Schule gehen können“, berichtet Bartsch. Außerdem entfällt das Schulfrühstück in der vom Verein unterstützten Kaula School im nordwestlichen Buschland. Auch in der Township School von Luanshya, die Bartschs ehemaliges Patenkind Charles leitet, gibt es derzeit weder Unterricht noch Frühstück.

Der fränkische Verein näht Masken in Sambia

Ihr Verein will mithelfen, eine Katastrophe angesichts der Pandemie zu verhüten. Deshalb startete er die Spendenaktion „Masks and more“ für die Menschen im Hauptaktionsgebiet St. Kalemba. „In den beiden regionalen Krankenhäusern waren so gut wie keine Präventionsmittel vorhanden“, berichtet Bartsch. Allein in den ersten zwei Wochen gelang es, über 1000 Masken in der vereinseigenen Nähschule zu produzieren. Und zwei sambische Vereinsaktivisten fuhren mit ihrem Jeep ins 800 Kilometer entfernt Kitwe, um günstig Seife und Desinfektionsmittel zu kaufen.

In Sambia ist die Quote der HIV-Infizierten bis heute sehr hoch. In der Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen sollen es laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit fast 15 Prozent sein. Kernanliegen von S.A.m.b.i.A ist es, Kindern, die ein Elternteil oder beide Elternteile durch Aids verloren haben, an einen deutschen Paten zu vermitteln. „Aktuell haben wir 135 Patenkinder, weitere 150 Kinder, die mir namentlich bekannt sind, warten darauf, dass auch sie einen Paten oder eine Patin bekommen“, erzählt Bartsch. Neben Aids-Waisen werden auch extrem arme Kinder, um die sich niemand kümmert, in das Projekt aufgenommen.

Bartsch hat schon sehr viel erreicht, doch eines würde sie noch wahnsinnig gern mit ihrem Verein realisieren: „Meine Vision ist es, im Busch ein Waisenhaus zu gründen.“ Auf die Idee kam sie bei einem Treffen 2018 mit den „Headmen“, den traditionellen Führern von fünf Gemeinden rund um St. Kalemba. „Ich fragte die Headmen, was denn ihr größter Wunsch wäre, und dachte bei mir, dass ich jetzt sicher zu hören bekomme: ein Haus oder ein Handy“, erzählt die Vereinsvorsitzende. Zu ihrer großen Überraschung sagten alle einhellig: „Unser größter Wunsch wäre ein Waisenhaus.“

Die Pandemie könnte ein Haus für verwaiste Kinder nun noch dringlicher machen. Wobei das Coronavirus die Realisierung eines so ehrgeizigen Projekts zusätzlich erschwert. So musste der Förderverein mehrere Benefizveranstaltungen absagen. Und ob die hierzulande von der Pandemie gebeutelten Menschen auch künftig bereit sein werden, S.A.m.b.i.A so spendabel wie bisher zu unterstützen, ist die große Frage. Schon jetzt braucht es erkleckliche Summen, um alle bisher ins Leben gerufenen Projekte am Laufen zu halten. Im vergangenen Jahr wurden rund 50 000 Euro in die einzelnen Initiativen investiert. Hinzu kommen pro Jahr 240 Euro pro Patenschaft.

Vor 20 Jahren wurde  Bartsch selbst Patin

Zum Glück passiert ständig etwas, was Bartsch zuversichtlich mit Blick auf die Zukunft ihres Vereins stimmt. „Wir haben schon so viele kleine und große Wunder erlebt“, strahlt sie. Vor knapp acht Jahren wurde der Verein mit 16 Menschen gegründet. Soeben konnte sie, und zwar mitten in der Krise, das 199. und 200. Mitglied begrüßen. Dass es sich bei den beiden Neuen um Maria Tekülve und Theo Rauch handelt, macht Anita Bartsch stolz. Denn sie sind Entwicklungsforscher und damit ausgewiesene Experten. Dass die beiden gut finden, was sie macht, geht Bartsch runter wie Öl. „Wenn Menschen, die bereits jahrelang selbst vor Ort waren, uns ihr Vertrauen schenken, dann ist das ein ganz großartiges Gefühl“, sagt die ehemalige Telekom-Abteilungsleiterin. Vertrauen schafft Bartsch aber auch durch Transparenz. Gerade in letzter Zeit gab es im Zuge von „Masks and more“ häufig Rundmails mit Vor-Ort-Bildern. „Denn alle sollen erfahren, was wir mit den Spendengeldern machen.“

Plagen Bartsch Ängste, ob es weiterhin gut gehen wird mit ihrem Verein, denkt sie an ihren Patensohn Charles Mwila. Das heitert sie auf. Bartsch und Charles fanden sich, als Charles 16 war – ein Afrikamissionar vermittelte die Patenschaft. Ohne Bartsch hätte der heute 36-jährige Charles keinerlei Bildungschancen gehabt. Seine Patin ermöglichte es ihm sogar, Jura zu studieren. Wobei sich Mwila letztlich dagegen entschied, Anwalt zu werden.

Denn Charles zog es vor, sich in die Niederungen des Alltags in den Townships zu begeben, nachdem er ein Jahr lang in Südafrika in einem Waisenhaus gearbeitet hatte. Er erkannte, dass seine Berufung nicht in der Juristerei lag. Heute leitet er die Township School in Luanshya, einer Industriestadt im Copperbelt, einem Kupferminen-Abbaugebiet. „Die Eltern dort können das Geld für den Besuch einer Government School nicht bezahlen“, so Bartsch. Deshalb komme der Schule von Charles Mwila eine große Bedeutung zu. Um die 200 Kinder, die sonst keinerlei Chance auf Bildung hätten, besuchen die Einrichtung.

Auch um sie sorgt sich Bartsch aktuell sehr: „Da die Minen meist den Chinesen gehören, sind dort zwangsläufig auch viele Chinesen beschäftigt und aktiv“, erklärt Anita Bartsch. „Daher ist das Copperbelt im Moment der Hotspot von Corona in Sambia.“
(Pat Christ)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Ist das geplante Demokratiefördergesetz sinnvoll?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2023

Nächster Erscheinungstermin:
29. November 2024

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 24.11.2023 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Passwort vergessen?

Geben Sie Ihren Benutzernamen oder Ihre E-Mail ein um Ihr Passwort zurückzusetzen. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an: vertrieb(at)bsz.de

Zurück zum Anmeldeformular 

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.